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REDE/790: Rainer Brüderle - Aussprache zur Regierungserklärung der Kanzlerin, 11.11.09 (BPA)


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Rede des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie, Rainer Brüderle, im Rahmen der Aussprache zur Regierungserklärung der Bundeskanzlerin vor dem Deutschen Bundestag am 11. November 2009 in Berlin


Herr Präsident!
Meine Damen und Herren!

Wahlkampf und Regierungsbildung liegen hinter uns. Schauen wir nach vorn, machen wir uns an die Arbeit. Ein Weiter-so darf es nicht geben.

An die neuen Aufgaben können wir mit Optimismus und Zuversicht gehen; dazu gibt es allen Grund. Die Auftragsbücher der Industrieunternehmen füllen sich wieder. Auch die Exporte legen zu. Die Weltwirtschaft wird nach Aussagen des IWF im nächsten Jahr um mehr als drei Prozent wachsen. Davon wird Deutschland profitieren. Zugleich hat sich der Arbeitsmarkt als widerstandsfähiger erwiesen, als es zu befürchten war. Aber ich kann keine Entwarnung geben. Die schwerste Finanz- und Wirtschaftskrise seit der Nachkriegszeit ist noch nicht überwunden. Deshalb geht es jetzt darum, dass die Weichen von der Politik neu gestellt werden - weg von der Krisenbewältigung der letzten Zeit mit ihren notwendigen Feuerwehreinsätzen hin zu einer Politik, die das Wachstum nachhaltig stärkt. Wir müssen die Wachstumskräfte fördern.

Schlüssel dafür ist die Steuerpolitik. Mit ihr können wir die Motivation und Leistungsbereitschaft der Bürgerinnen und Bürger stärken und zusätzliche Nachfrageimpulse auf den Weg bringen. Das ist unerlässlich, um Wohlstand und Arbeitsplätze zu erhalten und neu zu schaffen. Deshalb ist das Wachstumsbeschleunigungsgesetz so wichtig. Es heißt nicht nur so, es wirkt auch so. Es beschleunigt das Wachstum.

Für mich ist der zentrale Punkt: Das Gesetz entlastet die Bezieher unterer und mittlerer Einkommen. Es hilft Familien mit Kindern, und es trägt zur Stärkung der Konjunktur bei. Es ist sozial sensibel und konjunkturpolitisch absolut richtig. Wir beseitigen die gröbsten Schnitzer der letzten Unternehmensteuerreform; ich nenne die Stichworte: Zinsschranke beziehungsweise Hinzurechnungen bei der Gewerbesteuer. Das ist eine Kehrtwende. Die Besteuerung der Unternehmenssubstanz wird deutlich entschärft. Eine Besteuerung von Gewinnen versteht man. Aber eine Besteuerung der Unternehmenssubstanz ohne Gewinn kann keiner nachvollziehen.

Die Erbschaftsteuer wird mittelstandsfreundlich verändert. Außerdem werden Geschwister steuerrechtlich nicht mehr wie Fremde behandelt. Das ist notwendig zur Erhaltung der Betriebe, insbesondere bei Personengesellschaften, und eine Frage nicht nur des mittelstandsfreundlichen Klimas, sondern auch der Achtung des Vermögens und Eigentums.

Alles in allem entlasten wir die Bürger und Unternehmen um rund 21 Milliarden Euro. Das sind eins Prozent des Bruttoinlandsprodukts; das ist eine konjunkturwirksame Größe. Die Deutsche Bank hat gestern eine Berechnung vorgelegt, dass dies einen zusätzlichen Wachstumsimpuls von einem halben Prozent bringen kann.

Wir rücken den Mittelstand in den Mittelpunkt unserer Wirtschaftspolitik. Wir stärken ihn, wir entlasten ihn. Vordringlich ist die Verbesserung der Finanzierungsbedingungen für die Unternehmen. Sie brauchen Kredite für Investitionen und Innovationen sowie zur Sicherung von Arbeitsplätzen. Dabei sind zunächst die Banken gefragt. Etliche Banken haben nach dem Staat gerufen, um Konsolidierungshilfen einzufordern. Für mich ist völlig klar: Wer Steuergelder zur Bilanzbereinigung entgegennimmt, muss auch seiner Verantwortung bei der Kreditvergabe nachkommen.

