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INTERNATIONAL/072: Investitionen in Infrastrukturprojekte groß geschrieben (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. November 2014

Entwicklung: Investitionen in Infrastrukturprojekte groß geschrieben - Neue Initiativen Fluch oder Segen?

von Carey L. Biron


Washington, 20. November (IPS) - Die in der Gruppe der 20 (G20) zusammengeschlossenen Industrie- und Schwellenländer haben sich auf ein neues Programm verständigt, das private Investitionen von beträchtlicher Höhe zur Finanzierung globaler Infrastrukturprojekte, insbesondere in Entwicklungsländern, bereitstellen soll.

Bei der am 16. November beschlossenen 'Globalen Infrastrukturinitiative' geht es weniger um die Finanzierung neuer Projekte. Vielmehr soll in den Ländern des Südens für ein investorenfreundliches Umfeld gesorgt und Hilfestellung beim Aufbau von Kontakten zwischen Regierungen und potenziellen Geldgebern geleistet werden.

Die Arbeit der Initiative wird von einem Sekretariat in Australien gesteuert werden, wo der jüngste G20-Gipfel stattfand. Die australische Regierung hat zugesichert, Investitionen in die Infrastruktur Priorität einzuräumen. Das Büro mit dem Namen 'Globaler Infrastruktur-Hub' soll die Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor sowie den multilateralen Banken fördern.


Investitionshemmnisse sollen abgebaut werden

"Der mit einem vierjährigen Mandat ausgestattete Hub wird auf internationaler Ebene Länder darin unterstützen, ihr allgemeines Investitionsklima zu verbessern, Investitionsbarrieren abzubauen, Projektplanungen voranzubringen und Investoren bei der Suche nach geeigneten Projekten zu helfen", kündigten der australische Ministerpräsident Tony Abbott und Schatzminister Joe Hockey am 16. November in einer gemeinsamen Erklärung an. Davon verspreche man sich ein besseres Funktionieren des Infrastrukturmarkts.

Schätzungen zufolge könnten in den nächsten 15 Jahren etwa zwei Billionen US-Dollar für Infrastrukturinvestitionen bereitstehen. Die Gelder sollen in neue Stromnetze, Straßen, Brücken, Häfen und andere Großunternehmungen investiert werden.

Die G20 hat sich als führender internationaler Zusammenschluss bei der Förderung der Wirtschaftskooperation positioniert. Die Mitgliedsländer der Gruppe tragen etwa zu 85 Prozent zum globalen Bruttoinlandsprodukt bei.

Im Rahmen ihres weit gefassten Ziels, das globale Wirtschaftswachstum in Gang zu bringen, wird die Globale Infrastrukturinitiative darauf hinarbeiten, große institutionelle Investoren wie Banken und Rentenfonds zu gewinnen, um langfristig das erforderliche Kapital zur Beseitigung der Infrastrukturdefizite aufzubringen. Allein in den Entwicklungsländern könnte sich ein zusätzlicher Bedarf an Investitionen von bis zu einer Billion Dollar jährlich ergeben. Bisher stellen die Regierungen nur etwa die Hälfte bereit.

In den letzten Jahren hat sich der Privatsektor vom Infrastruktursektor in Entwicklungs- und Schwellenländern abgewandt. Allein zwischen 2012 und 2013 sind solche Investitionen nach Angaben der Weltbank um fast 20 Prozent auf etwa 150 Milliarden Dollar zurückgegangen.

Scott Morris von der Washingtoner Denkfabrik 'Center for Global Development' begrüßte die Initiative als hellsichtige Reaktion auf die Tatsache, dass der Infrastruktursektor sowohl in Industrie- als auch in Entwicklungsländern dringend ausgebaut werden müsse. "Aus der Geberperspektive betrachtet zeigt sich nun die Bereitschaft, stärker als bisher auf die Bedürfnisse dieser Staaten einzugehen."

Welche Ergebnisse die Globale Infrastrukturinitiative mit sich bringen werde, sei allerdings ungewiss, meinte Morris. "Die G20 will offenbar den Investitionen in die Infrastruktur Priorität einräumen. Doch lässt sich nur schwerlich erkennen, wo genau diese Prioritäten liegen."

