Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - 23.02.2017
Heinz Maier-Leibnitz-Preise 2017: DFG und BMBF zeichnen vier Forscherinnen und sechs Forscher aus
Verleihung am 3. Mai in Berlin / Wichtigster Preis in Deutschland für wissenschaftlichen Nachwuchs wird 40 Jahre alt
Vier Wissenschaftlerinnen und sechs Wissenschaftler erhalten in diesem Jahr den Heinz Maier-Leibnitz-Preis und damit die wichtigste Auszeichnung für den wissenschaftlichen Nachwuchs in Deutschland. Das hat ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eingesetzter Auswahlausschuss jetzt in Bonn beschlossen. Die Preisträgerinnen und Preisträger erhalten die mit je 20 000 Euro dotierte Auszeichnung am 3. Mai in Berlin. Im Anschluss daran wird das 40-jährige Jubiläum des Heinz Maier-Leibnitz-Preises gefeiert.
Seit 1977 wird der Heinz Maier-Leibnitz-Preis jährlich an hervorragende junge Forscherinnen und Forscher verliehen: als Anerkennung und zugleich als Ansporn, ihre wissenschaftliche Laufbahn geradlinig fortzusetzen. Benannt ist er seit 1980 nach dem Atomphysiker und früheren DFG-Präsidenten Heinz Maier-Leibnitz, in dessen Amtszeit (1973-1979) er erstmals vergeben wurde. Der Heinz Maier-Leibnitz-Preis gilt nicht nur als der wichtigste Preis für den Forschernachwuchs in Deutschland. In einer Umfrage der Zeitschrift "bild der wissenschaft" wählten die großen Forschungsorganisationen den Heinz Maier-Leibnitz-Preis zum drittwichtigsten Wissenschaftspreis in Deutschland überhaupt - nach dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der DFG und dem Deutschen Zukunftspreis des Bundespräsidenten.
Für die diesjährige Preisrunde waren insgesamt 154 Forscherinnen und Forscher aus allen Fachgebieten vorgeschlagen worden, von denen 14 in die engere Wahl kamen. "Wir haben uns über die besonders zahlreichen Vorschläge im Jubiläumsjahr des Preises sehr gefreut", sagte die Vorsitzende des Auswahlausschusses, die Mathematikerin und DFG-Vizepräsidentin Prof. Dr. Marlis Hochbruck: "Die zehn Preisträgerinnen und Preisträger zeigen in hervorragender Weise, wie gut es um die wissenschaftliche Qualität und Qualifikation vieler junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Deutschland bestellt ist."
Andreas Geiger (34), Intelligente Systeme, Max-Planck-Institut für
Intelligente Systeme, Tübingen
In seiner Forschung beschäftigt sich Andreas Geiger mit dem weiten Feld
der "Computer Vision", auf dem er sich bereits internationales Renommee
erworben hat. Hierbei kombiniert er Maschinelles Sehen und Robotik. Vor
allem geht es Geiger darum, die Grundlagen autonomer intelligenter
Systeme, speziell im Bereich des autonomen Fahrens, zu verstehen. Seine
Arbeit hat damit hohe gesellschaftliche, aber auch wirtschaftliche
Relevanz. Zahlreiche von Geiger entwickelte Algorithmen werden inzwischen
von Forschergruppen und Unternehmen in der ganzen Welt verwendet. Seit
2016 leitet Geiger, dessen wissenschaftliche Beiträge bereits mehrfach
ausgezeichnet wurden, die unabhängige Max-Planck-Forschergruppe "Autonomes
Maschinelles Sehen". Im selben Jahr erhielt er eine Vertretungsprofessur
an der ETH Zürich an einem der weltweit bekanntesten und größten Labs für
Computer Vision überhaupt.
Christian Groß (36), Quantenoptik, Max-Planck-Institut für
Quantenoptik, Garching
Als Postdoktorand war Christian Groß an der bahnbrechenden Entwicklung von
Mikroskopen beteiligt, mit deren Hilfe einzelne Atome in optischen Gittern
beobachtet werden können. Damit schaffte er es, unterschiedlichste
Quantensysteme experimentell zu modellieren und Fragestellungen im
Grenzbereich zwischen statistischer Physik und Quantenmechanik zu klären.
Groß erzielte wichtige Ergebnisse zu Phasenübergängen, magnetischen
Korrelationen und zu Nichtgleichgewichtssystemen. Ein weiterer
Arbeitsschwerpunkt ist die Physik von Rydberg-Superatomen, mit denen Groß
beispielsweise neuartige Quantenkristalle erzeugt. 2015 erhielt Groß für
sein Projekt "Rydberg-dressed Quantum Many-Body Systems" den ERC Starting
Grant, um mit seinem Team Forschungen voranzutreiben, die den Weg zum
Design von Quantenmagneten ebnen könnten.
