Leibniz-Gemeinschaft - Pressemitteilung vom 5. April 2017
Schließung der "Central European University" bedroht deutsch-ungarische Wissenschaftsbeziehungen
Offener Brief des Leibniz-Präsidenten an Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán
Matthias Kleiner appelliert, das umstrittene Hochschulgesetz zu überprüfen. Die Central European University ist eine der wichtigsten Kontaktstellen für wissenschaftliche Initiativen in und mit Ungarn. Mit ihrer Schließung würde ein wesentlicher Baustein der ungarisch-deutschen Wissenschaftskooperation verloren gehen, so der Leibniz-Präsident.
Das ungarische Parlament hat gestern die umstrittene Novelle des Hochschulgesetzes beschlossen. Sie sieht vor, dass ausländische Universitäten, deren Trägerinstitutionen außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums angesiedelt sind, nur dann einen Lehrbetrieb in Ungarn unterhalten und Diplome vergeben dürfen, wenn das Herkunftsland der Universität und das Zielland darüber einen Staatsvertrag abschließen. Darüber hinaus muss die betreffende Institution auch in ihrem Herkunftsland einen Hochschulbetrieb unterhalten. Letzteres gilt für die "Central European University" (CEU), die 1991 von dem Milliardär und Philanthropen George Soros gegründet wurde und ihren Herkunftsort in New York hat, nicht. Das Gesetz zielt somit deutlich auf die Schließung der CEU ab. Tritt es in Kraft, darf die Universität ab Januar 2018 keine neuen Studierenden mehr aufnehmen. Gegenwärtig zählt die CEU rund 1.400 Studierende aus rund 100 Ländern.
Eine Schließung der CEU wäre sowohl akademisch als auch wissenschaftspolitisch ein herber Verlust - nicht nur für die ungarische, sondern für die gesamte europäische Forschungslandschaft. Sie bedeutete darüber hinaus einen wesentlichen Einbruch für die deutsch-ungarischen Wissenschaftskontakte gerade in den Geistes- und Sozialwissenschaften.
Leibniz-Präsident Matthias Kleiner gibt in einem offenen Brief an Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán seiner Sorge um die deutsch-ungarischen Wissenschaftsbeziehungen Ausdruck: "Auf Grund ihrer hohen Reputation ist die Central European University eine der wichtigsten Kontaktstellen für wissenschaftliche Initiativen in und mit Ungarn. Die vorgeschlagene Gesetzesänderung stellt jedoch den Fortbestand dieser renommierten Einrichtung in Frage, und es droht, ein wesentlicher Baustein der ungarisch-deutschen Wissenschaftskooperation verlorenzugehen", so Matthias Kleiner.
Er appelliert an Ministerpräsident Orbán: "Daher ersuche ich Sie dringend, den Gesetzesvorschlag noch einmal auf seine Auswirkungen auf die zukünftige Stellung der ungarischen Wissenschaft im europäischen Kontext zu überprüfen - auch mit dem Ziel, bleibenden Schaden von einem erheblichen Teil der Wissenschaftsbeziehungen zwischen Ungarn und Deutschland, die der Leibniz-Gemeinschaft und mir sehr am Herzen liegen, abzuwenden und alle Voraussetzungen für den Erhalt und den Ausbau der produktiven Kooperation zwischen beiden Wissenschaftslandschaften zu bewahren."
Die Leibniz-Gemeinschaft unterhält enge Kooperationen mit der Central European University: Insbesondere das Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung in Regensburg, das Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung - Institut der Leibniz-Gemeinschaft in Marburg, das Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa in Leipzig oder das Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam arbeiten in einer Vielzahl von Projekten mit der CEU zusammen. Mit der Schließung der Universität, die auch als englischsprachiges Verbindungsglied fungiert, verlören sie einen entscheidenden Partner nicht nur in Ungarn, sondern in der gesamten Region.
Die Leibniz-Gemeinschaft
Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 91 selbständige Forschungseinrichtungen.
Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften
über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den
Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich,
ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und
anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden
Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche
Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die
Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit
den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik,
Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen
enge Kooperationen mit den Hochschulen - u. a. in Form der
Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und
Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen
Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern
Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die
Leibniz-Institute beschäftigen rund 18.600 Personen, darunter 9.500
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute
liegt bei mehr als 1,7 Milliarden Euro.
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Quelle:
Pressemitteilung 06/2017 vom 5. April 2017
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. April 2017
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