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KULTUR/0911: Anpassungsbereit, ausbeutbar - Das Bild von Mensch und Tier im Film "Der Zoowärter" (SB)



Die Hollywood-Komödie "Der Zoowärter" mit Kevin James in der Hauptrolle wurde von den Filmkritiken nicht gerade mit Lob überhäuft. Zu dünn die Witze, zu klischeehaft die Story. Doch eben die Trivialität dieses cineastischen Produkts hat das darin propagierte Menschenbild vom anpassungsbereiten, mit seiner niederen Stellung in der Gesellschaft zufriedenen Subjekt deutlich hervorgebracht. Das ist sicherlich kein Alleinstellungsmerkmal dieses Films, die meisten auf kommerziellen Erfolg geeichten Hollywoodstreifen handeln von nichts anderem, doch beim "Zoowärter" wird dieses Bild auch noch den Tieren angedichtet. Eigene Interessen, die sich nicht mit der menschlichen Verwertungsabsicht in Einklang bringen lassen, sucht man vergebens.

Die Zootiere offenbaren dem stillen Helden des Alltags, der sich als Zoowärter rührend um sie kümmert und privat unter Liebeskummer leidet, daß sie die Menschensprache beherrschen. Sie geben ihm Tips, wie er seine Liebste, eine hellblonde Schönheit, die fünf Jahre zuvor seinen Heiratsantrag abgelehnt und die er nun im Zoo wiedergetroffen hat, für sich gewinnen kann. Die tierischen Ratschläge gehen meist ziemlich nach hinten los, was für die eine oder andere Situationskomik sorgt. Dennoch, der Zoowärter, der mehr aus seinem Leben machen will, wird erfolgreicher Autoverkäufer und schafft es, seine Angebetete von früher, die anscheinend mehrere (Einkommens-)Klassen über ihm steht, zu erobern. Das Leben mit ihr erweist sich als befremdlich, der Held kehrt zurück zu seiner früheren Arbeitsstelle und findet dort die eigentliche Liebe, die Tierärztin - sie wiederum ist eine brünette Schönheit -, mit der er seit Jahren harmonisch zusammengearbeitet hat.

Die Moral von der Geschicht': Zeitweilig eine Karriere anzustreben ist okay, aber dann sollte der Schuster wieder zu seinem Leisten zurückkehren, den ihm zugefallenen gesellschaftlichen Platz einnehmen und zufrieden seinen Job erledigen. Mit der bequemen, klischeebehafteten Sichtweise, daß die Bohémiens mit ihrem teuren Lebensstil sowieso nicht zu verstehen sind und sie deshalb getrost in Ruhe gelassen werden können - als seien Unter- und Oberschicht nicht Teil einer gemeinsamen, hierarchischen Ordnung -, kehrt der liebenswerte Zoowärter nach seinem kurzen Ausflug in höhere gesellschaftliche Kreise zu seiner früheren Arbeit, in der er - selbstverständlich! - gut ist, und zu einer wahren Liebe zurück.

So tickt der vergesellschaftete Mensch, so läßt er sich selbst in gesundheitlich ruinöse, bescheiden entlohnte Arbeiten pressen: Nach Glück, Nähe und Ruhe streben und die größte Erfüllung in der Bewältigung seines Jobs finden. Das Zusammengehen von Mann und Frau verspricht Nachwuchs. Die Reproduktion der Gesellschaft ist sichergestellt, die Fesseln bleiben, was sie sind, eine Rebellion findet nicht statt. Dem fügen sich auch die Tiere, was die Bezeichnung "vermenschlicht" treffend zum Ausdruck bringt. Sie sind gefangen und satt. Ihre kleinen Fluchten bestehen darin, daß sie sprechen können, dies aber den Menschen nicht verraten haben - erst gegenüber dem Zoowärter offenbaren sie sich -, sowie darin, daß sie heimlich nachts aus ihren Ställen, Käfigen und Gehegen gehen und sich versammeln. Am nächsten Morgen sind sie wieder eingesperrt. An einen grundsätzlichen Ausbruch denken sie offenbar nicht, sie scheinen zufrieden mit der Aufgabe, die für sie vorgesehen ist: Sich von den menschlichen Tieren begaffen zu lassen.

Weder Mensch noch Tier lassen die geringste Wildheit erkennen - gebändigte Kreaturen allesamt, von Kopf bis Fuß beherrschbar. Der 2011 erschienene Film des Regisseurs Frank Carluci endet in einer Szene, für die "friedlich" insofern bestens zutrifft, als daß die Bedeutung dieses Worts auf "einfrieden" zurückgeht, also auf eine Form der Gefangenschaft. Der Zoowärter und der Gorilla sitzen einträchtig nebeneinander auf einer Anhöhe und blicken über den Zoo. Der geläuterte Mensch und das gebändigte Tier sind zufrieden, keine Wünsche mehr offen. Sie haben ihren Platz im Leben gefunden. Der Zoowärter bewacht und versorgt weiterhin die gefangenen Tiere, der Gorilla muß nicht mehr wie zuvor auf eine nackte Felswand starren, sondern kann seinen Blick über das bunte Treiben im Zoo schweifen lassen. Tierschutz in Reinform. Weder Tier noch Mensch verspüren den geringsten Drang, aus ihrem Gefängnis auszubrechen. Sie funktionieren perfekt.

War der Roman "Farm der Tiere" (1945, George Orwell) ein Bekenntnis gegen Herrschaft (wenngleich die Allegorie in typisch westlicher Schulbuchinterpretation auf die Herrschaftsverhältnisse in der Sowjetunion reduziert wird), so propagiert der Film "Der Zoowärter" subtextual das genaue Gegenteil, die Unterwürfigkeit und damit den Fortbestand von Herrschaft.

12. Dezember 2011