Mandy Hütter (33), Psychologie, Universität Tübingen
Wie beeinflussen unsere Einstellungen unser Wahlverhalten oder unser
moralisches Urteilsvermögen? Und wann schlagen persönliche Erfahrungen in
Vorurteile um? Auf Fragen wie diese sucht Mandy Hütter Antworten. Dabei
zeigt sie auf, dass nicht alle Einstellungen Folge von bewussten
Lernprozessen sind und moralische Urteile auch von "situativen
Hinweisreizen" abhängen. Ihre Ergebnisse publizierte Hütter in
international angesehenen Fachzeitschriften. Im klinischen Bereich sind
sie nicht zuletzt für Interventionsansätze bei Phobien hilfreich, schaffen
aber auch neue Einsichten im Bereich sozialer Vorurteile oder beim Blick
auf demokratische Prozesse und die "Weisheit der Vielen". Hütter, die ihre
Arbeiten immer wieder auch einer breiten Öffentlichkeit präsentiert, ist
Juniorprofessorin und Leiterin des Arbeitsbereichs "Sozial- und
Wirtschaftspsychologie" an der Universität Tübingen. Außerdem leitet sie
eine Emmy Noether-Nachwuchsgruppe.
Philipp Kanske (37), Psychologie und Neurowissenschaft,
Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, Leipzig
Nicht nur Menschen mit verschiedenen psychischen Störungen haben Probleme,
mit ihren Emotionen umzugehen und sie durch eine veränderte Bewertung zu
regulieren: Gleiches gilt für gesunde Menschen, die ein erhöhtes Risiko
aufweisen, solche Störungen auszubilden. Dies ist eine Erkenntnis der
Arbeit des Psychologen Philipp Kanske, der sich mit dem Einfluss von
Emotionen auf unser Denken und Erleben befasst. Dabei kombiniert er
Grundlagenforschung mit klinischer Untersuchung, was eine originelle Sicht
auf die Thematik auf verschiedenen psychischen Ebenen möglich macht. Mit
seinen rund 50 Publikationen wirkte Kanske bereits stark auf die
klinisch-psychologische Neurowissenschaft. 2015 wurde er in die Junge
Akademie an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und
der Leopoldina - Nationale Akademie der Wissenschaften berufen. Am
Max-Planck-Institut in Leipzig leitet er die Forschergruppe
"Psychopathologie des sozialen Gehirns".
Christoph Kirchlechner (34), Materialwissenschaft,
Max-Planck-Institut für Eisenforschung, Düsseldorf
Seit 2013 leitet Kirchlechner die Arbeitsgruppe "Nano-/Mikromechanik von
Materialien" am Max-Planck-Institut für Eisenforschung in Düsseldorf, wo
er mit seinem Team die Verformung und das Versagen von Materialien in
mesoskopischen Dimensionen untersucht. Die dabei angewandte Kombination
aus mikromechanischen Experimenten und neuartigen Methoden zur
Charakterisierung von Strukturen - darunter die sogenannte
mikro-Laue-Beugung - sind einzigartig. Eine von Kirchlechner mitentwickelte
Messmethode macht es möglich, den Einfluss atomarer Defekte auf
spezifische Materialeigenschaften zu untersuchen. Sie bietet damit
Antworten auf zentrale Fragen der Materialwissenschaft und
Werkstofftechnik, namentlich zu den Mechanismen der Feinkornhärtung oder
der Bildung von Versetzungsstrukturen im Zuge von Ermüdungsprozessen. Im
Bereich mikromechanischer Experimente an Synchrotons gilt Kirchlechner
bereits als international anerkannter Experte.
Olivier Namur (33), Mineralogie, Universität Hannover
Schon während seines Studiums in Belgien wurde Olivier Namur mehrfach
ausgezeichnet; inzwischen publiziert er über sein Spezialgebiet - die
Untersuchung vulkanischer Systeme und magmatischer Prozesse der Erde, des
Mondes und des Merkur - mit herausragendem Impact in internationalen
Organen. Dabei entwickelte Namur nicht nur thermodynamische Modelle etwa
zur Kristallisation von Magmen, sondern auch zu deren physikalischen
Eigenschaften. Zudem führten seine Forschungen zu neuen experimentellen
Hochdruck-Hochtemperatur-Methoden. Ein weiterer Fokus von Namurs Forschung
liegt auf der Untersuchung und Modellierung der Texturen von Mineralien im
Magmagestein, die Informationen über den Transport von Stoffen und die
zeitlichen Abläufe in der tiefen Erdkruste enthalten. Hierzu gehören in
den letzten Jahren auch "crystal mushes", Magmen mit sehr hohem
Kristallanteil, die bei Eruptionen als Fragmente an die Oberfläche
gelangen und Aufschlüsse über den Aufbau der unteren Erdkruste geben
könnten.
