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FRIEDEN/1030: Clinton zieht Palästinenser für Netanjahu über den Tisch (SB)



Mochten die Palästinenser gehofft haben, Barack Obama werde den Israelis in den Arm fallen und deren Würgegriff an ihrer Kehle lockern, so sehen sie sich eines Schlechteren belehrt. Verlangen sie in ihrer Not, die gnadenlose Klammer dürfe nicht enger gezogen werden, wenn man sich zu Friedensgesprächen an einen Tisch setzen wolle, so macht man ihnen herrisch klar, daß sie weder etwas zu melden haben, noch die Gegenseite im Traum daran denkt, ernsthaft mit ihnen zu verhandeln.

Wie US-Außenministerin Hillary Clinton nach einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Jerusalem unmißverständlich erklärte, wolle sie beide Seiten möglichst bald bei der Wiederaufnahme ihrer Verhandlungen sehen. Von den Palästinensern forderte sie, ohne Vorbedingungen in die Friedensgespräche zu gehen. Ein Siedlungsstopp sei "nie eine Vorbedingung gewesen". Sie hoffe auf neue Verhandlungen, bei denen die offenen Streitfragen "auf den Tisch kommen, damit die Parteien beginnen können, sie zu lösen". Israel mache "beispiellose" Konzessionen im Vergleich zu früheren Verhandlungen. So habe Netanjahu "Zugeständnisse" in der Siedlungspolitik angekündigt. (www.zeit.de 01.11.09)

Auch Netanjahu wies die Forderung der Palästinenser nach einem vollständigen Siedlungsstopp zurück. Dies sei nur ein "Vorwand und ein Hindernis" für die Verhandlungen. Zudem handle es sich um eine "neue Forderung" und einen Wandel in der Politik der Palästinenser, der nichts zum Frieden beitrage. Clinton bezeichnete Netanjahus Ausführungen als "historisch korrekt" und unterstrich damit, daß der bedingungslose Schulterschluß der US-Administration mit der israelischen Führung nie in Frage gestellt war (www.google.com 01.11.09)

Wie aber steht es um Obamas Wahlkampfversprechen, er werde sich mit aller Kraft für eine Friedenslösung in Nahost einsetzen? Bekanntlich hat der US-Präsident anfangs einen vollständigen Siedlungsstopp Israels gefordert, zuletzt aber nur noch von "Zurückhaltung" bei den Bauaktivitäten gesprochen. Nun sagte ein ranghoher US-Politiker der "Jerusalem Post", die USA verlangten weiterhin einen Stopp aller Siedlungsaktivitäten, doch solle das keine Vorbedingung für Gespräche zwischen Israelis und Palästinensern sein.

Verständlicherweise zeigt man sich in Israel hochzufrieden mit diesem Rückzieher auf Raten. Netanjahu tönte während der Kabinettssitzung in Jerusalem: "Wir unternehmen große Anstrengungen, um die Wiederaufnahme von Verhandlungen zu ermöglichen." Israel habe die Bereitschaft bekundet, "nie dagewesene Dinge zu unternehmen, um einen Friedensprozeß in Gang zu bringen". "Ich habe gesagt, daß wir keine neuen Ansiedlungen bauen und kein Land für bestehende oder weitere Siedlungen enteignen werden." Die israelische Siedlungspolitik werde den Bewohnern der Siedlungen aber ein "normales Leben" ermöglichen.

Mahmud Abbas hatte zuvor bei einem Treffen mit Clinton in Abu Dhabi auf einem völligen israelischen Siedlungsstopp in Ostjerusalem und im Westjordanland bestanden. Ohne einen solchen Schritt werde es keine Friedensgespräche geben, unterstrich auch der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat: "Ein Ende der Siedlungsaktivitäten ... ist die Tür zur Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen." Tief enttäuscht von den Äußerungen der US-Außenministerin in Jerusalem warnte der ranghohe Fatah-Repräsentant Mohammed Dahlan am Sonntag, die Forderungen der USA und Israels an die Palästinenser könnten "den gesamten Friedensprozeß torpedieren und uns alle in den Gewaltkreislauf zurückwerfen".

Netanjahu und Außenminister Avigdor Lieberman behaupteten unverfroren, Israel sei zu Friedensgesprächen ohne Vorbedingungen bereit, die Palästinenser jedoch nicht. Dabei hatte der israelische Regierungschef einen ganzen Katalog unannehmbarer Forderungen an Verhandlungen über einen Palästinenserstaat gestellt, womit er unterstrich, daß dieser aus seiner Perspektive niemals existieren darf. Ein ranghoher Regierungsvertreter in Jerusalem sagte dem Online-Dienst "ynet", Washington unterstütze die israelische Politik hinsichtlich der Wiederaufnahme von Verhandlungen in vollem Umfang: "Die Obama-Regierung versteht, daß das große Problem die Palästinenser sind." So hat man in altbewährter Kumpanei die Verhältnisse auf den Kopf gestellt und die Palästinenser zum Hindernis von Friedensverhandlungen erklärt.

Die israelische Siedlungspolitik folgt seit Jahrzehnten dem strategischen Kalkül einer fortschreitenden Okkupation, die das Westjordanland systematisch fragmemtiert und Ostjerusalem isoliert, um einen lebensfähigen Palästinenserstaat auszuschließen. Tag für Tag werden in den völkerrechtswidrig besetzten Gebieten durch den Ausbau der Siedlungen neue Fakten zu Lasten der Palästineser geschaffen, die nicht mehr rückgängig zu machen sind. Dieser Prozeß schreitet voran, selbst wenn für eine gewisse Frist kein neues Land enteignet werden sollte. Mit dem forcierten Ausbau bestehender Siedlungen, der Vertreibung von Palästinensern in Ostjerusalem und dessen weiterer Einkesselung hat die Regierung Netanjahus mit brutaler Härte signalisiert, daß Obamas Farce ausschließlich zur Drangsalierung der Palästinenser dient. Der Friedensprozeß, da sind sich Netanjahu und Clinton einig, wird weiter vorgehalten, damit man die Palästinenser in aller Seelenruhe abwürgen kann.

1. November 2009