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SICHERHEIT/173: Konventionelle Waffen befeuern trotz Handelskontrollabkommen laufende Konflikte (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. September 2015

Rüstung: Konventionelle Waffen befeuern trotz Handelskontrollabkommen laufende Konflikte

Von Thalif Deen



Bild: © Jared Ferrie/IPS

Sudanesische SPLM-N-Rebellen reinigen Waffen, die sie nach eigenen Angaben den Regierungstruppen abgenommen haben
Bild: © Jared Ferrie/IPS

NEW YORK (IPS) - Ende letzten Jahres ist das globale Abkommen zur Kontrolle des Waffenhandels ('Arms Trade Treaty' - ATT) in Kraft getreten. Doch legal und illegal im Umlauf befindliche Waffen schüren auch weiterhin die Konflikte in nahöstlichen und afrikanischen Ländern wie Libyen, Somalia, Syrien, dem Irak, Jemen, Sudan und Südsudan.

Das verbindliche internationale Regelwerk zur Regulierung des Handels mit konventionellen Waffen soll auch den illegalen Waffenhandel unterbinden. Eine erste Konferenz der Vertragsstaaten (CSP1) Ende August im mexikanischen Cancún hat das ATT erstmals einen Glaubwürdigkeitstest unterzogen.

Wie Ray Acheson von 'Reaching Critical Will', einem Projekt der Frauen- und Friedensorganisation 'Women's International League for Peace and Freedom' (WILPF) gegenüber IPS erklärte, wurde es auf der CSP1 unterlassen, robuste und umfassende Standards zur Überprüfung der Wirksamkeit des ATT zu erarbeiten. Dieses Defizit müsse dringend auf der CSP2 im kommenden Jahr in Genf korrigiert werden.

Acheson forderte insbesondere ein transparentes Verfahren zur Erstellung der Überprüfungsstandards durch die Arbeitsgruppe, das die Partizipation der Zivilgesellschaft möglich mache. "Die CSP1 ist vorbei, doch die Umsetzung des Abkommens steht erst noch bevor."

Weiter betonte sie, dass der Waffenhandel weitergehe, "obwohl die Exportländer genau wissen, dass die Waffen mit Tod, Verletzungen, Vergewaltigungen, Vertreibungen und anderen Formen der Gewalt gegen Menschen einhergehen".

Natalie J. Goldring, Mitarbeiterin des Programms für Sicherheitsstudien der 'Edmund A. Walsh School of Foreign Service' an der Universität Georgetown, erklärte gegenüber IPS, dass auf der CSP1 administrative Fragen hinsichtlich der Umsetzung des ATT geklärt werden konnten. Allerdings stehe dem ATT die wahre Bewährungsprobe noch bevor.


Ein erster Schritt getan

Die Konferenz habe sich zwar auf die grundlegenden Strukturen für das neue Sekretariat zur Einhaltung des Waffenhandelsabkommens geeinigt. Damit sei ein erster wichtiger Schritt getan, so Goldring, die wie Acheson an der Cancúner Konferenz teilgenommen hatte. Doch um das Abkommen umsetzen zu können, müsse auf nationaler, regionaler und globaler Ebene gehandelt werden.

Messlatte für das Engagement der Länder, das ATT zum Erfolg zu führen, werde der Umfang der Bereitschaft der reichen Staaten sein, den finanziell unterversorgten Ländern unter die Arme zu greifen, sagte die Expertin, die das 'Acronym Institute' bei den Vereinten Nationen in Fragen zu den Themen konventionelle Waffen und Rüstungstransfer vertritt.

Einige der großen Rüstungslieferantenländer haben das Abkommen nicht unterzeichnet oder wie die USA, die Ukraine und Israel unterzeichnet aber nicht ratifiziert. Bisher haben 130 Staaten das Abkommen unterzeichnet, 72 haben es auch ratifiziert.

China und Russland hatten sich während der Abstimmung in der UN-Vollversammlung ihrer Stimme enthalten und das Abkommen nicht unterzeichnet. Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien, ebenso größere Waffenexporteure, haben das APP sowohl unterzeichnet als auch ratifiziert.

Der von der WILPF veröffentlichte ATT-Monitor beruft sich auf einen UN-Bericht, demzufolge der Südsudan im letzten Jahr fast 30 Millionen US-Dollar für Maschinengewehre, Raketenwerfer und andere Waffen aus China ausgegeben hat. Ferner orderte das Land gepanzerte Fahrzeuge aus Russland sowie Gewehre und Kampfhubschrauber aus Israel.

