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SICHERHEIT/034: Risikomanagement - Teil 2 (german-foreign-policy.com)


Informationen zur Deutschen Außenpolitik - 25.02.2009
(german-foreign-policy.com)

Risikomanagement (II)


BERLIN/DÜSSELDORF - Mit Millionensummen für "zivile Sicherheitsforschung" subventioniert Berlin die deutsche Rüstungsindustrie. Gefördert werden explizit militärische Projekte - unter anderem die Entwicklung technischer Systeme zum Aufspüren von "Sprengfallen". In den Genuss der verdeckten Staatsfinanzierung kommen Waffenschmieden wie Diehl, Siemens und EADS. Die Beihilfen für den deutsch-französischen EADS-Konzern werden durch Kooperationsvereinbarungen zwischen Berlin und Paris flankiert; eine enge bilaterale Zusammenarbeit auf dem Repressionssektor besteht auch mit dem Staat Israel. Deutsche Polizeidienststellen sind als "Endnutzer" direkt in die Entwicklung der neuartigen Überwachungs- und Repressionstechnologien eingebunden. Die Koordination der staatlichen Forschungsförderung übernimmt der industrienahe Verein Deutscher Ingenieure (VDI).

Sprengfallen untersuchen

Im Rahmen seines Förderprogramms "Forschung für die zivile Sicherheit" hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) den deutschen Rüstungskonzernen Diehl, Siemens und EADS bisher mehr als fünf Millionen Euro an Staatsbeihilfen zugesagt. Diehl erhält einen Teil der Subventionen für die Entwicklung von "Detektionssysteme(n) für chemische, biologische, radiologische, nukleare und explosive Gefahrstoffe"; das Unternehmen ist unter anderem an dem Projekt "IRLDEX" beteiligt, das sich mit dem Infrarot-Laser gestützten Aufspüren von Explosivstoffen befasst. "Angestrebter Einsatzzweck" ist laut BMBF die "Untersuchung" von "Sprengfallen" (Förderkennzeichen 13N9545) [1] - eine Maßnahme, die sich in erster Linie gegen die Guerillakriegführung von Aufständischen in den Operationsgebieten des deutschen Militärs richtet.

Repression verdichten

Die größten Anteile an staatlicher Förderung erhält Siemens; die vom BMBF zugesagte Summe beläuft sich bisher auf mehr als 3,2 Millionen Euro. Der Konzern ist an mehreren Projekten aus dem Bereich "Schutz von Verkehrsinfrastrukturen" beteiligt; so entwickelt Siemens ein "umfassendes Sicherheitssystemkonzept" für Großflughäfen, das je nach "Bedrohungseinstufung" aufeinander abgestimmte Überwachungs- und Repressionsmaßnahmen umfasst. Erklärtes Ziel ist der Aufbau einer "Sicherheitsarchitektur" nach dem "Zwiebelschalenprinzip"; sie soll eine "Verdichtung" der Überwachung und Repression von "außen" ("Flughafenumfeld") nach "innen" ("Flughafenkernbereich") und die "Früherkennung von Gefahren" ermöglichen.[2]

Personenströme erfassen

Des weiteren befasst sich Siemens mit dem "Schutz kritischer Brücken und Tunnel", deren Beschädigung oder Zerstörung, wie es heißt, "erhebliche volkswirtschaftliche Kosten" verursachen würde. Um "Gewaltdelikten" und "terroristischen Anschlägen" gegen den Bahn- und Flugverkehr vorzubeugen, soll außerdem eine "umfassende Systemlösung" geschaffen werden, deren "umsichtiges Sicherheitsmanagement" auch das "Erfassen von Personenströmen" vorsieht.[3]

Krisenreaktion optimieren

Der deutsch-französische Rüstungskonzern EADS schließlich erhält staatliche Zuschüsse in Höhe von knapp 1,3 Millionen Euro allein für seine Beteiligung an dem Forschungsprojekt "SiVe". Dieses beinhaltet die Entwicklung eines Simulationssystems zum "umfassende(n) Risikomanagement" für Flughäfen. Das System ermöglicht es laut Projektbeschreibung, "Bedrohungsszenarien" aller Art mit dem Ziel durchzuspielen und zu analysieren, "eine Reaktion im Krisenfall zu optimieren und entsprechende Handlungsvorschriften abzuleiten".[4]

Handelsrisiken minimieren

Die Subventionierung von EADS wird von einer unlängst zwischen Berlin und Paris geschlossenen Vereinbarung flankiert. Sie gilt der Zusammenarbeit im Bereich der "zivilen Sicherheitsforschung". Das Abkommen sieht gemeinsame Forschungsprojekte und Ausschreibungen auf all jenen Gebieten vor, die laut BMBF "sowohl für Deutschland als auch für Frankreich von strategischer Bedeutung sind". Insbesondere geht es darum, "Risiken beim Transport von Waren, wie die Einschleusung von Explosivstoffen, Waffen oder auch Plagiaten zu minimieren". Die Vereinbarung knüpft dabei an bereits bestehende Kooperationen an, die französische Wissenschaftseinrichtungen mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und den staatlichen Fraunhofer-Instituten unterhalten.[5]

Akzeptanz sichern

Eine enge Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Entwicklung von Überwachungs- und Repressionstechnologien besteht auch zwischen der Bundesrepublik und Israel. Hierbei geht es um die "Früherkennung chemischer, biologischer, nuklearer, radiologischer und explosiver Gefahrstoffe" nebst einer verbesserten Ausrüstung der staatlichen Repressionskräfte. Ein weiterer Schwerpunkt der deutsch-israelischen Kooperation ist der Umgang mit dem "Versagen kritischer Infrastrukturen", deren Funktionsfähigkeit in "Krisenlagen" sichergestellt werden soll. Der Schutz der jeweiligen Zivilbevölkerung ist dabei offenbar zweitrangig; vom BMBF gefordert wird die Durchführung von Forschungsprojekten, die "gemeinsame Wettbewerbsvorteile auf internationalen Hochtechnologiemärkten" bringen. Das Ministerium verlangt außerdem die "Einbeziehung gesellschaftlicher Ziele und Wirkungen" in die Entwicklung neuartiger Überwachungs- und Repressionstechnologien - mit dem Ziel, deren "Akzeptanz" bei der Bevölkerung sicherzustellen.[6]

Schneller Transfer

Allen vom BMBF derzeit vergebenen und ausgeschriebenen Forschungsaufträgen ist gemeinsam, dass sie nicht nur die Entwicklung von Überwachungs- und Repressionstechnologien sozialwissenschaftlich flankieren, sondern auch die "Endnutzer" einbeziehen sollen. Entstehen wird auf diese Weise eine "Innovationskette", die von den beteiligten Wissenschaftseinrichtungen über die Industrie bis hin zu Polizei- und Zolldienststellen oder dem Technischen Hilfswerk (THW) reicht.[7] Eine weitere Gemeinsamkeit besteht darin, dass die gesamte Koordination der staatlichen Subventionspolitik in den Händen einer Abteilung des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) liegt: Das "VDI Technologiezentrum" im nordrhein-westfälischen Düsseldorf sieht seine Aufgabe nach eigener Aussage darin, für einen "schnellen Transfer neuer Schlüsseltechnologien von der Wissenschaft in die betriebliche Praxis" zu sorgen.[8]

Bitte lesen Sie auch Risikomanagement (I)*.


Anmerkungen:

[1], [2], [3], [4] Angaben und Berechnungen nach: Forschung für die zivile Sicherheit - bewilligte Projekte; vditz.de und foerderportal.bund.de

[5] Deutschland und Frankreich stärken Sicherheits-Forschung; Pressemitteilung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung 30.01.2009

[6] Bekanntmachung zur Kooperation in der zivilen Sicherheitsforschung zwischen Deutschland und Israel im Rahmen des Programms "Forschung für die zivile Sicherheit" der Bundesregierung vom 30.Oktober 2008; www.bmbf.de

[7] Siehe hierzu die Ausschreibungen zur "Förderung in der Sicherheitsforschung"; www.bmbf.de

[8] VDI im Überblick; www.vdi.de


* Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Teil 1 des Beitrags finden Sie im Schattenblick unter:
www.schattenblick.de -> Infopool -> Politik -> Fakten ->
SICHERHEIT/033: Risikomanagement - Teil 1 (german-foreign-policy.com)


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Quelle:
www.german-foreign-policy.com
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2009