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REDE/800: Zu Guttenberg - Mandatsverlängerung für den UNIFIL-Einsatz im Libanon, 26.11.09 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede des Bundesministers der Verteidigung, Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, zur Fortsetzung der Beteiligung der Bundeswehr an der United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL) vor dem Deutschen Bundestag am 26. November 2009 in Berlin


Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen, meine Herren!

Kollege Mützenich, das war ein in vielerlei Hinsicht interessanter Beitrag, um es einmal so auszudrücken, aber ein nicht immer nur schlüssiger. Ich will auf die Punkte eingehen, die Sie bezüglich meiner Person angesprochen haben und die die Auslandseinsätze anbelangen.

Armee im Einsatz: Ich glaube, es ist unbestritten, dass es sich um eine Armee im Einsatz handelt. Ich selbst gehe sehr vorsichtig mit den Begriffen "Ausnahmesituation" und "Selbstverständlichkeit" um. Selbstverständlichkeit hat sich immer am Maßstab der hohen, ja, der höchsten Verantwortung auszurichten, die wir gerade in diesem Zusammenhang tragen. Ich warne nur davor, dass es zur Selbstverständlichkeit wird, dass man verdruckst damit umgeht, dass wir eine Armee im Auslandseinsatz seit Mitte der 90er Jahre haben. Man sollte deutlich machen, dass sich in vielerlei Hinsicht einiges in den letzten Jahren verändert hat. Ich lege diesen Maßstab der Verantwortung an. Keiner macht es sich leicht. Ich habe das heute Morgen anlässlich der Debatte über die Verlängerung des ISAF-Mandats schon einmal gesagt. Keiner macht es sich mit seiner Entscheidung leicht, weder die Bundesregierung noch irgendeiner hier in diesem Hohen Hause. Vor diesem Hintergrund kann man den Ansatz der Gewissensentscheidung sofort unterschreiben; aber in diesem Sinne bitte ich das verstanden zu wissen. Das heißt in diesem Zusammenhang, natürlich eine optimale Ausrüstung zur Verfügung zu stellen. Die psychologische Begleitung und Betreuung ist ein großes Thema, ein diffiziles Thema. Auch das ist etwas, was uns in besonderer Weise trifft. Ich hoffe hier auf die entsprechende Unterstützung der Opposition, weil im Zusammenhang mit der Ausrüstung sofort wieder andere Debatten losgehen und man sich bequem in die eine oder andere Richtung schlagen könnte.

Sie haben den Vorwurf der Willkür, was den Zeitraum dieses Mandats anbelangt, erhoben.

Ich bitte Sie, zwei Dinge in Betracht zu ziehen.

Der erste Punkt ist, dass wir im Frühjahr eine Evaluierung seitens der Vereinten Nationen haben werden. Es ist absehbar, dass diese Evaluierung in eine Neubetrachtung dieses Mandats einfließen könnte. Deswegen ist es verantwortlich und verantwortbar und auch dringend geboten gewesen, das Mandat nicht vor der Evaluierung enden zu lassen - das wäre in seiner Weisheit überschaubar gewesen -, aber eine entsprechende zeitliche Nähe zu suchen.

Zum Zweiten: Verantwortung. Wir haben über 21 Monate selbst Führungsverantwortung bei UNIFIL getragen. Dieser Verantwortung sind wir in dieser Zeit erstklassig gerecht geworden. Jetzt übergeben wir zum 1. Dezember die Verantwortung an Italien. Auch daran ließe sich ein entsprechender Zeitraum bemessen. Aber ich will damit kein apodiktisches Signal gesetzt sehen. Dieses Signal hat sich vielmehr - Guido Westerwelle hat es angesprochen - an der Verantwortung gegenüber Israel, gegenüber Libanon zu orientieren; aber es hat sich auch im Rahmen des Verständnisses der Vereinten Nationen zu bewegen. Ich glaube, vor diesem Hintergrund kann man das durchaus vertreten.

Wir beteiligen uns mittlerweile seit dem 8. Oktober 2006 am UNIFIL-Flottenverband und haben, wie ich bereits angesprochen habe, diese Führungsverantwortung gut, ja - ich sage noch einmal - erstklassig wahrgenommen. Ich begrüße die Soldatinnen und Soldaten, die heute hier sind. Ich darf mich in dieser Hinsicht auch an dieser Stelle noch einmal für den Einsatz unserer Soldatinnen und Soldaten vor Ort bedanken.

Es ist richtig und kann gar nicht laut genug wiederholt werden, dass Deutschland ein strategisches Interesse an einem dauerhaften Frieden im Nahen Osten hat, mit all den komplexen Zusammenhängen, die dort gegeben sind. Wir wissen alle, dass Lösungen nicht aus dem Ärmel zu schütteln sind, sondern dass wir die Zusammenhänge, die Vielschichtigkeit in besonderer Weise zu begreifen haben, dass die Sicherheit des Staates Israel von besonderer Bedeutung ist; Herr Westerwelle hat das benannt. Ebenso wichtig ist für uns ein lebensfähiger palästinensischer Staat. Beides ist maßgeblich dafür, dass eine regionale Friedenslösung gefunden werden kann.

Zur Befähigung der libanesischen Streitkräfte zur eigenständigen Wahrnehmung ihrer Aufgaben ist in diesem Zusammenhang von zentraler Bedeutung, dass wir diesen Kontext bei der Ausgestaltung des Mandats berücksichtigen. Wir wollen dabei helfen, das Ziel Befähigung zu realisieren.

Der UNIFIL-Flottenverband hat seit seiner Aufstellung in sehr enger Kooperation mit der libanesischen Marine den Waffenschmuggel auf dem Seeweg verhindert. Immer wieder heißt es: Ihr habt ja nichts gefunden. Aber auch der Umstand, dass man einmal keine Waffen findet, kann durchaus Ausdruck einer erfolgreichen Mission sein. Ich glaube, das Ganze kann wirklich in diesem Sinne dargestellt werden.

Bisher wurden mehr als 30.000 Abfragen auf See getätigt - auch ich habe erst in den letzten Tagen lernen dürfen, wie viele Abfragen es bislang tatsächlich waren -, und mehr als 390 Schiffe wurden durch die libanesischen Behörden weitergehend kontrolliert. An dem etwa 1.000 Soldatinnen und Soldaten starken UNIFIL-Flottenverband beteiligen sich neben Deutschland derzeit Italien - zum 1. Dezember in der Verantwortung -, Griechenland und die Türkei. Insgesamt leisten etwa 12.400 Soldatinnen und Soldaten auf See und an Land Dienst bei UNIFIL.

Das deutsche Engagement bei UNIFIL vor der Küste Libanons ist erfolgreich. Ich sage noch einmal: Wir tragen wirksam dazu bei, dem Waffenschmuggel über See keine Chance zu geben. Ich glaube, wir werden uns weiterhin darüber unterhalten müssen, ob es andere Umgehungswege dieses Waffenschmuggels gibt und wie diesem Waffenschmuggel generell entgegengetreten werden kann. Es ist nicht so, dass sich dieses Problem in der Region in irgendeiner Weise erschöpft hätte, im Gegenteil.

Wir helfen dem Libanon bei der Ausübung seiner Souveränitätsrechte vor seiner Küste, und wir befähigen die libanesische Marine, diese Aufgabe über kurz oder lang selbst wahrzunehmen. Auch das ist ein Punkt, der mehr und mehr ins Zentrum rückt; schließlich sprechen wir darüber, wie selbstverständlich das Konzept einer Einsatzarmee oder einer Armee im Einsatz ist. Ich glaube, der Grundgedanke, dass unsere Einsätze zur Befähigung von Armeen, die uns verbunden sind, beitragen - sei es in Afghanistan, sei es im Libanon, sei es an anderen Orten dieser Erde; wir werden darüber möglicherweise in anderen Diskussionen sprechen -, ist durchaus ein positiver Ausfluss dieses Einsatzes. Ich glaube, dass diese Arbeit und diese Ausbildungsleistungen gerade unserer Armee im Ausland in diesem Zusammenhang zu Recht geschätzt werden.

Ich darf noch einen Hinweis geben: Gespräche der letzten Tage mit Vertretern Israels und auch Libanons haben gezeigt, wie sehr man unseren Einsatz wertschätzt. Sie haben auch gezeigt - hier habe ich eine andere Perzeption als Sie, Herr Kollege Mützenich -, dass man gerade jetzt nicht verunsichert ist, sondern dass man eine klare Ansage bekommen hat. Ich glaube, das war auf der Reise ebenso der Fall. Wir müssen aufpassen, dass wir durch Debatten wie diese nicht zur Verunsicherung beitragen. Das wäre ein Fehler. Wenn dadurch letztlich Verunsicherung geschaffen würde, wäre damit gar nichts gewonnen.

Ich halte es für richtig, dass - auch um trotzdem das Signal eines erfolgreichen Prozesses zu zeigen - die Obergrenze von 1.200 auf 800 abgesenkt wird. Damit kann man deutlich machen, dass an der einen oder anderen Stelle gerade der Grundauftrag erfolgreich erfüllt wurde. Ich werbe deshalb auch bei Ihnen um die Mandatierung des Kräftedispositivs, das wir jetzt vorstellen, bis zum 30. Juni 2010.

Die Grundlage ist dem Waffenschmuggel noch nicht entzogen, und das Verhältnis zwischen Israel und Libanon - das wurde richtigerweise angesprochen - ist natürlich noch verbesserungsfähig. Wir würden uns einer Illusion hingeben, wenn wir uns über alle Maßen freuten, wie die Dinge jetzt sind.

Es gibt in diesem Sinne noch keinen Grund, das Engagement apodiktisch zur Disposition zu stellen, sondern es ist weiterhin auch in der Kontinuität zu sehen. Ich selbst bin gespannt, wie die Betrachtung der Vereinten Nationen, die im Frühjahr vorgelegt wird, ausfällt.

Ich darf Sie aber jetzt um ein klares Votum in dieser Sache bitten. Unsere Soldatinnen und Soldaten, aber auch alle zivilen Helferinnen und Helfer, die daran beteiligt sind, haben ein solches Votum verdient.


*


Quelle:
Bulletin Nr. 119-4 vom 26.11.2009
Rede des Bundesministers der Verteidigung, Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg,
zur Fortsetzung der Beteiligung der Bundeswehr an der
United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL)
vor dem Deutschen Bundestag am 26. November 2009 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. November 2009