Die Bundeskanzlerin hat gestern zu Recht von der Gefahr einer Kreditklemme gesprochen. Wir haben im Koalitionsvertrag Maßnahmen gegen eine solche gefährliche Entwicklung vereinbart, damit die Konjunkturpflänzchen sich entwickeln und entfalten können. Wir werden einen Kreditmediator einrichten. Frankreich hat mit einer solchen Institution die gute Erfahrung gemacht, dass konkrete Probleme im Dialog mit den Banken bereinigt werden.

Der Deutschlandfonds muss noch stärker auf den Mittelstand zugeschnitten werden. Ein Weg kann sein, sich das Zusageverhalten der beteiligten Banken genauer anzuschauen. Unternehmen mit vertretbaren Risiken müssen auch Zugang zu den Finanzierungen durch den Fonds bekommen. Wir werden die Kreditanstalt für Wiederaufbau in ihrer Funktion als Mittelstandsbank stärken. Aber eines muss auch klar sein: Die Krise bewältigen können nur die Unternehmen selbst.

Wir treten für eine Wiederbelebung, eine Renaissance der sozialen Marktwirtschaft ein. Nur die Wirtschaftskrise hat die massiven Beteiligungen und Unterstützungen des Staates bei Banken und Unternehmen gerechtfertigt. Nun muss die Wirtschaft wieder in die geordneten Bahnen der sozialen Marktwirtschaft zurückgeführt werden. Freiheit und Verantwortung müssen wieder stärker gelten. Wer die Gewinne macht, muss auch die Verluste tragen. Der Staat muss sich Zug um Zug aus der fiskalpolitischen Konjunkturstützung zurückziehen, und die verstärkte Haushaltskonsolidierung muss dann wieder greifen.

Die Hängepartie bei Opel ist dabei eine Warnung. Viel zu lange wurden nötige Entscheidungen hinausgezögert. Viel zu lange ist bereits Geld verbrannt worden. Der Ball liegt jetzt bei General Motors und nicht in Berlin.

Als Bundeswirtschaftsminister geht es mir um eine volkswirtschaftliche Gesamtschau. Die Automobilindustrie, diese Kernbranche Deutschlands, zeigt ihr Potenzial an vielen Standorten, zum Beispiel in Ingolstadt, Wolfsburg, Leipzig und Sindelfingen und nicht nur an den aktuell diskutierten Standorten in Deutschland.

Die Automobilindustrie in Deutschland braucht Perspektiven für eine gute Zukunft. Das geht nur mit Innovationen. Ich nenne den Bereich neue Antriebe: Elektromobilität kann das Megathema des nächsten Jahrzehnts werden. Elektromobilität ist die Chance für Klimaschutz und Fahrkomfort. Hier liegt ein weites Feld für Innovationen, Investitionen und neue Arbeitsplätze.

Ich bin überzeugt, mit den aufgezeigten Instrumenten und entschlossenem Handeln werden wir es schaffen, Deutschland erfolgreich in das neue Jahrzehnt zu führen. Dazu brauchen wir Energiepolitik aus einem Guss. Es geht um eine sichere Versorgung für unser Industrieland. Zudem brauchen wir wettbewerbsfähige Energiepreise. Vor uns steht - last, but not least - die große Menschheitsaufgabe des Klimaschutzes. An diesen wichtigen Herausforderungen werden wir arbeiten, und dafür bitte ich Sie um Ihre Unterstützung.


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Quelle:
Bulletin Nr. 113-1 vom 11.11.2009
Rede des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie, Rainer Brüderle,
im Rahmen der Aussprache zur Regierungserklärung der Bundeskanzlerin
vor dem Deutschen Bundestag am 11. November 2009 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. November 2009