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PARTEIEN/164: Studie - SPD war Ende 2016 trotz Verlusten die Partei mit den meisten Mitgliedern (idw)


Freie Universität Berlin - 04.07.2017

Studie: SPD war Ende 2016 trotz Mitgliederverlusten Partei Deutschlands mit den meisten Mitgliedern


Die SPD ist Ende 2016 einer Studie des Politologen Prof. Dr. Oskar Niedermayer von der Freien Universität Berlin zufolge trotz Verlusten die mitgliederstärkste Partei gewesen. Die SPD verlor danach im Jahresverlauf 2016 zwar 2,3 Prozent und verzeichnete 432.706 Mitglieder, sie hatte damit Ende Dezember aber knapp 800 Mitglieder mehr als die CDU, deren Mitgliederzahl im Jahresverlauf um 2,8 Prozent auf 431.920 sank.

Da die CDU - anders als die SPD - jedoch nur außerhalb Bayerns Mitglieder gewinnen kann, ist die Gesamtzahl der Personen in der Bevölkerung, die sie überhaupt ansprechen kann, weniger groß; die Rekrutierungsfähigkeit der CDU - also der prozentuale Anteil der Parteimitglieder an der Gesamtzahl der potenziellen Mitglieder - ist seit 1999 höher als der der SPD: Der Wert der CDU erreichte im Jahr 2016 0,75 Prozent, während die SPD auf 0,61 Prozent kam. Die CSU hatte 1,31 Prozent der bayerischen Bevölkerung ab 16 Jahren als Mitglieder; CDU/CSU gemeinsam erreichten bundesweit 0,84 Prozent der potenziellen Mitglieder. Die Ergebnisse erscheinen in der jüngsten Ausgabe (2/17) der Zeitschrift für Parlamentsfragen und wurden am Dienstag von Professor Niedermayer bei dessen Abschiedsvorlesung am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft (OSI) vorgestellt.

Drittgrößte Partei blieb Ende 2016 die CSU, die nach einem Verlust von 1,3 Prozent 142.412 Mitglieder verzeichnete. Die Grünen als Partei mit der viertgrößten Mitgliederzahl kehrten nach zwei Jahren von Verlusten den Abwärtstrend um und legten um 3,7 Prozent zu; mit 61.596 Mitgliedern hatten die Grünen Ende 2016 mehr Parteiangehörige denn je. Die Linkspartei als fünftgrößte Partei verlor 0,1 Prozent ihrer Mitglieder und kam auf 58.910 Personen. Die FDP konnte einen Abwärtstrend seit 2010 stoppen; die Partei erhöhte 2016 die Zahl ihrer Angehörigen um 1,3 Prozent und kam auf 53.896 Personen. Die AfD als siebtgrößte Partei kompensierte einen Verlust um 21 Prozent aus dem Jahr 2015 und legte um 61,2 Prozent auf 26.409 Mitglieder zu - allerdings in einer Betrachtung erst zum Stichtag Mitte April 2017, wie Oskar Niedermayer hervorhob.

"Insgesamt ist die Zahl der Parteimitglieder 2015 um drei, 2016 nur noch um ein Prozent gesunken", betonte der Politikwissenschaftler. Betrachte man den gesamten Zeitraum seit 1990, so hätten alle Parteien mit Ausnahme der Grünen Mitglieder verloren, wenn auch in sehr unterschiedlichem Maße. "Am stärksten hat es die Linke getroffen, die - trotz des Zuwachses durch die Vereinigung von PDS und WASG im Juni 2007 - Ende 2016 rund 79 Prozent weniger Mitglieder hatte als die PDS Ende 1990", konstatierte Oskar Niedermayer. Die FDP habe seit 1990 etwa 68 Prozent ihrer Mitglieder verloren, die SPD 54 Prozent, die CDU mehr als 45 Prozent und die CSU knapp 24 Prozent. Die Grünen hingegen hätten ihre Mitgliederschaft seit 1990 um 49 Prozent steigern können. "Betrachtet man alle Parteien einschließlich der AfD zusammen, so ist die Zahl der Parteimitglieder seit 1990 um die Hälfte gesunken. Es ist somit eine kontinuierlich abnehmende gesellschaftliche Verankerung des Parteiensystems zu beobachten", betont der Politikwissenschaftler.

"Der Mitgliederrückgang 2016 war bei der CDU flächendeckend, das heißt, er vollzog sich in allen Bundesländern", hob Oskar Niedermayer hervor. Die SPD hingegen habe in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen ein leichtes Mitgliederplus verzeichnet. Bei der FDP hielten sich die Landesverbände der Erhebung zufolge mit Zuwächsen und Verlusten in etwa die Waage, die Grünen hätten flächendeckend Mitgliederzuwächse verzeichnet, wenn auch in unterschiedlichem Maße. "Bei der Linkspartei waren unter den sieben Landesverbänden mit Mitgliederverlusten alle fünf ostdeutschen Verbände, das heißt der Mitgliederschwund in Ostdeutschland setzte sich mit insgesamt fünf Prozent fort", erklärte der Politikwissenschaftler.

"Die Parteien unterscheiden sich weiterhin stark beim Anteil der Männer und Frauen", betonte Oskar Niedermayer. Den geringsten Anteil an Frauen habe 2016 die AfD mit 16 Prozent aufgewiesen, gefolgt von der CSU mit 20,3 Prozent. Die FDP kam auf einen Frauenanteil von 22,6 Prozent, die CDU auf einen Anteil von 26,1 Prozent. Den höchsten Anteil hätten 2016 mit 39 Prozent die Grünen zu verzeichnen, gefolgt von der Linkspartei mit 36,9 Prozent. Auch das Ausmaß der "Überalterung" sei sehr unterschiedlich. Das Durchschnittsalter der Mitglieder reiche von 50 Jahren bei den Grünen bis zu 60 Jahren bei CDU und SPD.

Oskar Niedermayer, Jahrgang 1952 in Schönau bei Heidelberg, verabschiedete sich mit dieser Vorlesung nach fast einem Vierteljahrhundert vom Otto-Suhr-Institut. Oskar Niedermayer studierte Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre und Politische Wissenschaft an der Universität Mannheim. Er promovierte mit summa cum laude über das Thema "Europäische Parteien? Zur grenzüberschreitenden Interaktion politischer Parteien im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft" und habilitierte sich 1988 im Fach Politische Wissenschaft an der Universität Mannheim. Oskar Niedermayer lehrte an den Universitäten Mannheim, Konstanz und Heidelberg und war mehrere Jahre lang Direktor des Zentrums für Europäische Umfrageanalysen und Studien (ZEUS). Im Jahr 1993 folgte er dem Ruf an die Freie Universität Berlin, an der er seither forscht und lehrt. Zu seinen Schwerpunkten zählen Politische Soziologie, das politisches System Deutschlands, Europaforschung und Methoden der Politikwissenschaft. Die Parteienstudie führt er auch im Ruhestand fort.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Freie Universität Berlin, Carsten Wette, 04.07.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juli 2017

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