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HERRSCHAFT/1640: Inquisition im Bundestag - Linkspartei soll brennen (SB)



Wo immer Mitglieder der Linkspartei mit dezidiert antikapitalistischen und antiimperialistischen Positionen in Erscheinung treten, hebt das Geheul der Meute an. Vermeiden läßt sich das nicht, sofern man es nicht vorzieht, im Schielen nach Regierungsfähigkeit von allem Abstand zu nehmen, was sich als genuines Alleinstellungsmerkmal linker Politik ins Feld führen läßt. Wenngleich man natürlich über taktische Fragen geteilter Meinung sein kann, wäre es doch verhängnisvoll anzunehmen, man könne der Gegenseite durch geschicktes Manövrieren den Wind aus den Segeln nehmen. Sofern es sich tatsächlich um eine fundamentale Widerspruchslage und nicht etwa Spielarten derselben Muster von Vorteilsnahme und Partizipation handelt, wird es zwangsläufig zu einem Konflikt kommen, der nicht durch Überzeugung zu brücken ist.

Daß nicht belegbare Argumente, sondern entufernde Bezichtigung bis hin zu persönlicher Diffamierung den Ton angeben, wenn man gegen Die Linke zu Felde zieht, unterstrichen die Redebeiträge der Aktuellen Stunde zum Thema Syrien im Bundestag. Der Stein des Anstoßes ist bekannt: Abgeordnete der Linken hatten eine Erklärung unterzeichnet, die den USA und der NATO vorwirft, offen den Krieg gegen die strategisch wichtigen bzw. rohstoffreichen Länder Syrien und Iran vorzubereiten. USA und EU stürzten durch Embargos die Wirtschaft des Iran und Syriens bewußt in eine tiefe Krise, spitzten innere soziale Konflikte zu und wollten einen Bürgerkrieg entfachen, um einen Vorwand für die längst geplante militärische Intervention zu schaffen. Das iranische und syrische Volk hätten das Recht, über die Gestaltung ihrer politischen und gesellschaftlichen Ordnung allein und souverän zu entscheiden. Daher forderten die Unterzeichner die Bundesregierung auf, die Embargomaßnahmen gegen den Iran und Syrien bedingungslos und sofort aufzuheben.

Da diese Erklärung die Absichten der kriegstreibenden Parteien kurz und bündig auf den Punkt brachte, kam sie bei deren Parlamentariern zwangsläufig nicht gut an. Schließlich will man die Bundesbürger glauben machen, es gehe um Menschenrechte und Demokratie, wenn Sanktionen verhängt und Angriffspläne geschmiedet werden. Also warf man der Linkspartei vor, sie unterstütze die Regimes in Syrien und dem Iran, obwohl davon in dem Aufruf mit keinem Wort die Rede war und sich Die Linke bekanntermaßen schon des öfteren anderslautend geäußert hat. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): "Erneut beweist die Linke, dass sie nichts aus unserer Geschichte gelernt hat. Sie machen sich wieder einmal gemein mit Diktatoren, die den Weltfrieden gefährden. Über die brutale Unterdrückung der darunter leidenden Völker sehen Sie hinweg. Ja, ich kann Ihnen das nicht ersparen: Sie billigen einen Schießbefehl auf Zivilisten - wie Sie es aus Ihrer eigenen Geschichte gut kennen. [1]

Da aber die Vorwurfslage ziemlich fadenscheinig war, legte man mit Pöbeleien nach. Günter Gloser (SPD) sprach von "irrwitzige(n) Verschwörungstheorien", Birgit Homburger (FDP) wollte "Realitätsverweigerung" und Mittäterschaft auf seiten der Linken ausgemacht haben. Volker Kauder (CDU/CSU) in einem Zwischenruf: "Seit wann war der Staat Gaddafis ein Sozialstaat? Sie haben ja einen Sprung in der Platte!" Johannes Pflug (SPD): "Teile der Linkspartei vertreten offen einen radikalen Anti-Israel-Kurs. (...) Darüber hinaus scheinen Teile der Linkspartei einen gewissen Hang zu Exoten und Diktatoren zu besitzen. (...) Egal wie verbrecherisch das Regime: Solange es einen dumpfen Antiamerikanismus bedient, gibt es auch Freunde in Ihrer Partei. Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP) bezichtigte die Linkspartei "außenpolitische(r) Geisterfahrten" und drohte: "Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen." (...) "Wer unterzeichnet im Zusammenhang mit Abgeordneten des Deutschen Bundestages, mit Volksvertretern, diesen Aufruf? Es wimmelt nur so von Verschwörungsideologen, Esoterikern und - das ist besonders interessant - Rechtspopulisten." Und Thomas Feist (CDU/CSU) befand kurzerhand: "(Der Aufruf) ist eine Blaupause aus der Abteilung Agitation und Propaganda beim ZK der SED. (...) Ich bitte Sie, mit der Kim-Il-Sungisierung der Linkspartei aufzuhören. Nehmen Sie sich einmal den Kommentar der heutigen SZ zu Herzen. Darin steht, dass die Linken in ihrem Fraktionssaal ein Schild anbringen sollten: "Parteien haften für ihre Spinner". (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des Bündnisses 90/Die Grünen).