Ute Scholl (33), Nephrologie, Universitätsklinikum Düsseldorf
Ute Scholls Gebiet ist die Forschung zu Hypertonie, vor allem zu deren
(Prä-)Disposition bei genetischen Defekten an Ionenkanälen und
Ionentransportern. Nach ihrer Promotion zu CIC-K-Chloridkanälen, aus der
mehrere hoch beachtete Publikationen hervorgingen, beschrieb sie in ihrer
Postdoc-Phase als Erste ein neues Syndrom und dessen genetische Grundlage,
welches mit Epilepsie, Innenohrschwerhörigkeit, Ataxie und renalem
Salzverlust einhergeht. Scholls Forschungen trugen maßgeblich dazu bei,
jene hormonellen Degenerationsvorgänge zu verstehen, die zu sekundärer
Hypertonie mit Folgen wie kardialer Durchblutungsstörung oder Schlaganfall
führen. Seit 2014 ist Scholl Juniorprofessorin für Experimentelle
Nephrologie und Hypertensiologie an der Universität Düsseldorf, 2016 war
sie stellvertretende Sprecherin des Jungen Kollegs der
Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste. Ihre
Arbeit wurde mehrfach ausgezeichnet, so mit dem Walter-Clawiter-Preis und
dem Ingrid zu Solms-Wissenschaftspreis.
Michael Seewald (29), Katholische Theologie, Universität
München
Mit seiner Dissertationsschrift "Verisimilitudo. Die epistemologischen
Voraussetzungen der Gotteslehre Abaelards" und seiner Habilitationsschrift
"Theologie aus anthropologischer Ansicht. Der Entwurf Franz Oberthürs
(1745-1831)" etablierte sich Michael Seewald innerhalb weniger Jahre als
Experte für Dogmatik und Ökumenische Theologie. Erstere erhielt den
Kardinal Wetter Preis der Katholischen Akademie in Bayern, letztere den
Karl-Rahner-Preis der Universität Innsbruck. Vor allem mit seiner
Habilitationsschrift legte Seewald eine grundlegende Arbeit zur Rezeption
der europäischen Aufklärung im Umfeld der katholischen Dogmatik vor, die
anhand einer einzelnen Person nicht zuletzt auch das generelle Verhältnis
der katholischen Kirche zur Moderne neu ausleuchtet. Damit wird eine
entscheidende Lücke der Forschung geschlossen. Seit Januar 2016 lehrt
Seewald als Privatdozent für Dogmatik und Ökumenische Theologie an der LMU
München.
Marion Silies (36), Neurowissenschaft, Universität Göttingen
Bereits als Postdoc an der Stanford University beschäftigte sich Marion
Silies mit dem Bewegungssehen der Drosophila. Seit 2014 leitet sie die
Emmy Noether-Nachwuchsgruppe "Die zelluläre und molekulare Grundlage des
Bewegungssehens" an der Universität Göttingen. Darin untersucht sie die
noch ungeklärte Frage, wie neuronale Netzwerke kritische Rechenoperationen
ausführen und wie sensorische Systeme diese Berechnungen nutzen, um
Informationen aus der Umgebung zu ex-trahieren und Verhalten zu steuern.
Dazu verwendet Silies unter anderem einen von ihr etablierten und
inzwischen von zahlreichen Laboren weltweit genutzten genetischen
"Werkzeugkasten", um die neuronale Funktion in spezifischen Zellen zu
manipulieren und dadurch die neuronalen Netzwerke des Bewegungssehens zu
identifizieren. Für ihre Arbeit wurde Silies mehrfach ausgezeichnet. 2016
erhielt sie den ERC Starting Grant für ihr Projekt "MicroCyFly".
Evi Zemanek (40), Vergleichende Literaturwissenschaft & Neuere
Deutsche Literatur, Universität Freiburg
Die Forschungsfelder der Komparatistin Evi Zemanek reichen von der Antike
bis zur Gegenwart. Im Bereich der Kulturökologie und des "Ecocriticism",
der literarische Texte im Kontext ökologischer Aspekte untersucht, gilt
sie im Umfeld der deutschsprachigen Literaturwissenschaft als
Wegbereiterin. Bereits 2012 warb sie das DFG-Nachwuchsnetzwerk "Ethik und
Ästhetik literarischer Repräsentationen von ökologischen Transformationen"
ein, in dessen Namen sie sechs wegweisende Konferenzen organisierte. Seit
ihrer Dissertation "Das Gesicht im Gedicht" (2010) ist zudem die
Intermedialitätsforschung, insbesondere die Beziehung der Literatur zu
Malerei, Fotografie und Architektur, ein weiterer Schwerpunkt ihrer
wissenschaftlichen Arbeit. Zemanek ist Juniorprofessorin für Neuere
Deutsche Literatur und Intermedialität an der Universität Freiburg. Im
Wintersemester 2016/2017 vertritt sie eine W3-Professur am dortigen
Institut für Medienwissenschaft.
Die Verleihung der Heinz Maier-Leibnitz-Preise 2017 mit
anschließender Festveranstaltung findet am 3. Mai, 18 Uhr, in der
Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Markgrafenstraße 38, 10117
Berlin, statt.
Ausführliche Informationen zum Preis und den bisherigen Preisträgerinnen
und Preisträgern finden sich unter:
www.dfg.de/maier-leibnitz-preis
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution306
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), Dr. Thomas Köster, 23.02.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Februar 2017
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