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KRIEG/1378: US-Waffenlobby profitiert von Schießerei in Fort Hood (SB)



Die Schießerei in der texanischen US-Armeebasis Fort Hood wurde durch eine Polizistin beendet, die den Attentäter Major Nidal Malik Hasan stellte, als er einen bereits angeschossenen Soldaten verfolgte. Weil Sergeant Kimberly Munley offensiv und ohne Rücksicht auf die eigene Unversehrtheit auf Nidal losging, anstatt sich in Deckung zu halten und zu versuchen, ihn aus sicherer Entfernung an dem Blutbad zu hindern, geht sie aus dieser Tragödie als Heldin hervor. Munley wurde mit drei Kugeln angeschossen, bevor sie Nidal so schwer verletzte, daß dieser kampfunfähig war. Beide Kontrahenten waren gutausgebildete Schützen, was belegt, daß es besonderer Schulung bedarf, um in einer solchen Situation überhaupt bestehen zu können.

Paradoxerweise konnte Nidal an einem Ort 13 Menschen umbringen, an dem das erfolgreiche Führen von Kriegen im Mittelpunkt aller Maßnahmen und Planungen steht. Weil auf US-Militärstützpunkten das Tragen von Waffen durch Soldaten, die keinen Wachdienst verrichten oder als Militärpolizisten arbeiten, generell untersagt ist, hatte der Schütze leichtes Spiel. In einer öffentlichen urbanen Szenerie hingegen hätte er damit rechnen müssen, daß sich unter den von ihm angegriffenen Menschen Personen befänden, die eine Handfeuerwaffe bei sich trugen und sich gewehrt hätten.

Von daher profitieren auch von dieser Schießerei vor allem die Vertreter der Waffenlobby, die das Recht auf das Tragen einer Schußwaffe als wesentlichen Verfassungsgrundsatz verteidigt. Daß sich ausgerechnet Soldaten nicht gegen einen Attentäter verteidigen konnten und eine nicht dem Militär angehörende Polizistin in einem besonders mutigen Einsatz den angeblichen Amokläufer stoppte, ist Wasser auf die Mühlen eines bürgerlich-liberalen Selbstverständnisses, das privaten Waffenbesitz keineswegs nur aus Gründen der Selbstverteidigung, sondern auch als Ausdruck individueller Unabhängigkeit propagiert.

Die damit zum Ausdruck gebrachte Ablehnung starker Staatlichkeit ist jedoch in sich gebrochen, übt das Gros der Waffenlobby doch keineswegs Kritik an der immer weiter ausufernden Aufrüstung der Sicherheitsbehörden des Landes wie an der prinzipiellen Bereitschaft der Bundesregierung in Washington, den Anspruch der USA auf globale Führerschaft mit kriegerischen Mitteln in aller Welt durchzusetzen. Die antistaatliche Freiheitsrhetorik, mit der selbst US-Bürger gegen die Gesundheitsreform des US-Präsidenten Sturm laufen, die von ihr profitieren könnten, findet in der Befürwortung der nationalen Hochrüstung wie einer die Bürgerrechte massiv einschränkenden Repression keinerlei Widerhall.

Dementsprechend verteidigen die in der Waffenlobby National Rifle Association (NRA) organisierten und überwiegend republikanisch wählenden Waffenträger nichts anderes als die Interessen ihrer Klasse gegen die anwachsende Schar der armen und verelendeten, überproportional nichtweißen Minderheiten zugehörigen Verlierer. Es ist kein Zufall, daß der prototypische US-amerikanische Freiheitspathos von verfassungsmäßigen Bürgerrechten nur sehr selektiv Gebrauch macht und sein libertäres Credo auf die sozialdarwinistische Spitze einer marktfundamentalistischen Konkurrenzideologie treibt. Das damit zementierte Gewaltverhältnis spricht jeder egalitären Freiheit Hohn, indem diejenigen, die nicht mithalten können, ausgehungert, eingeknastet und umgebracht werden.

Gewaltausbrüche wie in Fort Hood haben sehr viel weniger mit Problemen der Erziehung und Gesinnung zu tun als behauptet. Sie sind Störfälle eines Systems, dessen Funktionstüchtigkeit darauf beruht, Millionen von Menschen unter permanenten Überlebensstreß zu setzen und die eigenen Raubinteressen in alle Welt zu projizieren. Um das konstitutive Gewaltverhältnis nicht beim Namen nennen zu müssen, produziert die US-Gesellschaft eine ihr eigene Mythologie. Während diejenige Gewaltanwendung, mit der das irreguläre Aufbegehren gegen die Herrschaft der größten Räuber unterdrückt wird, am Beispiel von Heldinnen wie Sergeant Munley zur Sternstunde individueller Größe gerät, sorgt ein gefallener Engel wie Lynndie England als Domina von Abu Ghraib dafür, daß die dunkle Seite gesellschaftlicher Gewaltproduktion auf der Seite der sozialen Verlierer verortet wird.

8. November 2009