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HEGEMONIE/1685: EU-Außenminister scharren mit den Füßen - Balkanisierung Sudans schreitet voran (SB)



In den westlichen Metropolen wird schon mal der Sekt kaltgestellt. Die jahrelange Zermürbungstaktik gegen Sudan zeigt Wirkung, der Staat steht unmittelbar vor seiner Balkanisierung. Die Registrierung der Wähler läßt sich gut an, zwei für den 9. Januar anberaumte Referenden könnten tatsächlich einigermaßen glatt über die Bühne gehen. Dann entscheidet sich, ob der Südsudan ein eigener Staat wird und ob sich die Bewohner der zentralsudanesischen, erdölreichen Region um die Stadt Abyei dem Norden oder dem Süden anschließen.

Die USA und andere westliche Länder hatten über viele Jahre hinweg Hunderte Millionen Dollar direkt oder indirekt in die Sudanesische Volksbefreiungsarmee SPLA investiert, die im Jahr 2005 der Regierung ein sogenanntes Friedensabkommen abtrotzte. Dadurch errang der Südsudan weitgehenden Autonomiestatus, nun wird über die Separation entschieden. Der Schnitt verläuft quer durch den flächengrößten Staat Afrikas.

Kaum war der Kampf gegen den Süden beigelegt, wurde die Zentralregierung durch einen Aufstand in der westlichen Provinz Darfur in Atem gehalten. Das Kalkül ging auf. Nicht daß Sudans Präsident Omar al-Bashir ein unbescholtener Zeitgenosse wäre, aber wegen seiner harten Antwort auf Angriffe darfurischer Milizen auf Polizeistationen und Garnisonen konnte er leicht vom Westen dämonisiert werden, ohne daß die eigenen Machenschaften zur Sprache kamen. Inzwischen liegt ein vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag beantragter Internationaler Haftbefehl gegen ihn vor - erstmals, daß ein amtierendes Staatsoberhaupt "steckbrieflich" gesucht wird. Den Herrschenden mangelte es noch nie an innovativen Ideen.

Mit der Zerschlagung Sudans verfolgt der Westen mehrere Ziele. Zum einen wird dadurch der geopolitische Konkurrent China geschwächt, der bislang Hauptabnehmer sudanesischen Erdöls ist. An Stelle chinesischer Unternehmen könnten westliche Ölgesellschaften ins Geschäft mit einem separaten Südsudan einsteigen. Zum anderen liefe ein erfolgreiches Staatsmodell mit muslimischer Führung dem westlichen Hegemoniestreben zuwider. Ein riesiger Staat wie Sudan, dessen Regierung nicht permanent durch innere Konflikte beschäftigt wäre und womöglich ein entspanntes Verhältnis zu seinen Nachbarn aufbaute, wäre Vorbild für den schwarzafrikanischen ebenso wie für den arabischen Raum. So etwas darf es in der Weltordnung von morgen nicht geben. Dem sei Washington vor. Und auch Juniorpartner Brüssel.

Am Montag trafen sich die EU-Außenminister mit der Hohen Repräsentantin Catherine Ashton und berieten unter anderem, wie die Europäer Vorteile aus der Lage in Sudan ziehen könnten. Selbstverständlich verpflichtet man sich, dafür zu sorgen, daß "der Übergang" (als ob das Ergebnis feststände) friedlich verläuft. Fürs schmutzige Geschäft hat man ja seine lokalen Stellvertreter, die wahlweise entweder mit dem Versprechen auf hehre Werte wie zukünftige "Selbstbestimmung" oder profan mit einem saftigen Anteil an der Beute - sprich: Aussicht auf Investitionen - auf die eigene Seite gezogen werden.

Der EU-Ministerrat betonte, daß das Ergebnis der Referenden den Willen des Volkes wiedergebe und von allen respektiert werden müsse. Wie gut, daß das endlich einmal gesagt wird, denn nach der demokratischen Wahl der Hamas im Januar 2006 als siegreichste Partei für das Palästinensische Parlament, dem anschließenden plötzlichen Stopp der Unterstützung durch die EU und die USA sowie den vom CIA ausgeheckten und finanzierten Umsturzversuch wären beinahe Zweifel an der Redlichkeit der Absichten unserer politischen Entscheidungsträger aufgekommen ...

Die EU wird Beobachter zur Überwachung der Referenden in den Sudan entsenden. Na klar, die können dann blitzschnell twittern: "Bashing Bashirs abgeschlossen, Peking eine lange Nase gezeigt, nun geht's auf Darfur." Die Saat ist gelegt. Nation building auf europäisch heißt, eine Nation zu zerschlagen, wenn sich diese ungehörigerweise der Vorherrschaft zu entziehen trachtet. Ashton hat die Gründung einer Sudan Task Force angekündigt. Sicher, erst mit geheimdienstlicher Schmiere läuft das Getriebe so richtig rund.

23. November 2010