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KULTUR/0792: Michael Jackson rühmen, Cynthia McKinney totschweigen ... (SB)



Die Emanzipation afroamerikanischer US-Bürger soll mit dem ersten schwarzen Präsidenten des Landes ein erhebliches Stück vorangekommen sein. Davon ist selbst in der gut ausgeleuchteten politischen Realität Washingtons wenig zu spüren. Zwei Ereignisse der letzten Woche, an denen schwarze US-Politiker Anteil nahmen respektive hatten, dokumentieren, daß sich eigentlich gar nichts geändert hat.

Im Mittelpunkt des globalen Interesses stand der Tod des Popstars Michael Jackson. Außer bei ausgemachten Fans von Trauer zu sprechen wäre übertrieben, wurde das Ereignis doch wie jede andere Unterhaltungsware auch von einer massenwirksamen Medienmaschinerie nach Maßgabe neuer Rekorde an Aufmerksamkeit und Profitabilität präsentiert. Starruhm reflektiert sich in Verkaufszahlen und Einschaltquoten, sonst ist es keiner, und das alleine reicht, um den im Mittelpunkt stehenden Künstler mit Attributen besonderer Wertschätzung zu belegen.

Schwarze Politiker rissen sich darum, ein paar Strahlen des auf Jackson fallenden Glanzes abzubekommen. Wie sehr auch immer sich der Entertainer den Erwartungen eines weißen Showgeschäfts gebeugt hat, nun sollte er wieder ein Brother sein, der den Status der schwarzen US-Bevölkerung aufwertet. Um dies ganz offiziell zu tun, hat die texanische Abgeordnete der Demokraten, Sheila Jackson Lee, im Außenpolitischen Ausschuß des Repräsentantenhauses eine Resolution eingebracht, in der der Künstler als außerordentlicher Mensch von weltweiter Bedeutung gerühmt wird.

Was genau in dieser Hagiographie "einer amerikanischen Legende" steht, ist unerheblich, zumal es ihr voraussichtlich an Unterstützung in der Fraktion der Demokraten fehlt. Aufschlußreich hingegen ist, wozu sich Sheila Jackson Lee und andere schwarze Abgeordnete nicht herabgelassen haben. Wie der Teufel das Weihwasser vermieden sie es, die Freilassung ihrer ehemaligen Kollegin Cynthia McKinney aus israelischer Haft zu verlangen oder zumindest Solidarität mit ihrem Anliegen zu bekunden.

Am 30. Juni hatte die israelische Marine das Schiff "Spirit of Humanity" der Organisation Free Gaza aufgebracht, angeblich wegen Verletzung israelischen Hoheitsgebiets. Das Boot wurde 23 Seemeilen vor der Küste des Gazastreifens aufgebracht und befand sich mithin in palästinensischen Hoheitsgewässern. Die 21 an Bord befindlichen Personen hatten niemals vor, nach Israel einzureisen, sondern wollten humanitäre Güter in den von Israel blockierten Gazastreifen bringen. Um ihrem Projekt Publizität und notwendigen Schutz zu verschaffen, befand sich neben der ehemaligen US-Präsidentschaftskandidatin Cynthia McKinney auch die irische Friedensnobelpreisträgerin Mairead Maguire an Bord.

Immerhin fünf Tage blieb die ehemalige US-Abgeordnete in israelischer Haft, ohne daß sich ihre Regierung oder frühere Kollegen aus dem Repräsentantenhaus für sie eingesetzt hätten. Während die Regierungen anderer Staaten wie Irland oder Bahrein die Freilassung ihrer in Israel festgenommenen Bürger forderten, bliebt die US-Regierung, blieben die US-Medien und blieben vor allem schwarze US-Politiker stumm. McKinney hatte sich bereits kurz vor dem israelischen Überfall auf Gaza an einer Hilfsmission beteiligt. Dabei wurde das Boot "Dignity" fast versenkt, indem es von einem israelischen Kriegsschiff drei mal in internationalen Gewässern gerammt wurde. Die israelischen Soldaten drohten den in Seenot befindlichen Passagieren der "Dignity" an, auf sie zu schießen, wenn sie ihre Reise nach Gaza fortsetzen sollten, so daß ihr Schiff mit letzter Kraft den Libanon erreichen mußte.

Anlaß für diese Reisen ist die humanitäre Notlage, in der sich die Bewohner Gazas nach wie vor befinden. Wenn sich US-Politiker für Cynthia McKinney ausgesprochen oder die Medien in größerem Ausmaß über den Vorfall berichtet hätten, wäre man nicht umhin gekommen, die katastrophale Lage der Bewohner in dem nach wie vor weitgehend zerstörten und vor allem völlig unterversorgten Gebiet beim Namen zu nennen. Das hätte negative Folgen für die eigene politische Karriere haben oder gar zu diplomatischen Verwicklungen mit Israel führen können. Also hielt man sich lieber an einem Popstar schadlos, bei dem man post mortem nicht viel falsch machen kann, muß Jackson doch seinen wie auch immer gearteten Nachruhm klaglos über sich ergehen lassen. Dazu gehören keineswegs nur Lobpreisungen, lassen diejenigen US-Bürger, die sich eher mit Cynthia McKinney als mit Barack Obama identifizieren, doch nicht von dem morbiden Kult um ein offensichtliches Opfer der weißen Kulturindustrie blenden (siehe dazu www.blackcommentator.com/331/331_art_mj_he_became_icn.html).

10. Juli 2009