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PROPAGANDA/1364: Unabgegoltenes Regierungsverbrechen Irakkrieg ... (SB)



Was Menschen, die Regierungspropaganda nicht unbesehen übernehmen, bereits im Vorfeld des Irakkriegs klar war, erfährt derzeit im Rahmen einer britischen Untersuchungskommission offizielle Bestätigung. Der Überfall der USA, Britanniens und einiger Verbündeter auf den Irak war eine langfristig geplante Aggression, die auf falschen Behauptungen über irakische Massenvernichtungswaffen beruhte. So distanzierte sich Ex-MI6-Chef John Scarlett von den Aussagen, mit denen er im September 2002 den Angriff auf den Irak vorbereitete. Dabei spielte er die eigene Beteiligung an der völkerrechtswidrigen Planung eines Angriffskriegs herunter und belastete den damaligen Regierungschef Tony Blair mit der Erklärung, daß die vom Geheimdienst präsentierten Informationen von diesem aus politischem Interesse einseitig zugunsten eines Angriffs auf den Irak ausgelegt wurden.

Laut bisherigem Erkenntnisstand der sogenannten Chilcot-Kommission stand diese Planung schon ein Jahr vor dem Krieg fest. Tony Blair und George W. Bush sollen bei einem Treffen auf der Ranch des US-Präsidenten im texanischen Crawford am 6. April 2002 verabredet haben, in den Irak einzumarschieren. Dies geht aus Aussagen des früheren britischen Botschafters in den USA, Christopher Meyer, und des ehemaligen britischen Stabschefs, Admiral Michael Boyce, vor dem Untersuchungsausschuß hervor. Hochrangige britische Regierungsbeamte und Militärs bestätigen nun, was die Spatzen bereits damals von den Dächern pfiffen und was Hundertausende von Menschen in aller Welt dazu bewegte, auf die Straße zu gehen, um diesen Willkürakt doch noch zu verhindern.

Während die von Premierminister Gordon Brown angeordnete Einrichtung dieser bislang erkenntnisträchtigsten Untersuchungskommission eines am Irakkrieg beteiligten Landes dem Zweck gewidmet sein mag, die in ihrer Glaubwürdigkeit zutiefst erschütterte Labour Party in den Augen ihrer schwindenden Wählerschar zumindest ein wenig zu rehabilitieren, wirft sie vom politischen und publizistischen Mainstream kaum mehr zu ignorierende Fragen nach der Legitimität einer Politik auf, die die Bürger angeblich demokratischer Staaten fast nach Belieben im Sinne der Herrschenden manipuliert. So fungiert Blair seit über zwei Jahren als Sondergesandter des Nahostquartetts, ist also auf dem Feld eines Konflikts tätig, an dessen Eskalation er mit seiner Kriegführung maßgeblichen Anteil hatte. Noch vor kurzem wurde er als Kandidat für das Amt des EU-Präsidenten gehandelt, obwohl viele seiner Manipulationen, mit denen er den Angriff auf den Irak vorbereitete, längst bekannt waren.

Die USA und Britannien haben den Irak seit 1991 mit ökonomischer Aushungerung und kriegerischer Zerstörung heimgesucht. Sie sind für den Tod von weit über eine Million Iraker, für die Verletzung, Verelendung und Vertreibung weiterer Millionen verantwortlich. Der Irakkrieg 2003, der in die seitdem andauernde Besetzung des Landes mündete, war lediglich der Gipfelpunkt seiner geostrategisch motivierten Isolation. Bis heute hat der Irak nicht zum Stand einer zwar autokratisch regierten und insbesondere gegenüber der schiitischen und kurdischen Bevölkerung massiv repressiven, aber vom allgemeinen Entwicklungsstand her modernen, die Frauenrechte in weit größerem Maße als viele andere arabische Staaten achtenden und materiell gut versorgten Gesellschaft zurückgefunden. Als langjähriges Ziel westlicher Obstruktionsstrategien und militärischer Aggressionen wurde seine Bevölkerung auf eine Weise geschädigt und dezimiert, die sich nur als monströses Verbrechen bezeichnen läßt.

Die daran beteiligten Politiker und Generäle genießen in den USA wie der EU weiterhin großes Ansehen und sind ohne Einschränkungen für höchste Ämter verwendbar. Britannien ist ein führendes Mitglied der Wertegemeinschaft EU, obwohl es als Juniorpartner der USA einen völkerrechtswidrigen Aggressionskrieg geführt hat, dessen katastrophale Folgen nicht besser dokumentieren können, wieso das Führen von Angriffskriegen seit den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen als das schwerwiegendste internationale Verbrechen gilt.

Zwischen den umfassenden Erkenntnissen, die die Verbrechen an der irakischen Bevölkerung belegen, und ihrer rechtlichen wie politischen Aufarbeitung klafft eine Lücke, an der jedes Werte- und Rechtsstaatpostulat zerbricht. Welchen Reim also sollen sich die europäischen Bürger darauf machen, daß sie von mutmaßlichen Straftätern beherrscht werden? Die Antwort wird durch die weitere Militarisierung der EU eindeutig vorgegeben. Es geht darum, auch in Zukunft Kriege führen zu können, um die Interessen der Eliten westlicher Staaten durchsetzen zu können. Zu diesem Zweck werden neue Feindbilder produziert, anstatt einmal innezuhalten und sich darüber klar zu werden, daß das Blut, das an Blairs Händen klebt, nicht weniger schwer wiegt als die Grausamkeiten, derer sich der erfolgreich als Wiedergänger Hitlers dämonisierte, in einem Schauprozeß auf Geheiß der westlichen Besatzer des Iraks abgeurteilte und gehängte irakische Präsident Saddam Hussein schuldig gemacht hat.

Als integraler Bestandteil des Globalen Kriegs gegen den Terrorismus hat der Überfall auf den Irak gezeigt, daß zum Führen imperialistischer Kriege kein Vorwand durchsichtig und billig genug sein kann. Lebten die Europäer tatsächlich in demokratischen Gesellschaften, wie es die vertragliche Leitdoktrin der EU suggeriert, dann müßten sie mit aller Macht gegen die im Rahmen des Terrorkriegs nicht nur im Irak begangenen Verbrechen ihrer Regierungen aufstehen. Da Ruhe jedoch weiterhin erste Bürgerpflicht ist und die Menschen im Würgegriff ihrer ökonomischen Nötigung kaum dazu kommen, über die Enge ihrer Zwangslagen hinauszudenken, qualifiziert sich die Stärke des kapitalistischen Machtkartells gerade anhand der Unvereinbarkeit seiner postulierten Werte mit seinen politischen Praktiken. Je selbstverständlicher Regierungsverbrechen wie die Zerstörung des Iraks als läßliche Sünde ansonsten bestens funktionierender administrativer Apparate akzeptiert werden, desto unwidersprochener setzen sich die ihnen eigenen Ermächtigungstendenzen durch.

9. Dezember 2009