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REDE/019: Finanzminister Schäuble zum Haushaltsgesetz 2013, 20.11.2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Rede des Bundesministers der Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble, zum Haushaltsgesetz 2013 vor dem Deutschen Bundestag am 20. November 2012 in Berlin



Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen!

Ich habe während der Debattenbeiträge der Redner der Opposition ein bisschen darüber nachgedacht, ob unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger im Augenblick wirklich nichts anderes interessiert als die Tatsache, dass in einem Jahr Bundestagswahl ist. Möglicherweise ist unsere Wirtschaft in einer schwierigen Lage. Wir stehen vor großen Herausforderungen. Um eine glückliche Entwicklung fortzusetzen, bedarf es großer Anstrengungen. Die Wahl ist in einem Jahr, aber anstatt uns gegenseitig Umfrageergebnisse und Zeitungskommentare vorzuhalten, sollten wir uns vielleicht doch ein bisschen mehr mit dem beschäftigen, was auch die Menschen in diesem Lande interessiert, nämlich wie wir eine erfolgreiche Politik in schwierigen Zeiten für die Zukunft unseres Landes fortsetzen.

Ich weiß, dass Sie gerade Ihren Parteitag gehabt und die Wahl Ihrer Spitzenkandidaten für die nächste Bundestagswahl durchgeführt haben. Ich will das auch gar nicht, Frau Künast, mit irgendwelchen von Ihnen dann eher als hämisch empfundenen Bemerkungen kommentieren. Ich wünsche mir vielmehr, dass wir diese Haushaltsdebatte auch dazu nutzen, uns mit der Substanz der Probleme unseres Landes in Sachen Wirtschaft und Finanzen zu beschäftigen.

Ich will es an einem einfachen Beispiel deutlich machen. Wenn Sie sagen, wir hätten in dieser Legislaturperiode insgesamt 100 Milliarden Euro neue Schulden gemacht, dann will ich daran erinnern, dass zunächst Herr Steinbrück und ich gemeinsam in der Großen Koalition und dann ich als sein Nachfolger für das Jahr 2010 einen Haushaltsentwurf mit 86 Milliarden Euro Neuverschuldung vorlegen mussten. Wenn wir also in vier Jahren insgesamt auf eine Neuverschuldung von 100 Milliarden Euro gekommen sind, kann es, ausgehend von dieser Ausgangslage, nicht ganz so schlecht gewesen sein. Auch das muss man einmal sagen.

Nein, Herr Bartsch, aber es reicht jedenfalls dazu, zu veranschaulichen, dass man über Probleme nur dann ernsthaft reden kann, wenn man mit den Zahlen einigermaßen korrekt umgeht.

Mit unserer Finanz- und Wirtschaftspolitik sind wir in die Bemühungen eingebettet, Europa stabil zu halten, und nehmen Verantwortung für die Entwicklung der Weltwirtschaft wahr. Wir haben Absprachen und Verabredungen seit 2008, seit der mit der Insolvenz von Lehman Brothers verbundenen Krise, im Rahmen der G20, im globalen Rahmen und mit dem Internationalen Währungsfonds. Diese Absprachen besagen, dass wir nachhaltig, aber maßvoll unsere Defizite reduzieren müssen, dass die zu hohe Staatsverschuldung überall reduziert werden muss und wir das in einer Weise machen müssen, die unserer Verantwortung für die Entwicklung nachhaltigen Wachstums in der ganzen Welt, in den Industrieländern, in den Schwellenländern und in den Entwicklungsländern, gerecht wird. Das ist die internationale Absprache, die wir gemeinsam getroffen haben und zu der wir mit unserer Finanz- und Wirtschaftspolitik unseren Beitrag leisten.

Deswegen sollte man unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern bei aller Verunsicherung doch einmal sagen: In allen Berichten von der EU-Kommission - hier geht es um die länderspezifischen Empfehlungen und die Überwachung nach der Verschärfung des Sekundärrechts -, von der OECD, vom Internationalen Währungsfonds wird wieder und wieder bestätigt, dass Deutschland seine europäischen und globalen Verpflichtungen erfüllt, nicht mehr und nicht weniger. Wenn alle anderen das auch täten, wäre es gut. Ich will jetzt aber nicht über andere reden. Ich will auch nicht behaupten, dass wir Musterschüler sind, sondern ich sage: Wir bemühen uns, unserer europäischen und globalen Verantwortung gerecht zu werden. Das tun wir in diesen Tagen und Wochen, und damit sind wir ganz erfolgreich.

