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HEGEMONIE/1674: Westerwelle im Vorhof der EU ... imperiale Ordnungsdiktate (SB)



Nicht Konfrontation, sondern Kooperation sei der Weg, auf dem Serbien in die EU gelange. Außenminister Guido Westerwelle nahm die Belgrader Regierung ins Gebet einer imperialen Logik, die anderen abverlangt, was man selbst nicht zuzugestehen bereit ist. Konfrontation blutigster Art war die Methode, mit der Jugoslawien als ein in mancherlei Beziehung vorbildliches Werk interethnischer Staatenbildung zerschlagen wurde, um der Europäischen Union einen Flickenteppich von Duodezstaaten zum genehmen Verzehr vorzulegen. Mittlerweile ist die EU selbst in eine Krise geraten, in der ihr Kern durch die zentrifugalen Kräfte in die Wirtschafts- und Währungskrise geratener Mitgliedstaaten einer Zerreißprobe ausgesetzt ist, die eine Verschärfung des Problems durch die Aufnahme weiterer Beitrittskandidaten als wenig sinnvoll erscheinen läßt.

Wenn Westerwelle schon das von Deutschland stets protegierte Kroatien nicht mit offenen Armen in der EU willkommen heißt, indem er den Beitritt zwar unterstützt, aber auch feststellt, daß zuvor noch viel Arbeit zu erledigen sei, dann liegt die Aufnahme Serbiens erst recht in weiter und unsicherer Zukunft. Hinzu kommt das Drängen der Bundesrepublik, den Ertrag des Jugoslawienkriegs 1999, die Abspaltung des Kosovo von Serbien, endlich unter Dach und Fach zu bringen. Das Auftreten des deutschen Außenministers in Belgrad läßt keinen Zweifel daran, daß die Bundesregierung den Balkan als Deutschlands Hinterhof betrachtet und nichts als willfährige Unterwerfung erwartet.

So verordnet Westerwelle dem serbischen Präsidenten Boris Tadic kurzerhand, sich mit der Unabhängigkeit des Kosovo abzufinden. "Versöhnung kann nur gelingen, wenn man sich der Realität stellt", predigt ein FDP-Politiker, dessen Partei mit dem ehemaligen Außenminister Klaus Kinkel einen jener Schattenkrieger aufbot, die im Vorfeld des von der rot-grünen Bundesregierung und ihrem Außenminister Joseph Fischer vollzogenen Angriffskrieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien maßgeblich an der Entfachung innerjugoslawischer Konflikte beteiligt war.

Klartext für Versöhnung, wie sie Westerwelle versteht, lautet Unterwerfung unter das Primat einer Wirklichkeit, die von denjenigen bestimmt wird, die die Mittel und Wege haben, die politische Realität nach ihrem Interesse zu formen. Die von USA, EU und NATO geschaffene Realität des westlichen Balkan hat mit der einseitigen Abtrennung eines Gebiets aus dem Territorium eines souveränen Staats gegen dessen Willen einen Präzedenzfall für separatistische Bewegungen in aller Welt geschaffen. Da diese, wie die kosovoalbanische UCK, als imperiale Fußtruppen von Nutzen sein können und die Chiffre vom gescheiterten Staat ein probater Interventionsvorwand der NATO-Staaten ist, spricht aus Sicht der EU und USA wenig gegen die zersetzende Auswirkung ihrer Balkanpolitik.

Mit der Abspaltung des Kosovo von Serbien hat die EU ein gewichtiges Zeichen ihres Vormachtanspruchs in Europa gesetzt und das Paradigma der Weltinnenpolitik als Handlungsmaxime bestätigt. Die EU ist kein Bundesstaat, sondern ein supranationales Projekt zur Herstellung ordnungspolitischer Kohärenz und imperialer Hegemonie. Ihrem Streben nach Konzentration administrativer Verfügungsgewalt in den Händen des EU-Direktoriums der größten Mitgliedstaaten entspricht die Kompetenzeinschränkung auf der Ebene der nationalen Regierungen. Die EU ist nicht an der Bildung neuer Nationalstaaten interessiert, sondern erzeugt unter ihrem Kommando stehende Zonen der Instabilität, in denen die Interessen der EU-Eliten unter Ausschöpfung gegebener wie produzierter Konfliktkonstellationen durchgesetzt werden können.

Das von den Sachwaltern der Weltinnenpolitik initiierte Spannungsverhältnis zwischen Stabilität und Ordnung im Kern der EU versus Instabilität und Chaos in ihrer Peripherie wird mit dem administrativen, ökonomischen und militärischen Krisenmanagement in den "schwarzen Löchern der Ordnungslosigkeit" (Joseph Fischer) zu Lasten der völkerrechtlichen Autonomie und Egalität souveräner Staaten weiterentwickelt. Die imperiale Expansion der Europäischen Union bedient sich des Anspruchs auf Überwindung des Nationalstaats, um dessen negative Praktiken auf eine höheren Ordnungsebene zu transformieren. Indem die seit Kaiserreich und NS-Staat im Prinzip unveränderte Südosteuropapolitik Berlins in das Hegemonialprogramm der EU eingespeist wurde, können sich die deutschen Eliten eines Zuwachses ihrer expansiven Schlagkraft erfreuen, die in der Person Westerwelles den adäquaten, grotesk anmaßenden Ausdruck findet.

So tritt der deutschen Außenminister auf dem Balkan mit einer Selbstherrlichkeit auf, die jede Frage nach der inneren Logik seiner Forderungen obsolet macht. Während er der ohnehin pflegeleichten, nur in der Sache Kosovo noch bockigen Regierung in Belgrad die Vergeblichkeit vor Augen führt, weiterhin, etwa bei den Vereinten Nationen, zu versuchen, die gewaltsame Abtrennung serbischen Territoriums rückgängig zu machen, warnt er in Sarajewo die bosnischen Serben davor, den aus der Republika Srpska und der muslimisch-kroatischen Föderation gebildeten Staat Bosnien zu verlassen. Im Fall des von der EU geführten Protektorats verläuft "der Weg nach Europa (...) über die innere Einheit und die innere Einigung". Ganz wie es gefällt, werden Sezession und Zentralismus gegeneinander ausgespielt. Lösen die imperialen Manipulationen erneut eine blutige Explosion zwischen den von Armut und Perspektivlosigkeit gezeichneten Bevölkerungsgruppen aus, dann ist einmal mehr deren Rückständigkeit und die Notwendigkeit einer militärisch starken EU erwiesen.

28. August 2010