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INTERNATIONAL/016: Kolumbien - Mikrokreditvergabe boomt, Straßenhändler sind die größte Klientel (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. August 2011

Kolumbien: Mikrokreditvergabe boomt - Straßenhändler sind die größte Klientel

Von Helda Martínez

Viele Straßenhändler nutzen Mikrokredite - Bild: © Helda Martínez/IPS

Viele Straßenhändler nutzen Mikrokredite
Bild: © Helda Martínez/IPS

Bogotá, 26. August (IPS) - Kleinstunternehmen sind in Kolumbien wichtige Arbeitgeber. Etwa die Hälfte aller Beschäftigten in dem südamerikanischen Land steht bei den rund 1,2 Millionen Mini-Firmen in Lohn und Brot. Einer neuen Untersuchung zufolge wären viele Existenzgründungen ohne Mikrokredite undenkbar gewesen.

Immerhin machen die Mini-Unternehmen mehr als 90 Prozent aller Firmen in Kolumbien aus. 3,6 Prozent sind mittlere und lediglich 0,4 Prozent große Unternehmen, wie aus dem Bericht des Kolumbianischen Statistikamts GEE hervorgeht.

Das aktive Kapital von Kleinstunternehmen mit höchstens zehn Mitarbeitern darf umgerechnet 147.000 US-Dollar nicht übersteigen. Die Schuldenobergrenze liegt bei maximal 120 Mindestgehältern, die sich zurzeit auf 37.000 Dollar summieren.

Wer sich in kleinem Rahmen selbstständig machen will, hat meist keinen Zugang zu den üblichen Darlehen. Die Banken würden Personen mit geringem Eigenkapital kein Geld leihen, weil ihnen das Risiko zu hoch sei, erläuterte der Direktor des Kreditfonds für Entwicklung, Jorge Varón. Diesem Fonds gehört die unabhängige Stiftung 'Kolumbianer helfen Kolumbianern' (CAC) an, die 2001 mit Unterstützung der US-Entwicklungsbehörde USAID gegründet worden ist.

"USAID hilft uns seit 2005 bei der Durchführung sozialer Projekte", berichtete Varón. Dank dieser Unterstützung habe die Stiftung ein Jahr zuvor bereits ein Programm zur Mikrofinanzierung in Gang setzen können. "Heute sind wir autonom."


Kredite für die Ärmsten

In Kolumbien sind nach offiziellen Angaben 46 Prozent der insgesamt 46 Millionen Einwohner von Armut betroffen. Seit 2007 wurden in dem Land die Mittel zur raschen Vergabe von Mikrokrediten aufgestockt. Bis 2010 hat sich laut GEE das verfügbare Kreditvolumen jährlich um 15 Prozent erhöht.

Mikrokredite werden seit 26 Jahren von der Stiftung 'Welt der Frau' (FMM) vergeben. Auch Männer hätten auf diesem Weg Darlehen erhalten, erklärte Jhasnedy Niño, die die Niederlassung der Stiftung in dem Armenviertel '20 de Julio' der Hauptstadt Bogotá leitet.

Wie Varón erklärte, verleiht der Fonds Geld an Menschen unterschiedlicher Altersgruppen und Bildungsschichten. Fast 70 Prozent der Kreditnehmer sind weiblich. Für weibliche Haushaltsvorstände besteht die Möglichkeit, Notkredite in Anspruch zu nehmen. Dabei handelt es sich um kleinere Beträge zwischen 28 und 286 Dollar, die innerhalb von einem bis fünf Monaten zurückgezahlt werden müssen.

Viele Straßenverkäuferinnen konnten sich mit solchen Krediten eine eigene Existenz aufbauen. Sie können ihr Darlehen nur in kleinen Raten tilgen. "Ich kann höchstens 40 Dollar monatlich für die Rückzahlung aufbringen", sagte die Händlerin Marta Linares.

Laut Varón vergibt der Fonds Darlehen von 28 bis 14.300 Dollar zu einer Zinsrate von 2,1 Prozent. Notkredite müssten binnen eines Monats und andere Darlehen über einen Zeitraum von drei bis 36 Monaten zurückgezahlt werden.

Nach den bisherigen Erfahrungen haben bis jetzt vor allem Kleidungs- und Schuhverkäufer, Schneider, Bäcker, Eisverkäufer, Taxifahrer oder Fast-Food-Anbieter von den Mikrokrediten profitiert. "In sechs Jahren haben wir an fast 9.000 Menschen Geld verliehen", sagte Varón. Zurzeit seien 2.100 Kredite offen, die zu 90 Prozent von Angehörigen der untersten sozialen Schichten in Anspruch genommen würden.


Projekte für die Landbevölkerung

Zuerst wurden Mikrokredite in kleineren Städten und ländlichen Regionen vergeben. So hat CAC ihren Sitz nicht in Bogotá, sondern in Ibagué, der Hauptstadt des Departements Tolima im Nordwesten des Landes. Die Kredite hätten bereits eine positive Wirkung gezeigt, auch wenn landwirtschaftliche Aktivitäten bisher nicht unterstützt worden seien, sagte Varón.

Auch FMM begann mit ihrer Arbeit im Landesinnern. Der Hauptsitz befindet sich nach wie vor in Popayán, der Hauptstadt des südwestlichen Departements Cauca. Wie Niño erklärte, unterhält die Stiftung seit sechs Jahren ein Büro in Bogotá, das zurzeit 6.500 Kreditnehmer betreut. (Ende/IPS/ck/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. August 2011