Nach dem Debattenverlauf möchte ich auch noch folgende Bemerkung machen: Natürlich kann man zu hohe Verschuldung auf unterschiedliche Weise zurückführen. Man kann auch darüber streiten, was das richtige Tempo ist. Ich glaube, wir haben in der letzten Legislaturperiode mit der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse die richtige Entscheidung getroffen, nämlich uns, wie Norbert Barthle erläutert hat, im Wesentlichen auf das strukturelle Defizit zu konzentrieren. Das ist schließlich die entscheidende Größenordnung in Bezug darauf, ob eine Finanzpolitik in die richtige Richtung geht oder nicht. Wenn wir in einem Jahr anteilig Kapital in die Europäische Investitionsbank oder auch in den Europäischen Stabilitätsmechanismus einzahlen, hat das ja mit der langfristigen Linie unserer Finanzpolitik relativ wenig zu tun. Entscheidend ist also das strukturelle Defizit. Im Grundgesetz haben wir uns verpflichtet - diese Regelung, die wir gemeinsam getroffen haben, ist übrigens Vorbild für alle Länder in Europa im Fiskalvertrag geworden; sie kann wohl nicht so dumm sein -, dass wir das strukturelle Defizit im Bundeshaushalt bis spätestens 2016 auf maximal 0,35 Prozent zurückführen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Haushalt, den der Haushaltsausschuss jetzt zur Verabschiedung vorlegt, sieht vor, dass bereits im kommenden Jahr das strukturelle Defizit im Bundeshaushalt auf 0,35 Prozent beziehungsweise genau 0,34 Prozent des Bruttoinlandsprodukts begrenzt wird. Wir schaffen das also drei Jahre vor dem Zeitpunkt, den wir uns im Grundgesetz selber vorgegeben haben. Genau diese Linie werden wir in den kommenden Jahren konsequent fortsetzen. Das entspricht unserer Verantwortung für die Zukunft.

Nun kann man zwischen den verschiedenen politischen Lagern immer darüber streiten, wie man eine zu hohe Verschuldung zurückführt. Die einen fordern höhere Steuern, während die anderen dafür plädieren, eher bei den Ausgaben kürzerzutreten. Das ist im Kern die Alternative. Jetzt will ich Ihnen einmal die Ausgaben im Bundeshaushalt nennen. Die Istausgaben betrugen 2010 303 Milliarden Euro und 2011 296 Milliarden Euro. Im Jahr 2012 sind die Ausgaben durch die zwei Nachtragshaushalte mit den Kapitaleinzahlungen in ESM und EIB noch einmal auf 311 Milliarden Euro gestiegen. Nach dem zu verabschiedenden Haushalt werden sie 2013 302 Milliarden Euro betragen und nach der mittelfristigen Finanzplanung 2014 bei 302,9 Milliarden Euro und 2015 bei 303,3 Milliarden Euro liegen. Das heißt: Von 2010 bis 2015 halten wir die Ausgaben im Bundeshaushalt konstant - bei steigendem Bruttoinlandsprodukt und bei steigenden Steuereinnahmen. So reduzieren wir unser Defizit. Das ist die Finanzpolitik der christlich-liberalen Koalition. Sie ist erfolgreich, und sie sichert unsere Zukunft.

Wir müssen das vor dem Hintergrund machen, dass sich die wirtschaftliche Lage eher abschwächt. Das ist weltweit so. Es ist alles gar nicht nur auf Europa beschränkt. Was Europa angeht, haben wir heute Nacht die Nachricht bekommen, dass unser wichtigster Partner von einer Ratingagentur eine ein kleines bisschen mahnende Beurteilung bekommen hat. Noch immer ist das Rating für Frankreich sehr stabil. Das sage ich ganz deutlich, damit man da auch jede Dramatisierung meidet. Wir haben jedes Interesse daran, dass wir alle in Europa unsere Aufgaben wahrnehmen und unserer Verantwortung gerecht werden.

