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INTERNATIONAL/093: Internationaler Währungsfonds - Kann Konkurrenzdruck den Reformstau brechen? (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2015

Money for Nothing
Krise als Geschäftsmodell

Internationaler Währungsfonds
Kann Konkurrenzdruck den Reformstau brechen?

von Bodo Ellmers


Der Internationale Währungsfonds (IWF) bleibt im Schussfeld der Kritik: Seine anachronistische Governance-Struktur untergräbt seine Legitimität, seine Kredite verlängern Schuldenkrisen statt sie zu verhindern, seine Konditionen richten mehr Schaden an, als dass sie Nutzen stiften. Um die Abhängigkeit vom IWF zu verringern, haben Staatenbünde in fast allen Kontinenten regionale Finanzierungsvereinbarungen getroffen. Werden die regionalen Arrangements den IWF ersetzen? Macht sich der IWF durch seinen Reformstau selbst überflüssig?


Hauptstreitpunkt zwischen Nord und Süd bleibt die Governance-Reform. Im Gegensatz zur UN mit ihrem "ein Land - eine Stimme"-Abstimmungsrecht, hängt das Stimmrecht beim IWF von einer komplexen Quotenberechnung ab, die ganz überwiegend auf der Wirtschaftskraft eines Mitgliedsstaates basiert. Der IWF ist also eine plutokratische "ein Dollar - eine Stimme"-Organisation. Verschlimmert wird die Sache noch dadurch, dass alle wichtigen Entscheidungen eine 85 %-Mehrheit benötigen. Da die USA mehr als 17 % der Stimmrechte halten, verfügen sie als einziges Mitglied über ein de facto-Vetorecht. Der IWF wird daher von Kritikern auch gerne als verlängerter Arm des US-Finanzministeriums bezeichnet. Kollektiv gesehen stehen aber auch die EUMitgliedsstaaten nicht schlecht da. Sie verfügen über mehr als 30 % der Stimmrechte. Fünf Länder halten einen eigenen Exekutivdirektor im IWF und haben auch sonst besondere Privilegien, darunter auch Deutschland.

Regelmäßige Quotenüberprüfungen sollten die Quote an neue weltwirtschaftliche Kräfteverhältnisse anpassen. Bereits die Überprüfung 2010 hat ergeben, dass besonders Schwellenländer wie China und Brasilien massiv an Stimmrechten dazu gewinnen müssen, auf Kosten von USA und EU. Das US-amerikanische Parlament weigert sich seither die Quotenreform zu ratifizieren, was einer Sabotage gleichkommt.


Konditionen: Mehr Schaden als Nutzen?

Dauerkritikpunkt bleiben auch die Konditionen, die der IWF seinen Kreditnehmern auferlegt. Die humanitäre Krise und der Einbruch der griechischen Wirtschaft um 25 % haben nur offen gelegt, was vielen Entwicklungsländern unter IWF-Einfluss zuvor passiert ist. Seit Jahrzehnten steht der IWF in der Kritik, dass er seinen Kreditnehmern ungerechte Strukturanpassungsprogramme aufzwingt, die Armut und Ungleichheit fördern, Bildungs- und Gesundheitssysteme zerstören und Menschenrechte untergraben.

Eine Untersuchung von Eurodad hat jüngst gezeigt, dass im Bereich der Fiskalpolitik weiterhin eine gegen den öffentlichen Sektor gerichtete Tendenz zur Ausgabenkürzung statt zur Einnahmenerhöhung besteht. Wo Steuererhöhungen empfohlen werden, handelt es sich meist um Mehrwertsteuererhöhungen, die regressiv wirken, während Unternehmen und Kapital geschont werden. Privatisierungen sind an der Tagesordnung, ebenso wie die Beschneidung von ArbeitnehmerInnenrechten und die Kürzung von Renten. Die jüngeren IWF-Programme von Afghanistan über die Elfenbeinküste und Jamaica bis Zypern unterscheiden sich in diesem Muster nur unwesentlich. Und während erklärtes Ziel des IWF ist, die Anzahl der Konditionen pro Programm zu verringern, sind sie in den letzten Jahren eher angestiegen.

Die Dominanz der alten Wirtschaftsmächte und der dadurch bedingte Reformstau beim IWF haben zu einem Boom regionaler Institutionen, den Regional Financing Arrangements (RFAs), geführt, die ihren Mitgliedern im Krisenfall mit Notkrediten aushelfen sollen. Aber sind sie eine ernstzunehmende Alternative zum IWF?


Das neue Contingent Reserve Arrangement der BRICS

Das jüngste Kind der fünf BRICSStaaten (eine Vereinigung aufstrebender Volkswirtschaften bestehend aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) ist das Contingent Reserve Arrangement (CRA). Insgesamt stehen 100 Milliarden US-Dollar an Kapital zur Verfügung, primär bereitgestellt von China (41 %), während Brasilien, Russland und Indien jeweils 18 %, und Südafrika 5 % beisteuern. Allerdings sind die BRICS bei der Schaffung einer Alternative auf halbem Wege stecken geblieben: Die Wahl der Währung (der US-Dollar) signalisiert, dass man keinen allzu fundamentalen Bruch mit dem US- und IWF-dominierten Weltwährungssystem gewagt hat. Das CRA hat sogar einen formalen Link zum IWF hergestellt: Sobald ein Land mehr als 30 % seiner Quote leihen will, muss es sich einem IWF-Programm unterwerfen, und damit auch seinen Konditionen. Im Vergleich zur Wirtschaftskraft der BRICS-Staaten ist das Volumen des CRA klein. Im echten Krisenfall wäre wohl eine Kofinanzierung durch den IWF nötig - was durch die Troika-Programme in Europe bereits in Mode gekommen ist.


