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MILITÄR/901: Brasilien - Fernziel Atom-U-Boot rückt näher, zunächst vier konventionelle Boote (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. Juli 2011

Brasilien: Fernziel Atom-U-Boot rückt näher - Zunächst vier konventionelle Boote

Von Fabiana Frayssinet


Itaguaí, Brasilien, 25. Juli (IPS) - Schon seit den siebziger Jahren will Brasilien ein Atom-U-Boot bauen. Nach langen Verzögerungen scheinen sich die Pläne nun zu konkretisieren. So hat Staatspräsidentin Dilma Rousseff höchstpersönlich den offiziellen Startschuss für das sogenannte 'ProSub'-Programm gegeben.

"Brasilien macht einen weiteren Schritt in Richtung eines Industrielandes, das fortgeschrittene Technik einsetzt", erklärte Rousseff am 16. Juli in Itaguaí, einer Stadt 80 Kilometer von Rio de Janeiro. Zunächst werden vier konventionelle nicht-nukleare U-Boote vom Typ S-BR mit französischer Technologie konstruiert. Dann sollen atomar betriebene Unterseeboote folgen.


Abkommen mit Frankreich

Die Vereinbarungen zu ProSub waren im Dezember 2008 von dem früheren brasilianischen Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva und dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy unterzeichnet worden. Frankreich wird demnach das notwendige technologische Know-how an brasilianische Firmen liefern.

In einem Magazin des Konzerns 'Nuclebrás Equipamentos Pesados' (NUCLEP) in Itaguaí lagern bereits Stahlplatten, die für den U-Boot-Bau verwendet werden sollen. Nach Angaben der brasilianischen Marine werden die benötigten Komponenten von rund 30 Unternehmen im Land produziert. Mit der Errichtung einer neuen Werft, einer Marinebasis und einer Metallfabrik wurde bereits begonnen.

Mit dem Projekt ist das Konsortium 'Itaguaí Construçoes Navais' beauftragt. Darin sind das französische Staatsunternehmen DCNS, der brasilianische Bauriese 'Odebrecht' und die brasilianische Marine zusammengeschlossen, die ein Vetorecht hat.


Urananreicherung kein Problem

Dem Verteidigungsministerium zufolge ist das Programm "der erste Schritt zum Bau eines brasilianischen Atom-U-Boots vom Typ SN-BR", das 2023 ausgeliefert werden soll. Das größte südamerikanische Land verfügt bereits über die Technologie, um Uran anzureichern und damit den Treibstoff für das Boot zu produzieren. In dieser Lage sind bislang nur China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA.

Der Politologe Mauricio Santoro von der Getulio-Vargas-Stiftung in Rio de Janeiro sieht in dem Projekt die seit Jahrzehnten symbolträchtigste Unternehmung der brasilianischen Marine. Industriestaaten wie die USA betrachteten den nuklearen Antrieb als unverzichtbar für ihre Kriegsflotten, sagte Santoro. Die nötige Technologie zu besitzen, sei für Brasilien wichtig, um einen Prototyp zu schaffen, der später unter anderem auch für Flugzeugträger verwendet werden könne.

Wie Santoro in Erinnerung ruft, hat Brasilien auch historische Gründe für die Entwicklung von Atom-U-Booten. Das Land war in den Ersten und den Zweiten Weltkrieg eingetreten, nachdem deutsche Unterseeboote die brasilianische Handelsmarine im Südatlantik attackiert hatten. Brasilien hatte damals keine Möglichkeit, sich zur Wehr zu setzen.

Marineexperten sind zudem der Ansicht, dass der Falkland-Krieg von 1982 nicht für Großbritannien ausgegangen wäre, hätte sich Argentinien mit einer Flotte von Atom-U-Booten gegen die Briten verteidigen können. Rousseff betonte in Itaguaí, dass die nuklear betriebenen Unterwasserboote ausschließlich der Verteidigung dienen würden.


Regierung demonstriert friedliche Absichten

Nach Ansicht des Politikexperten William Gonçalves von der Universität von Rio de Janeiro verfolgt Brasilien bestimmte strategische Interessen, doch der Wunsch nach einem Wettrüsten oder nach einem Aufstieg zur Militärmacht gehörten nicht dazu. Vielmehr gehe es dem Land darum, seine 3,6 Millionen Quadratkilometer großen Hoheitsgewässer und insbesondere seine kürzlich entdeckten, umfangreichen Offshore-Erdölvorkommen zu schützen.

Wie Gonçalves erklärte, muss Brasilien außerdem wachsenden internationalen Verpflichtungen auf politischer Ebene sowie in den Bereichen Energie, Handel und Umweltschutz nachkommen. Nach Ansicht von Santoro sollen die Atom-U-Boote zudem den Transport von Exportgütern überwachen, die zu 95 Prozent verschifft werden. Sie seien zudem ein wichtiger Faktor, um Stärke zu demonstrieren, wie sie Bewerbern für einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat gut anstünde. (Ende/IPS/ck/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juli 2011