Wir müssen allerdings sehen, dass wir im kommenden Jahr nur mit verringertem Wachstum rechnen können. Damit ist eine gewisse Verlangsamung der wirtschaftlichen Entwicklung zu verzeichnen - in unserem Land, in Europa und in der globalen Wirtschaft. Vor diesem Hintergrund haben wir dennoch Vorsorge getroffen. Es ist ja völlig unbestritten, Deutschland ist in Europa Stabilitätsanker und zugleich Wachstumslokomotive. Ohne Deutschland wäre Europa insgesamt, die EU und die Euro-Zone, in der Rezession. Wir sichern mit unserer Politik, dass es zwar auf einem niederen Niveau, aber nachhaltig weiterhin aufwärts geht. Das ist die entscheidende Frage. Dieser Herausforderung wird unser Haushalt gerecht.

Jetzt haben Sie gesagt, man müsse auch in der Steuerpolitik mehr machen, und eine entsprechende Diskussion angeregt. Diese Argumentation ist allerdings ein bisschen unglaubwürdig; das muss ich in aller Freundlichkeit sagen. Man kann nicht auf der einen Seite über den Bundesrat jede noch so sinnvolle Maßnahme aus parteipolitischen Gründen blockieren und gleichzeitig sagen: Es geschieht in der Steuerpolitik nichts. Das ist die Methode "Haltet den Dieb!", und die wird vom Strafrecht längst erkannt.

Es ist völlig inakzeptabel, wenn der Bundesrat - in dem wir keine Mehrheit haben; für Steuergesetze brauchen wir seine Zustimmung; so ist es nach dem Grundgesetz - noch nicht einmal bereit ist, die kalte Steuerprogression zu korrigieren, also dem Zusammenwirken von - wenn auch maßvoller - Preissteigerung beziehungsweise Geldentwertung und Steuerprogression entgegenzuwirken. Wir wollen den Steuerpflichtigen nichts zurückgeben, sondern nur verhindern, dass durch das Zusammenwirken von Steuerprogression und Preissteigerungen Steuereinnahmen erzielt werden, die der Gesetzgeber so gar nicht beschlossen hat. Wenn Sozialdemokraten und Grüne dies im Bundesrat blockieren, dann sollten sie aufhören, noch irgendeine Kritik an unserer Steuerpolitik zu erheben.

Weil wir gerade bei diesem Thema sind, will ich mit allem Nachdruck sagen: Wir haben nicht nur für den Bund Verpflichtungen, unseren Haushalt in Ordnung zu bringen - wir machen das -, sondern wir haben auch eine gesamtstaatliche Verantwortung, Stichwort "Fiskalvertrag". Auch das hat Norbert Barthle sehr präzise beschrieben. Wir haben uns verpflichtet - das ist auch richtig und notwendig -, das gesamtstaatliche Defizit, also das von Bund, Ländern, Kommunen und gesetzlichen Sozialversicherungen, auf maximal 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu begrenzen. Insofern geht es auch um die Haushalte von Ländern und Gemeinden.

Wir haben übrigens in dieser Legislaturperiode für die Kommunalhaushalte mehr getan, als die Präsidenten der kommunalen Spitzenverbände selbst auch nur zu hoffen gewagt hätten. Auch das ist die Wahrheit.

Allein die Übernahme der Kosten für die Grundsicherung im Alter, die Rot-Grün zu einem großen Teil auf die Kommunen übertragen hat, in voller Höhe macht einen rasch ansteigenden Milliardenbetrag aus. Darüber brauchen wir nicht lange zu reden.

Na ja, Herr Steinmeier, es hilft nichts. Sie haben es eingeführt unter Rot-Grün. Sie haben einen großen Teil dieser Kosten auf die Kommunen übertragen, und wir haben es zurückgenommen. Selbst der Präsident des Deutschen Städtetages war wirklich hocherfreut und überrascht. Es macht keinen Sinn, Herr Steinmeier, uns jetzt zu sagen, Sie hätten uns dazu gezwungen, Ihre eigenen Fehler zu korrigieren. Hätten Sie diese Fehler nicht gemacht, hätten wir sie auch nicht zu korrigieren brauchen. Jedenfalls haben wir eine kommunalfreundliche Politik betrieben.