Der Bürgerkrieg im Südsudan ist die Folge eines Machtkampfes zwischen Präsident Salva Kiir und dessen ehemaligem Vize Riek Machar. Dem ATT-Monitor zufolge wird dieser Konflikt mit den Waffen vieler Rüstungsexporteure am Laufen gehalten.

China hatte in Cancún erklärt, dass es sich bei seinen Rüstungslieferungen an drei Prinzipien halte: So müssten die ausgelieferten Rüstungsgüter der Selbstverteidigung dienen, keine Gefahr für die Sicherheit darstellen und keine Einmischung in die inneren Angelegenheit der Empfängerländer bedeuten.

Acheson zufolge soll und muss das ATT als Instrument eingesetzt werden, um den für Tod und Zerstörung verantwortlichen Waffenhandel aufzuspüren, zu stigmatisieren und zu verhindern. Zum Ende der Konferenz in Mexiko hätten die Vertragsstaaten in allen Tagungsordnungspunkten - Sitz und Leitung des Sekretariats, Verwaltungsausschuss, Budgetierung, Berichterstattungsstandards, Arbeitsprogramm für die Zeit zwischen den Sitzungsperioden und CSP2-Büro - eine Entscheidung getroffen. So wurde Genf als Sitz des ständigen ATT-Sekretariats und Dumisani Dladla als Sekretariatschef ausgewählt.


Standards im Sinne von mehr Transparenz unzulänglich

Acheson zufolge sind diese Entscheidungen infrastruktureller und verfahrenstechnischer Natur dennoch für die Umsetzung des Abkommens wichtig. Bei der Transparenz hingegen hätten die Vertragsstaaten versagt. Zudem hätten sie die Berichterstattungsstandards, die im letzten Jahr entwickelt worden waren, nicht angenommen, was jedoch mit Erleichterung aufgenommen werde.

Staaten, die sich im Zusammenhang mit dem ATT für größere Transparenz einsetzen, und die meisten zivilgesellschaftlichen Organisationen halten die vorliegenden Standards für inadäquat und viel zu sehr den unzulänglichen Berichterstattungspraktiken des UN-Registers für konventionelle Waffen angepasst.

"Wir dürfen das ATT nicht als isoliertes Instrument, sondern müssen es vielmehr als Teil eines größeren Ganzen im Sinne der Konfliktprävention und -lösung sowie der Friedensarbeit betrachten. Es kann uns helfen, Gräueln vorzubeugen, die Menschenrechte und die menschliche Würde zu schützen, das Leiden zu verringern und Leben zu retten. Doch damit es seine Wirkung entfalten kann, muss es von den Vertragsstaaten mit diesen Zielen vor Augen umgesetzt werden."

Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zufolge sind diese mit der Entwicklung solider Berichterstattungsverfahren zum ATT nicht weit gekommen. So gibt es bisher lediglich provisorische Standards, wodurch sich die Annahme der Vorlagen auf die zweite Vertragsstaatenkonferenz verschiebt.

Goldring zufolge sind genaue Angaben über den legalen und illegalen Handel mit Rüstungsgütern extrem wichtig. Die Berichte über die transferierten Waffen müssten umfassend und öffentlich zugänglich sein, und die Angaben der Länder müssten über einen langen Zeitraum hinweg untersucht und miteinander verglichen werden. "Die derzeit vorliegenden Standards würden den Lakmustest nicht bestehen", ist sie überzeugt und betonte die Notwendigkeit, die führenden Waffenlieferanten- und -empfängerstaaten dazu zu bewegen, dem Abkommen endlich beizutreten.


Inklusion der Zivilgesellschaft

Erfreulich sei, dass die NGOs an den formellen Plenarsitzungen und den informellen Treffen der Arbeitsgruppe teilnehmen dürfen.

Die ATT-Verfahrensregeln sehen grundsätzlich Konsensentscheidungen vor, in Fällen, in denen ein Konsens unmöglich erscheint, sind jedoch Ausnahmen vorgesehen. Das ist nach Ansicht der Abrüstungsexpertin eine positive Entwicklung. Sie werde es kleinen Ländergruppen schwerer machen, Prozesse zu blockieren. "Doch letztendlich wird der Erfolg des ATT davon abhängen, ob es die menschlichen Kosten bewaffneter Gewalt verringern kann. Das lässt sich nach dem derzeitigen Stand noch nicht beurteilen." (Ende/IPS/kb/02.09.2015)


Link:
http://www.ipsnews.net/2015/09/despite-treaty-conventional-arms-fuel-ongoing-conflicts/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 2. September 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. September 2015

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