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HERRSCHAFT/1435: Lieberman spricht aus, was die andern denken (SB)



Seit der Vertreibung der Palästinenser im Zuge der Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 haben sich deren Chancen, ein menschenwürdiges Leben zu führen, weiter verschlechtert. Nicht ein einziges Abkommen, das in den zurückliegenden sechs Jahrzehnten geschlossen wurde, hat man auf israelischer Seite eingehalten. Und wer noch Zweifel an der Richtung dieses Prozesses gehabt haben mochte, wurde durch das Massaker im Gazastreifen eines Schlechteren belehrt. Die Doktrin des Staates Israel duldet keine Koexistenz mit den Palästinensern, sondern läuft auf deren endgültige Unterwerfung, Verdrängung und Vernichtung hinaus.

Die neue israelische Regierung wird um so weniger an dieser Faktenlage ändern, wobei auf die hemmungslose Demonstration militärischer Übermacht nun der administrative Schub zur forcierten Drangsalierung der Palästinenser folgt. Der neue Außenminister Avigdor Lieberman ist das, was man in anderen Ländern einen Faschisten nennen würde. Dabei sollte man jedoch nicht übersehen, daß er nur offen ausspricht, was Netanjahu aus taktischen Gründen kaschiert, die Kriegstreiber Ehud Olmert, Ehud Barack und Zipi Livni vor wenigen Wochen exerziert haben und nicht zuletzt die breite Mehrheit der israelischen Bevölkerung zu favorisieren scheint.

Wir haben keine Abkommen geschlossen, und wenn doch, so haben sie für uns keine Gültigkeit, lautet die erste Lektion aus dem Munde Liebermans, die nur den in aufgeregte Empörung versetzen kann, der 60 Jahre Vorgeschichte ignoriert. "Es war mir nicht vergönnt, meinen Traum von einem echten Frieden mit unseren Nachbarn zu erfüllen", klagt der scheidende israelische Ministerpräsident Ehud Olmert mit krokodilstränenfeuchten Augen, da zum harten Hund nun einmal der Schmierenkomödiant als Pendant gehört, um die Dauerscharade des fiktiven Friedensprozesses unablässig vorzuhalten. "Im Rahmen einer endgültigen Friedensregelung sollen die Palästinenser die volle Souveränität haben, ihre politischen Geschicke selbst zu lenken - außer jene, die die Existenz des Staates Israel bedrohen", rundete der neue Regierungschef Benjamin Netanjahu die unerschütterliche Gültigkeit der Staatsräson und ihrer unumschränkten Definitionsgewalt ab, die Gefahrenlage nach ureigenem Gutdünken zu definieren. Daß man sich in den Palästinensern nicht gerade Freunde gemacht hat, liegt auf der Hand. Folglich stellen sie eine ewige Bedrohung dar, leitet der Aggressor aus seiner Untat die Notwendigkeit ab, das Opfer endgültig zur Strecke zu bringen.

Was das im einzelnen bedeutet, hat Netanjahu in seiner Antrittsrede ausgeführt: Israel wird weiter den Luftraum über einem palästinensischen Staat beherrschen, die Wasserrechte behalten, den Siedlungsbau fortsetzen und den Palästinensern das Recht absprechen, Abkommen mit Staaten zu unterzeichnen, die Israel feindlich gesonnen sind. Das ist zwar längst nicht alles, was die neue Regierung für absolut unverhandelbar erklärt, reicht aber allemal aus, um das bloße Lippenbekenntnis "palästinensischer Staat" aus dieser Aufzählung zu streichen. Daß dieser überhaupt erwähnt wird, hat nur einen Grund: Schließlich muß man den verbündeten Mächten in Europa und den USA eine Schnittstelle für deren Beteiligung an der Manöverlage zur Verfügung stellen.

2. April 2009