Christoph Strässer (SPD) wollte Die Linke über Nichteinmischung und linke Solidarität belehren und stolperte dabei über die eigenen Argumente, vielleicht aber auch die Verklärung seines politischen Werdegangs: "Wir haben gemeinsam auf der Straße gestanden und gefordert, dass unsere Regierungen boykottieren, Embargos ausüben gegen Südafrika, waren gemeinsam gegen das faschistische Regime in Chile, gegen andere für uns unerträgliche politische Systeme. Wenn Sie sich hier hinstellen und sagen: Nichteinmischung ist des Teufels, dann verraten Sie Ihre eigenen linken solidarischen Ideale. Damit sollten Sie einfach aufhören. Das ist unsinnig."

Jürgen Klimke (CDU/CSU) lud zur Märchenstunde über Antisemitismus in den Reihen der Linken, die das Existenzrecht Israels verweigerten, Plakaten, die Bundeswehrsoldaten in Afghanistan als Schweine verhöhnten, und Abgeordnete, die der kolumbianischen FARC Unterstützung angedeihen ließen. Dann erinnerte er an probate Sanktionen zur Ausgrenzung unerwünschter Auffassungen: "Leider bleibt es aus meiner Sicht bis auf Weiteres so, dass sich im Deutschen Bundestag drei Bereiche wiederfinden: die Regierungsfraktionen, die demokratische Opposition, bestehend aus SPD und Grünen, und eine Fraktion, bei der man Zweifel haben muss, ob sie wirklich auf dem Boden unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung steht. Deswegen halten es viele auch für richtig, (...) dass die Partei Die Linke weiterhin vom Verfassungsschutz beobachtet wird."

Viel eleganter und moderner lösen wie so oft die Grünen das Problem, als friedliebende Kriegspartei nach den Waffen zu rufen: Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen) höhnte gegen den "albernen Aufruf": "Sagen Sie mal, wo leben Sie denn? Als ich das gelesen habe, habe ich gedacht, dass ich auf einen Knopf gedrückt habe und mich auf einer Zeitreise in die 80er-Jahre zur Zeit der alten Sowjetdoktrin der Politik der Nichteinmischung befinde. Aber das haben wir im Rahmen des OSZE-Prozesses überwunden. (...) Offensichtlich ist die völkerrechtliche Diskussion über die Responsibility to Protect an Ihnen (...) spurlos vorbeigegangen. (...) In Ihrem Aufruf ist nur von israelischen und US-amerikanischen Interessen an der Vorbereitung eines Krieges die Rede. Das ist antiamerikanisch und antiisraelisch und politisch reichlich unterkomplex."

Daß man sich diese Mischung aus Untertanengeist, Kriegstreiberei und Hetztiraden nicht unwidersprochen bieten lassen muß, unterstrich Ulrich Maurer im Namen der Linkspartei. Er zitierte zur Richtigstellung aus einer Erklärung der ärztlichen Friedensorganisation IPPNW: "Keiner der Unterzeichner des Aufrufs verteidigt die brutale Gewalt des syrischen Präsidenten gegen sein eigenes Volk. Ziel des Aufrufs ist allein, vor der drohenden Kriegsgefahr für die Bürger in Syrien und im Iran durch eine Eskalation der Konflikte aufgrund der Embargopolitik und permanenter Kriegsdrohungen zu warnen." Maurer erinnerte die anderen im Bundestag vertretenen Parteien an ihre lange Geschichte der Kollaboration mit Regimes im Nahen Osten, darunter auch die Zusammenarbeit mit der syrischen Regierung. Noch 2009 sei der damalige Wirtschaftsminister Guttenberg auf der Tagung "Gastland Syrien" in Berlin zum Zweck der Exportförderung herumstolziert. In einer Panorama-Sendung aus dem Jahre 2011 sei ein hochrangiger Entwicklungsexperte der GIZ mit den Worten zu hören: Natürlich habe ich mich nie mit der syrischen Opposition getroffen; das wäre für meine Mission schädlich gewesen.

Im Deutschen Bundestag wurde ein Antrag der Linken zur Solidarität mit den Demokratiebewegungen in den arabischen Ländern abgelehnt, und nicht anders erging es 2011 einen Antrag, Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern nach Syrien endgültig zu stoppen. Damit nicht genug sollten noch 2011 insgesamt 166 Menschen aus Deutschland nach Syrien abgeschoben werden, darunter Deserteure und Verweigerer, die sich gegen Assad gewandt hatten. Die Bundesregierung lehnte es ab, selbst diesen Menschen Asyl zu gewähren. "Das, was Sie hier offenbart haben, sind Abgründe von Verleumdung und vor allem von Heuchelei", schloß Maurer seinen Redebeitrag.

Wer sich an die Inquisition erinnert fühlt, liegt insofern nicht falsch, als die Verurteilung der Linkspartei als einziger Punkt auf der Tagesordnung steht, wobei dem Delinquenten nur das Recht zugestanden wird, ein Geständnis abzulegen. Der vorgehaltene Ausweg, die schwarzen Schafe in den eigenen Reihen auszusondern, ist natürlich trügerisch: Die Anfeindungen enden erst dann, wenn die Die Linke ihren Namen nicht mehr verdient. Neu ist indessen, daß nicht reaktionäre Fanatiker Hexen verbrennnen, um ihre Seelen zu retten, sondern aufgeklärte Vorkämpfer der Moderne den Schwur auf den massenmörderischen Angriffskrieg abverlangen, weil nicht anders die Menschenrechte zu verteidigen seien.

Fußnote:

[1] http://www.bundestag.de/dokumente/protokolle/plenarprotokolle/plenarprotokolle/17152.txt

20. Januar 2012