Europas Stabilitätsmechanismus

Die finanzkräftigste Alternative zum IWF haben die Europäer 2012 im Zuge der Europakrise aufgestellt: Den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Er hat ein Stammkapital von 700 Milliarden Euro. Damit stellt er alle anderen RFAs klar in den Schatten. Tatsächlich stellten die Troika-Programme in Europa ein Novum für den IWF dar: Erstmals hat er als Juniorpartner mit regionalen Institutionen kooperiert. Ähnlich wie beim IWF ist auch der ESM quotenbasiert, das heißt Kapitalbeitrag und Stimmrecht sind von der Wirtschaftskraft abhängig. Das verleiht Deutschland und Frankreich ein de facto Vetorecht über bedeutende Entscheidungen, die 80 %-Mehrheiten benötigen. Zypern und Spanien waren die ersten Testfälle für die Kreditvergabe des ESM, das jüngst verhandelte Griechenland-Paket ist das nächste Einsatzgebiet.

Ob der ESM in Europa zukünftig alleine operiert (wie in Spanien) oder in Kooperation mit dem IWF (wie in Zypern) ist unklar. Seine Finanzkraft würde reichen, um zum Beispiel das neue Griechenland-Paket alleine zu finanzieren. Das könnte auch passieren, da der IWF eine Reduzierung der Altschulden Griechenlands zur Bedingung seiner Beteiligung gemacht hat, die die europäische Seite nicht gewähren will. Ansonsten wünschen bedeutende EU-PolitikerInnen eine IWF-Beteiligung in Europa, allen voran Angela Merkel. Das EU-Parlament hat sich dagegen in seinem "Troika-Papier" des letzten Jahres gegen eine weitere IWF-Präsenz in der EU ausgesprochen.(1) Bezüglich der Kreditkonditionen sind die EU-Institutionen, die hinter dem ESM stehen, nicht humaner oder generöser als der IWF. Austeritätspolitik und sozialpolitischer Kahlschlag in Griechenland sind ein drastisches Beispiel dafür.


Asiens Chiang-Mai Initiative:

Die Chiang-Mai-Initiative-Multilateralization (CMIM) wurde im Jahr 2000 gegründet - als Konsequenz der schlechten Erfahrungen, die asiatische Länder in der Krise von 1997 gemacht haben, als der IWF massive Privatisierungs- und Marktöffnungsprogramme zur Kondition seiner Kreditvergabe machte. Mittlerweile hat sie 13 Mitglieder: Die zehn südostasiatischen ASEAN-Staaten und die Wirtschaftsgroßmächte China, Japan und Südkorea. Das macht sie zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten für den IWF.

Die CMIM funktioniert über multilaterale Devisenswaps, die ein Volumen von 240 Milliarden US-Dollar erreicht haben. Dabei werden zwei Währungen gegeneinander getauscht und zu einem späteren Zeitpunkt wieder zurückgetauscht. Sie macht dem IWF nicht nur bei der Kreditvergabe Konkurrenz, sie beinhaltet auch eine Funktion zur eine Überwachung der Finanzmärkte. Allerdings kann bei CMIM jeder Staat maximal 30 % der Kapitalsumme leihen. Das dürfte bei vielen nicht reichen, um schwerere Krisen zu bekämpfen.


Die Alternativen sind (noch) keine echte Alternative

Alternativen zum IWF gibt es also mittlerweile genug. Allerdings haben die meisten davon noch keinen Praxistest bestehen müssen. Außer dem ESM scheint keine regionale Alternative ein hinlängliches Volumen zu haben, um bei einer schwereren Krise ausreichend hohe Hilfskredite vergeben zu können. Regionale Alternativen haben auch den strukturellen Nachteil, dass eine Krise zumeist mehrere Länder in einer Region gleichzeitig trifft, wie in den 1980er Jahren in Lateinamerika, in den 1990ern in Asien, und jüngst in Europa. Damit sind sie schneller überfordert als ein globales Arrangement wie der IWF.

Ein reformierter IWF, mit einer demokratischen Governance-Struktur sowie entwicklungsfreundlichen und sozial gerechten Konditionen wäre damit zu bevorzugen. Daher verfolgen die Entwicklungsländer neben dem Plan B - den RFAs - auch einen Plan C: Die Schaffung eines multilateralen Staateninsolvenzregimes. Dieses würde im Krisenfalle eine geordnete Insolvenz betroffener Länder ermöglichen und damit den Bedarf an Bail-out-Krediten, also Schuldenübernahme und Tilgung oder Haftungsübernahme durch Dritte, von IWF oder RFAs deutlich reduzieren, da der Großteil davon sowieso nur zur Fortsetzung des Schuldendienstes an die Altgläubiger weiter geleitet wird. Einen Prozess dazu haben die Entwicklungsländer letztes Jahr bei der UN angestoßen.



Der Autor ist Policy and Advocacy Manager bei Eurodad.

Anmerkung:
(1) Europäisches Parlament (2014): Bericht über die Untersuchung über die Rolle und die Tätigkeiten der Troika (EZB, Kommission und IWF) in Bezug auf Programmländer des Euroraums.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2015, Seite 17-18
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Dezember 2015

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