Die Initiative ist das bisher letzte Glied in einer Kette von größeren investitionsrelevanten Programmen, die in jüngster Zeit auf multilateraler Ebene angekündigt wurden. Die Weltbank stellte Anfang Oktober ihre 'Globale Infrastrukturfazilität' vor, die mit einem ähnlichen Mandat wie die Globale Infrastrukturinitiative ausgestattet ist.

Ende des Monats gab die chinesische Regierung die Einrichtung einer Asiatischen Bank für Infrastrukturinvestitionen (AIIB) bekannt, die nach Ansicht von Beobachtern den Ausschlag für die Entscheidung von G20 und Weltbank gaben, den Ausbau der Infrastrukturen weltweit stärker zu fördern. Morris befürchtet jedoch, dass sie Verwirrung stiften könnte.

Der Anstoß zu der neuen Initiative kam offenbar von 'Business 20' (B20), einem Beratungsgremium der G20, das nach eigenen Angaben die Globale Infrastrukturinitiative "vollständig unterstützt". Wie der B20-Vorsitzende Richard Goyder erklärt, schätzt das Gremium, dass "die Vorbereitung und Umsetzung des Projekts den Ausbau der Infrastrukturen bis 2030 in Höhe von etwa 20 Billionen Dollar ermöglichen könnten".


Sorge über soziale und ökologische Folgen

Während sich die Wirtschaft erfreut zu den neuen Investitionsmöglichkeiten geäußert hat, kritisierte die Zivilgesellschaft, dass unklar sei, ob und welche Sozial- und Umweltstandards zur Begrenzung der Projektrisiken vorgesehen seien.

"Privatinvestitionen in die Infrastruktur sind zwar wichtig, um die Infrastrukturfinanzierungslücken zu schließen", meinte Lise Johnson vom Columbia-Zentrum für nachhaltige Entwicklung an der Columbia-Universität. "Ebenso wichtig ist aber, dass die Initiative und der neue Hub Sorge tragen, dass die Projekte umwelt- und sozialverträglich sind."

Besondere multilaterale Sicherheitsstrategien, wie sie die Weltbank vorsieht, kommen bei öffentlich-privaten Partnerschaften grundsätzlich nicht zum Tragen. Auch könnten sich gewisse Auflagen als politisch dornig für die G20 herausstellen, um neue Abkommen zu schmieden, warnte Johnson.

Die G20-Entwicklungsarbeitsgruppe habe in ihrer 2013 durchgeführten Analyse der G20-Infrastrukturinitiative festgestellt, dass es nur bei den ökologischen Garantien zum Stillstand gekommen sei, erklärte Nancy Alexander von der Heinrich-Böll-Stiftung. "Von der G20 erhalte ich immer die Rückmeldung, dass solche Garantien eine Frage der nationalen Souveränität seien."

Die G20 hofft, dass die Billionen-Investitionen im Infrastruktursektor in den kommenden 15 Jahren bis zu zehn Millionen neue Arbeitsplätze schaffen werden. Doch Alexander zufolge könnten sie sich als "Giftpillen" erweisen. "Viele von uns sind alt genug, um sich noch gut daran zu erinnern, wie leichtfertig die Petrodollar der 1970er Jahre ausgegeben wurden - vor allem in den Ausbau der Infrastrukturen. Damals versuchten rücksichtslose Geldverleiher schnelles Geld zu machen, ohne auf die sozialen, ökologischen und finanziellen Folgen wie untilgbare Schulden zu achten", warnte Alexander.

"Nachdem wir feststellen konnten, wie schlecht konzipierte Infrastrukturmaßnahmen zu großer Zerstörung führten, haben sich viele für uns für Transparenz, Sicherheit und Schadensbegrenzung eingesetzt. Doch genau diese Bemühungen werden nun als viel zu zeitaufwendig, teuer und imperialistisch abgetan." (Ende/IPS/ck/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/11/g20-seeks-to-streamline-private-investment-in-infrastructure/

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IPS-Tagesdienst vom 20. November 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. November 2014