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HEGEMONIE/1647: Irans Außenminister Mottaki unterbreitet Vorschlag ... und wird diffamiert (SB)



Der überraschende Auftritt des iranischen Außenministers Manuchehr Mottaki auf der Münchner Sicherheitskonferenz wird allgemein als Manöver Teherans abgetan, in der zugespitzten Konfrontation um das iranische Atomprogramm Zeit zu schinden. In einer Mischung aus der Aufrechnung alter Sünden und des Vorwurfs neuer Unbotmäßigkeit wird der iranischen Regierung von diversen Politikern und Kommentatoren angelastet, lediglich zu taktieren und Kompromißbereitschaft nur vorzutäuschen. Dabei hatte Mottaki am Freitag zu mitternächtlicher Stunde zur Klärung dreier konkreter Punkte, die einen Kompromiß möglich machten, aufgefordert. Am Dienstag hatte der iranische Präsident Mahmoud Ahmedinejad erklärt, der Iran habe "kein Problem" mit dem Vorschlag der Internationalen Atomenergieagentur (IAEO), schwach angereichertes Uran für einen Forschungsreaktor in Teheran zur Weiterverarbeitung ins Ausland zu schicken, anstatt es selbst zu produzieren. Damit war er von seiner bisherigen Bedingung abgerückt, das nukleare Material nur auf iranischem Boden gegen höher angereicherten Kernbrennstoff auszutauschen.

Mottakis diplomatische Offerte besteht darin, Garantien für beide Seite zu fordern. Da dem Iran das Zugeständnis abgenötigt wird, sich zwecks besserer Kontrollierbarkeit seiner potentiell zur Entwicklung atomwaffenfähigen Nuklearmaterials fähigen Kernbrennstoffe auf deren Anreicherung im Ausland einzulassen, will Mottaki die Kontrolle über das Volumen, die Übergabemodalitäten und den zeitliche Rahmen des Austauschprozesses in iranischen Händen behalten. "Unsere Bitte lautet, die Menge sollte von der Partei angekündigt werden, die das angereicherte Uran benutzen wird, und diese Menge wird auf der Basis unserer Bedürfnisse erklärt werden", so Mottaki laut der New York Times (05.02.2010) in München.

Der iranische Außenminister hat ein konkretes Angebot unterbreitet, das auf eine Ankündigung Ahmedinejads im iranischen Fernsehen aufsetzt, mit der der iranische Präsident an seine ursprüngliche Bereitschaft, iranische Kernbrenntstoffe im Ausland anreichern zu lassen, anknüpft. In Anbetracht der Dämonisierung seiner Person wird gerne vergessen, daß der Rückzieher, den er nach der ersten Gutheißung dieses Vermittlungsvorschlags der IAEO im Oktober 2009 machte, das Ergebnis des Widerstands gegen dieses Zugeständnis an die USA und die EU war, der sich quer durch das politische Spektrum des Landes zog und auch von Teilen der Oppositionsbewegung wie dem ehemaligen Präsidenschaftskandidaten Mir Hossein Moussavi mitgetragen wurde.

Angesichts des seit Jahren verfolgten Versuchs, dem Iran das ihm laut Nichtverbreitungsvertrag zustehende Recht auf Nutzung der Urananreicherung für zivile Zwecke zu nehmen, hat die Regierung in Teheran alles Recht, den Verhandlungsprozeß zu ihren Gunsten zu führen. Ihr betrügerische Manipulationen anzulasten, wie es in der deutschen Politik und Publizistik gang und gäbe ist, mißachtet nicht nur diese Vertragslage, sondern auch die strategischen Eigeninteressen des Irans. In diesem Machtkampf soll das Hegemonialstreben der westlichen Welt obsiegen, und das betrifft den Iran auf ausschließlich einschränkende Weise. Das Land soll in seiner regionalen Vorherrschaft zurückgedrängt und als Akteur, der äußeren Mächten, die den Nahen und Mittleren Osten in ihren geostrategischen Entwurf integrieren wollen, ausgeschaltet werden.

Es handelt sich um simple Machtpolitik, die ideologisch überdeterminiert wird, um den Iran unglaubwürdig zu machen und den Prozeß seiner Unterwerfung in letzter Konsequenz mit Waffengewalt vollenden zu können. Die Bundesregierung läßt sich dabei auf das gefährliche Spiel ein, an einem solchen Ernstfall mit dem Kriegseinsatz deutscher Streitkräfte beteiligt zu sein. Je mehr sich deutsche Politiker wie Bundeskanzlerin Angela Merkel oder Außenminister Guido Westerwelle in der Absicht, in den USA und in Israel auf Zuspruch zu stoßen, bei der Bezichtigung Teherans aus dem Fenster lehnen, desto weniger können sie bei Anwendung ultimativer Gewalt dahinter zurückgehen. Die in diese Kerbe schlagenden Reaktionen auf Mottakis Auftritt in München teilen im Grunde genommen mit, daß Deutschland einmal mehr angriffsbereit ist.

6. Februar 2010