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HEGEMONIE/1636: In Kopenhagen wurde das herrschende Raubgefüge gesichert ... (SB)



Zur Kenntlichkeit entstellt zeigte sich der Eigennutz der westlichen Industriestaaten und der ihnen nachstrebenden Schwellenstaaten in Kopenhagen. Zwei Jahre Vorbereitung reichten nicht aus, den bislang wichtigsten Staatengipfel des 21. Jahrhunderts zu einem Abschluß zu bringen, mit dem die schöne Illusion der an einem Strang ziehenden Weltgemeinschaft nicht wirksam zerschlagen worden wäre. Wurde während COP 15 noch von der ethischen Forderung nach einem gerechten Ausgleich für den entwicklungspolitischen Fortschritt der reichen Industriestaaten geredet, so liegt die Antwort nun unmißverständlich auf dem Tisch: Die Welt der verknappten Ressourcen, in der das kapitalistische Akkumulationsregime in mehrerlei Hinsicht an seine Grenzen gestoßen ist, wird nach sozialdarwinistischen Prinzipien reguliert.

Dies bildet sich geradezu exemplarisch am Verhalten des größten Ressourcenverschwenders USA ab. Obwohl der Ausstoß an klimawirksamen Gasen pro Kopf dort mehr als 20mal so hoch ist wie in den ärmsten Ländern der Welt, hält die US-Regierung am Kurs einer allein ihren nationalökonomischen und machtstrategischen Erfordernissen ausgerichteten Klimapolitik fest. Die ihr nahestehenden Industriestaaten und die großen, industriell aufstrebenden Schwellenstaaten nutzen dies, um ihrerseits höchst bescheidene Beiträge zum Erreichen auch nur minimaler Ziele der Reduzierung klimawirksamer Gase beizusteuern. Im Zweifelsfall wird, wie in Kopenhagen geschehen, dem Rest der Welt ein Ergebnis vorgelegt, das die mittleren und kleineren Länder des Südens nur zum Preis ihres Untergangs akzeptieren könnten.

Die dahinterstehende politische Ratio bezweckt nicht nur das Erreichen von Wachstumszielen, mit denen die Refinanzierung der administrativen Apparate gesichert wird. Sie läuft auf die weitere Umverteilung der Lebensressourcen von unten nach oben, von arm zu reich, hinaus, werden doch die Länder des Südens wesentlich stärker von den Folgen des Klimawandels betroffen als die Staaten in klimatisch gemäßigten Regionen. Deren technische und ökonomische Möglichkeiten, Maßnahmen gegen die Folgen des ansteigenden Meeresspiegels, das Schwinden fossiler Energieträger und die verringerten Erträge der Landwirtschaft zu ergreifen, resultieren zusammen mit der relativ geringeren Betroffenheit durch den Anstieg der Temperaturen im Ausbau ihrer Vormachtstellung. Den Ländern des Südens hingegen stehen katastrophale Entwicklungen bevor, denen sie fast nichts entgegenzusetzen haben, da sie schon jetzt unter massivem Mangel an Trinkwasser, massenhaftem Hunger und einer von den Industriestaaten abhängigen wirtschaftlichen Entwicklung leiden.

Eine ihnen zugutekommende Lösung hätte ein Umdenken in den reichen Staaten erfordert, das vor dem Hintergrund der dort propagierten Wettbewerbslogik jeder politischen Voraussetzung entbehrt. So, wie das herrschende Akkumulationsregime gegen den naheliegenden Schritt verteidigt wird, aus der Weltwirtschaftskrise und dem Welthunger die Konsequenz einer grundlegenden gesellschaftlichen Veränderung zur Sicherstellung der angemessenen Versorgung eines jedes Menschen zu ziehen, so wird die imperialistische Weltordnung auch in der Klimapolitik fortgeschrieben. Auch dort steht die Verschärfung der existierenden Mangelwirtschaft durch die weitere Ausbeutung seit jeher inakzeptabler ökonomischer Unterschiede gegen ein sozial gerechtes und international kooperatives Vorgehen. Daß sich letzteres in Kopenhagen durchsetzen würde, haben vor allem Aktivistinnen und Aktivisten prognostiziert, deren Analyse auf einem umfassenden gesellschaftskritischen Ansatz beruht.

Da Konzepte systemkonformer Regulation, etwa die progressive Besteuerung des Konsums klimawirksamer Güter und Leistungen, wie alle marktwirtschaftlich gesteuerten Prozesse bestehende Herrschaftsstrukturen zementieren, sprich Kapitalmachteliten einen privilegierten Zugriff auf Ressourcen aller Art verschaffen, während den Menschen in den Ländern des Südens genozidale Entwicklungen drohen, führt an Überlegungen zur Überwindung kapitalistischer Verwertungsverhältnisse kein Weg vorbei. Allein die völlig ungelöste Problematik, wie sich die internationale Arbeitsteilung, die nationalen Produktivitätsunterschiede und die daran orientierten Handelsströme und Währungsbewertungen in der Bilanzierung nationaler Auflagen zur Klimagasreduzierung niederschlagen, belegt, daß ein Großteil der die Lebensgrundlagen bedrohenden Zerstörungspotentiale der kapitalistischen Struktur der Güterproduktion und -distribution immanent ist.

Auf die Diskussion derartiger Probleme zu verzichten, um anstelle dessen merkantilistische Vorteile zu sichern, kann nur in einen Übertrag der Zerstörung der Natur auf die Zerstörung des Menschen münden. Der Vorsprung an Reichtum und Ressourcenverbrauch der westlichen Industrienationen ist nicht nur Ergebnis einer kolonialistischen Vergangenheit, deren Folgen es gegenregulativ aufzuheben gilt. Er wird weiterhin als Waffe im Kampf um die einflußreichen Positionen in den Agenturen der Global Governance und bei der militärischen Durchsetzung ihrer geostrategischen Ziele eingesetzt. In Kopenhagen wurde im Grunde genommen darüber verhandelt, wie sich die etablierte Weltordnung gegen die Forderung der Habenichtse nach grundlegenden Veränderungen sichern läßt. Die nun gesungenen Beschwichtigungsarien beweisen, daß sich daran auch in Zukunft nichts ändern soll. Es bleibt an den Menschen, darauf Einfluß zu nehmen und sich nicht mehr zum Spielball räuberischer Interessen machen zu lassen.

20. Dezember 2009