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INTERNATIONAL/064: BRICS-Bank enttäuscht internationale Reformaktivisten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. Juli 2014

Finanzen: BRICS-Bank enttäuscht internationale Reformaktivisten

von Mario Osava


Bild: © Mario Osava/IPS

Chandrasekhar Chalapurath, Wirtschaftswissenschaftler an der Jawaharlal-Nehru-Universität in Neu-Delhi, berichtet auf dem BRICS-Forum der Zivilgesellschaft in Fortaleza über die Aktivitäten der Entwicklungsbanken in seinem Land
Bild: © Mario Osava/IPS

Fortaleza, Brasilien, 18. Juli (IPS) - Experten aus den fünf BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika haben die neuen Finanzinstitutionen des Länderblocks als unzulänglich bezeichnet. Die Chance für tiefgreifende Reformen sei ungenutzt verstrichen, hieß es auf einer Parallelveranstaltung der Zivilgesellschaft zum Gipfeltreffen der fünf Schwellenländer in der nordostbrasilianischen Stadt Fortaleza.

Zwar begrüßten die Teilnehmer des Treffens den Übergang vom "US-Unilateralismus zum Multilateralismus", doch sei die erforderliche grundlegende Reform ausgeblieben, erklärte Graciela Rodriguez vom Brasilianischen Netzwerk für die Integration der Völker (REBRIP) auf der Veranstaltung vom 16. bis 17. Juli. "Das Format der NDB ist nicht das, was wir brauchen."

Die neue Bank, die ihren Sitz in Shanghai haben und mit einem Kapital in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar an den Start gehen wird, soll die Infrastrukturmaßnahmen und nachhaltige Entwicklung der BRICS und anderer Länder des globalen Südens finanzieren. Für den neuen Währungsfonds CRA, der als Sicherheitsnetz für Mitgliedsländer gedacht ist, die in Schwierigkeiten geraten, ist eine Einlage von 100 Milliarden Dollar vorgesehen.


"System, das der Mehrheit dient"

"Wir wollen ein internationales System, das der Mehrheit dient, nicht nur den sieben mächtigsten Ländern der Welt (G7-Staaten). Es darf nicht vom Dollar abhängen und sollte über ein internationales Schiedsgericht verfügen, dass finanzielle Streitigkeiten beilegt", meint Oscar Ugarteche, Wirtschaftswissenschaftler an der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko. "Es ist inakzeptabel, dass ein Bezirksrichter in New York über das Schicksal von Ländern bestimmt", erklärte der Experte in Anspielung auf ein jüngeres US-Urteil zugunsten von Hedgefonds, durch das Argentinien an den Rand der Staatspleite geraten könnte.

"Wir brauchen für das Finanzsystem ähnliche Regeln wie sie für das Handelssystem existieren", meinte Ugarteche. "Und die Dominanz des Dollars als Wechselkurswährung, die Staaten und Menschen großen Schaden zufügt, muss beendet werden." Dass die existierenden internationalen Institutionen nicht funktionierten, werde durch deren Unfähigkeit ersichtlich, die Auswirkungen der Weltfinanzkrise von 2008 zu überwinden. Und obwohl USA und Japan nicht zu deckende Schulden und Haushaltsdefizite vorwiesen, würden sie anders als andere Länder vom Internationalen Währungsfonds (IWF) geschont.

Auf dem von REBRIP und der Heinrich-Böll-Stiftung organisierten Forum forderten die Teilnehmer, bei künftigen NDP-Projekten die Zivilgesellschaft einzubeziehen, Transparenz und die Einhaltung von Umweltstandards zu gewährleisten und Rücksprache mit den betroffenen Bevölkerungsgruppen zu halten.

Der brasilianische Staatssekretär für internationale Beziehungen im brasilianischen Außenministerium, Carlos Cosendey, zeigte sich zuversichtlich, dass die Forderungen der Zivilgesellschaft in den kommenden Jahren, in denen die BRICS-Bank Gestalt annehmen wird, berücksichtigt werden könnten, dass aber die politischen, kulturellen, rechtlichen und ethnischen Unterschiede zwischen den fünf BRICS-Ländern ein Hindernis darstellen könnten, sich auf gemeinsame Kriterien festzulegen.

Wie Nondumiso Nsibande von der Nichtregierungsorganisation ActionAid-Südafrika erklärte, ist es wichtig, dass die Menschenrechte als Finanzierungskriterien der neuen Bank eine Rolle spielen müssten. "Wir brauchen Straßen, andere Infrastrukturen und Jobs, Bildung, Gesundheit und Wohnraum", sagte sie. "Doch die großen Projekte tendieren dazu, armen Gemeinschaften dort, wo sie durchgeführt werden, zu schaden."

Nach Ansicht von Chandrasekhar Chalapurath, Wirtschaftswissenschaftler an der Jawaharlal-Nehru-Universität in Neu-Delhi, wird die NDB sicherlich dazu beitragen, die Infrastruktur-, Transport- und Energiedefizite zu beheben. Investitionen in den für viele Inder wichtigen Bereich der sanitären Grundversorgung hält er hingegen für unwahrscheinlich. Dass Indien als erstes BRICS-Mitglied die NBA-Präsidentschaft übernehme, werde dem Land helfen, neue Investitionen anzuziehen. Doch müsse dem Zugang zu Wasser Priorität eingeräumt werden.


Umwelt- und Geschlechtergerechtigkeit angemahnt

Bezugnehmend auf die Äußerung Cosendeys, die NDB werde eine "neue Art der Entwicklung" herbeiführen, erklärte Chalapurath, dass dies nur dann der Fall sein werde, wenn die Kredite der neuen Bank an Bedingungen zugunsten der ökologischen Nachhaltigkeit und der Millenniumsentwicklungs- und Nachhaltigkeitsziele geknüpft würden. Ein demokratischer Prozess innerhalb der Bank werde dem Dialog mit den sozialen Bewegungen und der Gesellschaft im Allgemeinen förderlich sein. Auch sei es wichtig, dass die Bank auf Geschlechtergerechtigkeit bei der Finanzierung von Projekten achte.

Es gelte aber nicht nur Straßen und Häfen zu bauen, sondern es müsse auch in die soziale Infrastruktur wie Wasser- und Gesundheitsversorgung und Bildung investiert werden, betonte die REBRIP-Vertreterin Rodriguez, die die Arbeitsgruppe für internationale Wirtschaftsarchitektur ihrer Organisation koordiniert. Wie sie weiter erklärte, ist es wahrscheinlich, dass sich die Zivilgesellschaft auch gegen NDB-finanzierte Großprojekte mobilisieren müsse.

BRICS habe sich mit der Forderung nach einer größeren Einflussnahme auf das Weltwirtschafts- und Finanzsystem von einer wirtschaftlichen zu einer politischen Instanz entwickelt, so Cui Shoujun, Professor an der Fakultät für internationale Studien der Renmin-Universität in China. Die Allianz sei einer der Eckpfeiler der chinesischen Strategie, mehr Einfluss inklusive im Westen zu gewinnen.

"Die BRICS brauchen China mehr als andersherum", erklärte er gegenüber IPS und fügte hinzu, dass die Wirtschaft seines Landes um das 20-Fache stärker als die Südafrikas und um das Vierfache stärker als die Indiens und Russlands sei. (Ende/IPS/kb/2014)


Links:

http://www.ipsnoticias.net/2014/07/banco-del-brics-frustra-a-activistas-de-reformas-internacionales/
http://www.ipsnews.net/2014/07/international-reform-activists-dissatisfied-by-brics-bank/

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IPS-Tagesdienst vom 18. Juli 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juli 2014