Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → KOMMENTAR

HERRSCHAFT/1423: Guttenberg stärkt transatlantisches Krisenmanagement (SB)



Das Lamento über die angeblich unzureichende Fachkompetenz des neuen Bundeswirtschaftsministers Karl-Theodor zu Guttenberg lenkt davon ab, daß mit dem bisherigen CSU-Generalsekretär ein Politiker in Stellung gebracht wurde, der sich durch beste Beziehungen in die angloamerikanische Welt auszeichnet und als Sachwalter deutscher Kapitalinteressen ohne Fehl und Tadel ist. Dem Herumgemäkel in der Union über die Wahl Guttenbergs und der Klage der Oppositionsparteien über seine mangelnde Eignung ist der neue Wirtschaftsminister mit der Erklärung entgegengetreten, daß die Bundesrepublik zwar unter einer Wirtschaftskrise, aber keiner Systemkrise leide, daß die staatliche Intervention begrenzt werden müsse und daß Steuersenkungen und Schuldenbremse die richtigen Mittel zur Krisenbewältigung wären.

Damit hat das neue Mitglied im Kabinett Merkel ein klares Signal dafür gesetzt, daß die Krisenbewältigung der Bundesregierung keinesfalls Menschen begünstigen wird, die die erforderliche Steigerung des Binnenkonsums am zuverlässigsten gewährleisten. Anstelle einer Anhebung der Sozialtransfers für die Ärmsten im Land propagiert Guttenberg die Entlastung von Kapitaleignern und die Begrenzung staatlicher Ausgaben, also die Fortschreibung der etablierten Verteilungsordnung. Da jeder weiß, daß reale Finanzierungsprobleme im Staatshaushalt unter rezessiven Bedingungen nicht ausbleiben werden, soll die Refinanzierung durch Neuverschuldung und Steuersenkungen auf dem Rücken derjenigen ausgetragen werden, die schon jetzt nicht genug Mittel besitzen, um ein würdiges Leben zu führen.

Was dem geschaßten Michael Glos an Durchsetzungsvermögen fehlte, weist der bisherige Außenpolitiker Guttenberg aufgrund seiner Herkunft in deutschen Adelskreisen wie seiner Vernetzung im transatlantischen Machtgefüge überreichlich auf. Mit ihm wurde SPD-Finanzminister Peer Steinbrück ein neoliberaler Konterpart gegenübergestellt, der dafür Sorge tragen wird, daß der sozialdemokratische Koalitionspartner unter dem Druck der Krise nicht doch noch auf soziale Experimente verfällt. Statt dessen wird ein Austeritätsprogramm aufgelegt, das die neoliberale Politik des knappen öffentlichen Geldes in all den Bereichen, die nicht zur Stärkung der neokonservativen Hegemonie beitragen, gnadenlos fortsetzt.

Mit Guttenberg wird die Rettung des seiner Ansicht nach nicht in Frage gestellten kapitalistischen Systems unter Sicherung herrschender Interessen erfolgen, und zwar mit einer deutlichen Orientierung an den in Washington favorisierten Regulativen. Mit der bereits an seinem ersten Amtstag eingeleiteten Vorbereitung einer Milliardenbürgschaft des Bundes für den Autobauer Opel und damit für den US-amerikanischen Mutterkonzern General Motors formiert sich eine transatlantische Achse der Krisenbewältigung, die ganz auf der Linie der außenpolitischen Orientierung des neuen Wirtschaftsministers liegt.

Dessen Kritiker argumentieren allemal zu ressortbezogen und scheinen darüber zu vergessen, daß das immense Ausmaß der Krise Handlungsmöglichkeiten freisetzt, die weit über wirtschafts- und finanzpolitische Maßnahmen hinaus tief in die ordnungspolitischen Strukturen suprastaatlicher Organisation greifen. Guttenbergs Plädoyer für eine baldige Rücknahme staatlicher Interventionen in die Wirtschaft ist keinesfalls gleichzusetzen mit einem Eintreten für eine generelle Schwächung staatlicher Handlungsmöglichkeiten. Diese sollen sich lediglich wie bisher auf die Sicherung kapitalistischer Verwertungsbedingungen beschränken, wozu neben der fortwährenden Stärkung staatlicher Repression sozialpolitische Innovationen gehören, die den bisher noch durch formale Gleichheitsbedingungen relativierten Klassenwiderspruch durch neue Formen legaler Ausgrenzung auf den kommenden Stand des verschärften Mangels bringen werden.

Zweifellos wird die Karriere Guttenbergs weiter nach oben führen. Da das Amt des Außenministers in einer Koalition aus Union und FDP vergeben wäre, wäre auch an einen hochrangigen Posten in der EU oder NATO zu denken. Mit seiner Berufung in das Bundeswirtschaftsministerium hat man jedenfalls beste Voraussetzungen dafür geschaffen, die Zusammenarbeit mit den USA und Britannien personell weiter aufzuwerten.

13. Februar 2009