Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → FAKTEN


SICHERHEIT/174: Abrüstung - Atomteststoppabkommen in weiter Ferne (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. September 2015

Abrüstung: Atomteststoppabkommen in weiter Ferne

von Thalif Deen


NEW YORK (IPS) - Der Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBT), auch Atomteststoppabkommen genannt, wurde bereits 1996 angenommen. Dass er nicht in Kraft ist, hat vor allem einen Grund: Acht Schlüsselländer haben die Übereinkunft erst gar nicht unterzeichnet oder aber nicht ratifiziert.

In der zweiten Septemberwoche nahmen die Vereinten Nationen den Internationalen Tag gegen Atomtests am 29. August rückwirkend zum Anlass, um die drei Nicht-Unterzeichnerstaaten Indien, Nordkorea und Pakistan sowie die Nicht-Ratifizierer USA, China, Ägypten, den Iran und Israel aufzufordern, den 19-jährigen Rückstand aufzuholen, damit die Menschheit ihrem Ziel einer atomwaffenfreien Welt endlich ein Stück näher kommt.

Viele Länder, die im Besitz von Kernwaffen sind, halten sich zwar an ein Atomtest-Moratorium. "Doch Moratorien sind kein Ersatz für ein gültiges CTBT", warnte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon. Die von Nordkorea in jüngerer Zeit durchgeführten drei Atomtests seien dafür der schlagende Beweis. Inzwischen kursieren Berichte, dass Nordkorea sein Atomprogramm wieder hochgefahren hat.

John Hallam vom 'Human Survival Project' (HSP), einem Gemeinschaftsprojekt der Abrüstungsorganisation 'People for Nuclear Disarmament' (PND) und dem Zentrum für Friedens- und Konfliktforschung an der Universität von Sydney in Australien, hält ein Inkrafttreten des CTBT in naher Zukunft für unwahrscheinlich.

Er wies darauf hin, dass die Republikaner in den USA, die die nächsten Wahlen für sich entscheiden dürften, klar zu verstehen gegeben hätten, dass sie das Abkommen auf keinen Fall ratifizieren würden. Indien und Pakistan machten noch nicht einmal Anstalten, es wenigstens zu unterzeichnen. Und dann gebe es jene Länder wie China, die erst ratifizieren wollten, wenn die USA mit gutem Beispiel vorangingen.


Spuren der Verwüstung

Wie Ban während der hochkarätigen Podiumsdiskussion in der zweiten Septemberwoche erklärte, genießt das Inkrafttreten des Atomteststoppabkommens für ihn selbst höchste Priorität. Er berichtete von einer Reise nach Semipalatinsk in Kasachstan, wo in der Vergangenheit 456 Atomversuche - darunter die größten der Weltgeschichte - durchgeführt wurden. "Ich habe mich dort mit Opfern der Atomversuche getroffen. Ich konnte mir ein Bild von den bleibenden gesellschaftlichen, ökologischen und wirtschaftlichen Schäden machen, die die Tests verursacht haben."

Seit dem ersten Atomversuch in Neu-Mexiko vor mehr als 70 Jahren habe die Menschheit mehr als 2.000 Atomtests ertragen müssen, erläuterte Ban. Diese Tests hätten unberührte Gebiete zerstört und der betroffenen Lokalbevölkerung immenses Leid zugefügt. Es sei zu Dauerschäden wie der Verseuchung von Grundwasserreserven, Krebserkrankungen, Geburtsdefekten und radioaktiven Niederschlägen gekommen. "Der beste Weg, um den Opfern vergangener Tests Ehre zu erweisen, ist, diese Atomversuche zu verhindern."

Wie Hallam betonte, haben allein die USA mehr als 1.100 Atomtests im US-Bundesstaat Nevada, in Alaska sowie auf den Marshall-Inseln und anderen Teilen des Pazifiks sowie im All gezündet. Die in Nevada durchgeführten Versuche und die dadurch erfolgten radioaktiven Niederschläge vergifteten Mensch und Natur und brachten unzähligen Menschen den Tod.

Als der bisher größte Atomtest gilt der 'Castle Bravo'-Test über dem Bikini-Atoll, der eine Sprengkraft von 15 Megatonnen aufwies. Die radioaktiven Niederschläge verstrahlten die Crew des 60 Kilometer entfernten japanischen Fischerbootes 'Glücklicher Drache' und verseuchten darüber hinaus die Marshall-Inseln.

Der bisher größte Test wurde Anfang der 1960er Jahre von den Sowjets in Nowaja Semlja, einer Insel jenseits des Polarkreises, durchgeführt. Die größte Wasserstoffbombe aller Zeiten sollte als 'Zar-Bombe' in die Geschichte eingehen. Mit einer Sprengkraft von 60 Megatonnen vaporisierte sie die heiligen Jagdgründe der ethnischen Nenzen, schickte radioaktive Niederschläge um die Welt und verursachte Schockwellen, die über Stunden zu spüren waren.

Hallam zufolge führten die Sowjets um die 800 Atomtests durch, viele von ihnen auf dem Testgelände von Semipalatinsk. Die Briten wiederum wählten Maralinga und das Emu-Feld in Australien als Versuchsareale. Frankreich wiederum testete Atombomben in Algerien und im Pazifik, China in Sinkiang, Indien in Pokhran im Bundesstaat Rajasthan und Pakistan in Belutschistan. Auch die von Nordkorea, Frankreich, China und Großbritannien durchgeführten Atomtests verursachten Krankheiten und kosteten Anrainern und Beteiligten das Leben.


Nukleares Wettrüsten durch Atomtests

Atomtests treiben das atomare Wettrüsten an und befeuern die atomare Weiterverbreitung. "Mit jeden neuen Test, egal von welchem Land durchgeführt, rückt die Welt dem Abgrund immer näher, der ihr hoffentlich erspart bleibt", sagte Hallam. Die beste Methode, die nukleare Weiterverbreitung zu stoppen, sei das Inkrafttreten des Atomteststoppabkommens.

Der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew hat ein internationales Projekt namens ATOM, Akronym für 'Abolish Testing. Our Mission', gestartet. Mit der weltweiten E-Mail-Abrüstungskampagne will er den Druck auf die Staats- und Regierungschefs erhöhen, damit sie Atomtests ein für alle Mal ächten. (Ende/IPS/kb/18.09.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/09/nuke-test-ban-treaty-still-in-limbo-u-n-complains/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 18. September 2015
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. September 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang