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SICHERHEIT/183: Friedensgutachten 2017 - Wie lässt sich Gewalt bändigen, wenn die kooperative Weltordnung zerfällt? (idw)


Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung - 30.05.2017

Friedensgutachten 2017: Wie lässt sich Gewalt bändigen, wenn die kooperative Weltordnung zerfällt?


Berlin. Im "Friedensgutachten 2017", das am 30. Mai in Berlin vorgestellt wird, fordern die fünf führenden deutschen Friedens- und Konfliktforschungsinstitute mehr humanitäre Hilfe und eine internationale Debatte über Schutzzonen. Deutsche Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien aber auch in die Türkei verurteilen die Herausgeber angesichts der Konflikte in der Region scharf. Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) solle zu einer EU-Krisenpräventionsagenda ausgebaut werden.

Das Friedensgutachten schlägt unter anderem vor:

• Solange es keine politische Lösung für die Kriege in Syrien und im Jemen gibt, sind humanitäre Hilfsmaßnahmen von zentraler Bedeutung. Die Verhinderung von Massakern, Massenmord und Massensterben durch die Kriegsfolgen (mangelnde Wasserversorgung, Hunger, zusammengebrochenes Gesundheitswesen) muss dabei Vorrang haben. Wir brauchen eine internationale Debatte über Schutzzonen: Wann und wie können sie im Konsens vereinbart werden? Wie und durch wen können sie geschützt werden? Wie reagieren, wenn der UNO-Sicherheitsrat sich nicht einig ist?

• Der Bürgerkrieg im Jemen wird in Europa häufig übersehen, doch bewirkt er eine große humanitäre Katastrophe. Das Königreich Saudi-Arabien spielt dabei mit seinem Luftkrieg eine verschärfende Rolle. Entgegen der neuen Politik der USA, sich bedingungslos hinter Saudi-Arabien zu stellen, sollte die Bundesrepublik ein politisches Signal senden und jeden Rüstungsexport dorthin verweigern.

• Die Äußerungen von US-Präsident Donald Trump, die europäischen NATO-Staaten sollten massiv aufrüsten und insbesondere Deutschland "schulde" der NATO "riesige Summen", sind inhaltlich nicht begründet. Deutschland sollte davon Abstand nehmen, seinen Verteidigungshaushalt auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu steigern. Mehr Militärausgaben bedeuten nicht mehr Sicherheit.

• Die EU gibt nicht zu wenig Geld für Militär aus, sondern sie gibt es falsch aus. Wir fordern, dass die EU die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) zu einer Krisenpräventionsagenda ausbaut. Sie sollte neue Abrüstungsinitiativen ergreifen, erhebliche Mittel für den Aufbau von Mediationskapazitäten und Stabilisierung mobilisieren sowie UN-Friedensmissionen engagierter als bisher kollektiv unterstützen.

• Die nach 1989 erkennbare Bereitschaft zur internationalen Zusammenarbeit wird derzeit von neuer geopolitischer Mächtekonkurrenz verdrängt. Die Aufrüstung der USA, Russlands und Chinas birgt ein gefährliches Eskalationspotenzial. Gegen diesen Rückfall sind neue Leitbilder notwendig, die gegensätzliche politische Systeme in Rechnung stellen, aber zugleich militärische Konfrontationen ausschließen. Die EU steht gleichzeitig vor der Aufgabe, neue Initiativen der Rüstungskontrolle zu ergreifen, die auch Cyberfähigkeiten sowie High-Tech-Waffensysteme wie unbemannte Flugkörper, die Raketenabwehr und zielgenaue Präzisionswaffen umfassen sollten.

www.friedensgutachten.de


Das Friedensgutachten, gefördert von der Deutschen Stiftung Friedensforschung (DSF), wird im Auftrag der fünf deutschen Friedensforschungsinstitute 2017 herausgegeben von Bruno Schoch (Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, HSFK), Andreas Heinemann-Grüder (BICC, Bonn International Center for Conversion), Corinna Hauswedell (Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft, FEST), Jochen Hippler (Institut für Entwicklung und Frieden, INEF) und Margret Johannsen (Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg, IFSH). Neben einer einleitenden Stellungnahme der Herausgeber enthält es rund zwanzig Einzelanalysen zu aktuellen Konflikten sowie konkrete Empfehlungen für die Friedens- und Sicherheitspolitik in Deutschland und Europa. Es erscheint im LIT Verlag (12.90 EUR, ISBN 978-3-643-13758-6).

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution404

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung,
Barbara Dörrscheidt, 30.05.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juni 2017

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