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SICHERHEIT/098: Staatengemeinschaft berät über Abkommen zur Kontrolle des Waffenhandels (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. Juli 2012

Rüstung: Staatengemeinschaft berät über Abkommen zur Kontrolle des Waffenhandels

von Isabelle de Grave


Waffenhandel ist laut 'Amnesty International' weniger reglementiert als Bananenhandel - Bild: © Coralie Tripler/IPS

Waffenhandel ist laut 'Amnesty International' weniger reglementiert als Bananenhandel
Bild: © Coralie Tripler/IPS

New York, 4. Juli (IPS) - Vertreter von mehr als 190 Regierungen beraten seit dem 2. Juli am Sitz der Vereinten Nationen in New York über eine stärkere Überwachung des weltweiten Waffenhandels. Die abschließende Gesprächsrunde, der sechsjährige Verhandlungen vorausgingen, soll Ende des Monats mit der Verabschiedung eines rechtlich bindenden Abkommens zur Kontrolle von Waffengeschäften enden.

China, Frankreich, Russland, die USA und Großbritannien sind für 88 Prozent der globalen Waffenverkäufe verantwortlich. 2010 erreichten allein die Verkäufe von kleinen Waffen und Munition einen Umfang von 411 Milliarden US-Dollar.

Zurzeit gibt es auf internationaler Ebene keine juristisch verbindlichen Standards für die Kontrolle des Waffenhandels. Geltende Bestimmungen bieten zahlreiche Schlupflöcher. Etwa die Hälfte aller Staaten hat noch nicht einmal Gesetze, die die Exporte kleiner Waffen grundlegend regeln.

"Ohne ein Abkommen zum Waffenhandel profitieren skrupellose Zwischenhändler und Produzenten von den Ländern, in denen die laschesten Bestimmungen gelten. Der Staat mit den schwächsten Gesetzen setzt den Maßstab für alle", sagte Natalie Goldring vom 'Security Studies Programme' an der Georgetown University in New York.

Unzureichende Gesetze haben beispielsweise dem russischen Offizier Viktor Bout, der in den USA auf ein Gerichtsverfahren wartet, freie Bahn gelassen. Bout, der auch der 'Todeshändler' genannt wird, hat nach Berichten der Vereinten Nationen in Afrika, dem Nahen Osten sowie in Zentral- und Südasien Geschäfte mit Warlords und anderen Personen gemacht, die gegen die Menschenrechte verstoßen haben.

Im globalen Vergleich haben die USA mit ihren Kontrollen von Waffenexporten einen goldenen Maßstab gesetzt. Andrew Shapiro, der als Assistenzsekretär im US-Außenministerium verantwortlich für politisch-militärische Angelegenheiten ist, sagte Mitte Juni auf einer Pressekonferenz, dass seine Abteilung dafür Sorge trage, dass die Militärhilfe "vollständig im Einklang mit der US-Außenpolitik steht". "Wir stimmen Verkäufen nur dann zu, nachdem wir die jeweilige Menschenrechtslage, die regionale Sicherheitslage und Grundsätze der Nichtverbreitung von Waffen geprüft haben."

Der Nachrichtendienst 'iwatch News' des unabhängigen 'Centre for Public Integrity' hat jedoch mehrere Fälle dokumentiert, in denen Länder größere Waffenlieferungen aus den USA empfangen haben, obwohl es innerhalb ihrer Grenzen Menschenrechtsprobleme gab. Zu diesem Kreis zählen unter anderem die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar, Israel, Dschibuti, Honduras, Saudi-Arabien, Kuwait und Bahrain.


USA lieferten Waffen auch nach Algerien und Ägypten

Laut einem Bericht des Außenministeriums über die Militärhilfe der USA erhielten Algerien und Ägypten Feuerwaffen, gepanzerte Fahrzeuge sowie chemische Substanzen wie Tränengas, die bei Unruhen eingesetzt werden. Beide Staaten gingen im Zuge des Arabischen Frühlings bekanntermaßen mit Gewalt gegen Demokratiebewegungen vor.

Scott Stedjan von der Nichtregierungsorganisation 'Oxfam America' ist dennoch davon überzeugt, dass die USA nicht an der Spitze derjenigen Staaten stehen, die durch Waffenlieferungen Menschenrechtsverletzungen Vorschub leisten. "Die USA haben strenge Kriterien, die sie bei allen Exporten beachten."

Die so genannte Koalition für Waffenkontrolle, der außer Oxfam die 'Arms Control Association' und 'Amnesty International' angehören, hat Befürchtungen geäußert, dass die USA diesen Ansatz bei den Gesprächen über einen internationalen Vertrag einbringen werden. Das Bündnis hat unterdessen Kriterien für ein Abkommen zur Waffenkontrolle aufgestellt, denen zufolge keine Waffen geliefert werden sollen, sobald ein substanzielles Risiko besteht, dass sie für Verstöße gegen internationale Menschenrechtsbestimmungen verwendet werden.

Amnesty stellte am 27. Juni bei einer Kundgebung auf dem New Yorker Times Square ein sogenanntes 'Bananafesto' vor, um darauf aufmerksam zu machen, dass der Waffenhandel weniger Beschränkungen unterliegt als der Handel mit Bananen. Aus Protest legten sich Aktivisten zu Beginn der Gespräche in Leichensäcken vor den UN-Sitz.


Auch Hollywood-Stars engagieren sich für stärkere Waffenkontrollen

Auch Prominente wie die Schauspieler Keira Knightley und Kevin Spacey sowie der britische Kriegsfotograf Paul Conroy zeigten ihre Solidarität, indem sie in einem Schreiben an UN-Generalsekretär Ban Ki-moon ein streng geregeltes Abkommen forderten.

Gleichwohl bleibt es bei den Verhandlungen eine Herausforderung, die substanziellen Risiken zu erfassen, die Waffen im Zusammenhang mit Menschenrechtsverstößen darstellen können. Nach Ansicht von Brian Wood, der bei Amnesty International für das Thema Waffenkontrolle zuständig ist, darf Ländern, in denen es vereinzelt Verbrechen mit Schusswaffen gebe, nicht die Lieferung von Waffen vorenthalten werden.

Ein wichtiger Punkt ist auch die Sicherheit der Waffenarsenale. In Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo oder nach Afghanistan, wo der Staat teils zusammengebrochen sei, würden die Arsenale nicht ausreichend überwacht, sagte Wood. Deshalb könne man davon ausgehen, dass dorthin verkaufte Waffen in die Hände von Extremisten wie den radikal-islamischen Taliban gelangen könnten.

Natalie Goldring warnte außerdem davor, dass ein schwach formuliertes internationales Abkommen bereits existierende Instrumente wie das Kleinwaffenaktionsprogramm der Vereinten Nationen zu unterminieren drohe. Ein streng gefasster Vertrag könne dagegen eindeutige Kriterien zur Unterbindung von Waffenlieferungen aufstellen. Ein solches Abkommen müsse sich auf alle konventionellen Waffen, Munitionen sowie Waffenteile beziehen. (Ende/IPS/ck/jt/2012)


Links:

http://www.iwatchnews.org/2012/06/22/9174/us-points-finger-and-arms- exports-human-rights-abusers
http://www.pmddtc.state.gov/reports/655_intro.html
http://www.poa-iss.org/poa/poahtml.aspx
http://www.ipsnews.net/2012/07/governments-challenged-to-rein-in-arms- flow/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juli 2012