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INTERNATIONAL/018: NGOs hoffen auf Transaktionssteuer zur Klima- und Entwicklungsfinanzierung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. Oktober 2011

Finanzen: NGOs hoffen auf Transaktionssteuer zur Klima- und Entwicklungsfinanzierung

von A. D. McKenzie


Paris, 17. Oktober (IPS) - Auf Druck der Zivilgesellschaft und einzelnen Industriestaaten hat die Gruppe der 20 (G20) Industrie- und Schwellenländer ihre Bereitschaft signalisiert, den Finanzsektor zu reformieren und innovative Wege der Klima- und Entwicklungsfinanzierung einzuschlagen.

"Wir sind entschlossener denn je, den Finanzsektor zu reformieren, um den Bedürfnissen unserer Volkswirtschaften gerecht zu werden", hieß es zum Abschluss eines zweitägigen Treffens der G20-Finanzminister und Notenbankgouverneure am 15. Oktober in Paris. "Die exzessive Volatilität und die ungeordneten Wechselkursbewegungen wirken sich nachteilig auf die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität aus." Man werde sich um ein Mehr an Wachstum und Arbeitsplätze und größere soziale Inklusivität bemühen.

Auf dem Treffen im Vorfeld des G20-Gipfels im südfranzösischen Cannes im kommenden Monat traten Spannungen zwischen einzelnen Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit der Frage zutage, wie die globale Wirtschaftskrise bewältigt werden soll. Einige Vorschläge stießen bei Nichtregierungsorganisationen (NGOs) auf Zustimmung. So würdigte die Entwicklungsorganisation ONE eine vom französischen Finanzminister François Baroin bekannt gegebene Übereinkunft, mit deren Hilfe die Märkte und insbesondere der Rohstoffsektor reguliert werden sollen.

"Spekulationsgeschäfte auf den Rohstoffmärkten sind ein Grund für die Preisschwankungen und somit für die wiederholten Ernährungskrisen, wie sie Entwicklungsländer erleben", sagte Guillaume Grosso, Direktor des französischen ONE-Büros. Es gelte Wege zu finden, um diese Spekulationsgeschäfte auszuhebeln. "Wir brauchen effektive Maßnahmen gegen die Nahrungsmittelpreisschwankungen und ein langfristiges landwirtschaftliches Wachstum in den Entwicklungsländern."

Grosso brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, dass die Staats- und Regierungschefs der Industrie- und Schwellenländer auf ihrem November-Treffen in Cannes kurz vor dem Ende der französischen G20-Präsidentschaft dem Abkommen grundsätzlich zustimmen werden, damit konkrete und rasche Maßnahmen ergriffen werden können.


Hunger vom Menschen gemacht

Grosso führt die Hungerkatastrophe in Ostafrika auf die Untätigkeit der internationalen Gemeinschaft zurück. "Was derzeit am Horn von Afrika geschieht, ist inakzeptabel", erklärte der Entwicklungsexperte. "Dürre ist ein Naturereignis, doch Hunger ist von Menschen gemacht", sagte er und forderte die G20 auf, dem UN-Ruf nach Nahrungsmittelhilfe zu entsprechen und sich darüber hinaus auf Investitionen in nachhaltige Agrarprogramme zu einigen, die Ernährungssicherheit ermöglichten und Hungerkrisen entgegenwirkten.

ONE und andere NGOs lobten Frankreich und Südafrika für ihre gemeinsame Initiative zugunsten einer innovativen Entwicklungsfinanzierung im Kampf gegen den Klimawandel. Viele zivilgesellschaftliche Gruppen setzen sich für neue Methoden der Entwicklungsfinanzierung einschließlich einer Finanztransaktionssteuer (FTT) ein.

In einem zum Ende der Pariser Konferenz durchgesickerten Papier unterstrichen Frankreich und Südafrika, dass die G20 das Problem des Klimawandels angehen und den Entwicklungsländern die nötigen Mittel zur Verfügung stellen müsse, damit diese auf den Klimawandel reagieren können.

Ein starkes und positives Signal von Seiten der G20 mit Blick auf die Finanzierung der Maßnahmen gegen den Klimawandel würde von den Entwicklungsländern als solide Garantie für die Einhaltung aller finanziellen Verpflichtungen verstanden werden, heißt es in dem Papier, das sich auch der Frage widmet, wie mit den CO2-Emissionen der Luft- und Seefahrt zu verfahren ist.


Hoffnung auf "Koalition von Pionierstaaten"

"Die gemeinsame Erklärung Frankreichs und Südafrikas ist eine gute Nachricht", meinte Elise Buckle, die für die Politik der G20 zuständige Kampagnenleiterin der Umweltorganisation WWF International. "Sie zeigt, dass einige Finanzminister den Klimawandel ernst nehmen und anerkennen, dass innovative Finanzierungsquellen dazu beitragen können, der derzeitigen Krise zu begegnen, die auch eine soziale und ökologische Krise ist." Buckle zufolge hofft die Umweltbewegung darauf, dass sich eine Reihe weiterer Staaten zu einer "Koalition von Pionierstaaten" zusammenfinden wird.

Die französische Regierung hat wiederholt erklärt, dass sie für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer ist. Und im Juni fasste das französische Parlament einen Beschluss zugunsten einer solchen FTT. Regierungsvertreter hoffen nun, dass dieser Vorstoß von allen G20-Ländern in Cannes unterstützt wird.

"Eine innovative Finanzierung verleiht der Politik Sinn und Glaubwürdigkeit", hatte Frankreichs Umweltministerin Nathalie Kosciusko-Morizet gegenüber IPS im September erklärt. "Wir wissen alle, dass wir in Nord und Süd Geld brauchen, um in diesen Zeiten des Wandels vorwärts zu kommen. Nicht zu wissen, wie man die Mittel im Kontext fehlender Haushaltsgelder aufbringen soll, schafft ein Glaubwürdigkeitsproblem."

Würde die Steuer eingeführt, ließen sich allein in den Ländern der europäischen Union 40 Milliarden Euro zusätzlicher Mittel generieren, schätzt der Internationale Währungsfonds (IWF), der wie Weltbank, Europäische Kommission und zahlreiche internationale Wirtschaftsexperten für die FTT ist. Machten alle G20-Staaten mit, wären es stolze 260 Milliarden Euro.

"Schwere Krisen, mit denen sich die globale Wirtschaft und die Umwelt konfrontiert sehen, bedürfen neuer und innovativer Lösungen", sagte Buckle. "Die Lösungen stehen bereit, doch es fehlt an Führungskraft. Die G20-Staaten haben die Gelegenheit, einen Wandel herbeizuführen, indem sie einer Finanztransaktionssteuer zustimmen und das Flug- und Schiffsbenzin besteuern."

Dem WWF zufolge würde eine FTT den Finanzsektor übersichtlicher machen und das notwendige Einkommen generieren, das zur Finanzierung nationaler und internationaler Herausforderungen wie Klimawandel, Artenschutz, Sozialstaat und Armutsbekämpfung wichtig ist. NGOs haben nun Mexiko aufgerufen, das im kommenden Jahr die G20-Präsidentschaft übernimmt, die Klimafinanzierung auf der Agenda zu halten. (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Oktober 2011