Sie, Herr Steinmeier, werden mich auch nicht davon abhalten, folgenden Satz noch zu sagen: Vor dem Hintergrund, dass Bund, Länder und Kommunen knappe Einnahmen haben, fände ich es völlig inakzeptabel, wenn der Bundesrat seine Zustimmung zu dem Steuerabkommen mit der Schweiz verweigern sollte. Es gibt kein rational nachvollziehbares Argument, es gibt ausschließlich ein parteipolitisch zu begründendes Motiv dafür, dass man mit billiger Polemik dieses Abkommen zu verhindern versucht. Es ist klar: Wenn dieses Abkommen nicht zustande kommen sollte, dann wird sich ab dem 1. Januar der Zustand fortsetzen, dass Vermögensanlagen in der Schweiz steuerlich nicht so wie Vermögensanlagen in Deutschland erfasst werden. Kommt dieses Abkommen zustande, wird ab 1. Januar 2013 jede Anlage in der Schweiz genauso behandelt wie eine Anlage in Deutschland. Es wird dann keinen Unterschied mehr geben.

Im Falle von Erbschaften wird immer der deutsche Fiskus profitieren. Und da die Erbschaftsteuer ausschließlich an die Länder geht, können Sie über die Erbschaftsteuer überhaupt nicht reden, wenn Sie dieses Abkommen aus parteipolitischen Gründen blockieren. Im Falle einer Erbschaft wird entweder die reguläre Besteuerung durchgeführt, oder es kommt der höchstmögliche Steuersatz zur Anwendung. Darüber hinaus treffen wir eine Regelung für Fälle der Vergangenheit. Niemand kann rückwirkend belangt werden, weil auch die Schweiz ein Rechtsstaat ist. Das Schweizer Bankengeheimnis kann man nicht rückwirkend außer Kraft setzen. Das ist auch im Hinblick auf das Bankengeheimnis der USA der Fall. Es ist eine Lüge, wenn behauptet wird, die USA hätten gegenüber der Schweiz rückwirkend etwas erreicht. Ich sage noch einmal mit großer Klarheit: Das ist eine Lüge.

Wir haben im Hinblick auf die Vergangenheit eine Regelung formuliert, die diejenigen, die von der Anonymität Gebrauch machen, steuerlich schlechterstellt, als wenn bei ihnen die Regelbesteuerung durchgeführt würde. Wenn Sie dieses Abkommen aber verhindern, wird das Ergebnis sein, dass Einnahmen in Milliardenhöhe für Bund und Länder auf Dauer verloren sind; denn Steueransprüche verjähren innerhalb von zehn Jahren, und was verjährt ist, ist nicht mehr zu erheben. Also: Wenn Sie sich für die Einnahmen von Bund und Ländern verantwortlich fühlen, geben Sie die ausschließlich parteipolitisch motivierte Blockade auf.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, um zum Kern der Haushaltsdebatte zurückzukehren: Natürlich haben wir bei dem heute Abend stattfindenden Treffen der Staats- und Regierungschefs der Euro-Gruppe über die mittelfristige Finanzplanung in der Europäischen Union schwierige und wichtige Entscheidungen vor uns. Wir alle wissen, dass der Wohlstand der Deutschen auf Gedeih und Verderb von einer erfolgreichen Fortsetzung der Entwicklung in Europa und auch von einer gemeinsamen europäischen Währung entscheidend abhängt. Deswegen engagieren wir uns dafür, nachhaltige Lösungen zu finden. Die Lösungen müssen aber so sein, dass alle in Europa den Anreiz haben, ihren Verpflichtungen als Mitglied einer Wirtschafts- und Währungsunion gerecht zu werden. Das ist die Herausforderung. Wir werden uns alle Mühe geben, ihr gerecht zu werden. Über die Ergebnisse der Beratungen werden wir in den nächsten Tagen zu diskutieren haben.

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Quelle:
Bulletin 108-1 vom 20. November 2012
Rede des Bundesministers der Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble,
zum Haushaltsgesetz 2013 vor dem Deutschen Bundestag am 20. November 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. November 2012