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KRIEG/1461: Charmeoffensive der US-Militärs zur Einkreisung Chinas (SB)



Da die Vereinigten Staaten die Rohstoffe der ganzen Welt auf ihre Speisekarte gesetzt haben und die expansive Fortschreibung ihrer Führerschaft im Raubsystem für ihr natürliches Recht erachten, erklären sie folgerichtig ihre nationale Sicherheit für bedroht, wo immer sich ihnen Hindernisse in den Weg stellen. Das gilt auch für ihren aggressiven Umgang mit China, in dem sie den Gegner in der letzten Schlacht um die schwindenden Ressourcen verorten. Die Aufrüstung Taiwans, Seemanöver mit Südkorea, Patrouillen von Flugzeugträgerverbänden und U-Booten vor der chinesischen Küste, Spionageflüge und Satellitenüberwachung, Aufwertung des Dalai Lama und Bündnisse mit Ländern an der Peripherie der Volksrepublik sind aus ihrer Sicht geradezu gewohnheitsrechtliche Routinen zu deren Einkreisung, so daß sie auf Gegenmaßnahmen der Führung in Beijing, diesen Ring zu schwächen und zu durchbrechen, mit dem Brustton der Empörung und innovativen Zugriffsstrategien reagieren.

Wenngleich sich die Experten einig sind, daß China nie einem expansiven Entwurf gefolgt ist und dies auch künftig nicht beabsichtigt, beschwört die US-Propaganda eben dieses Bedrohungsszenario herauf. Beijing schlägt separatistische Bestrebungen in den Randbereichen seines Staatsgebiets aus dem Feld und interessiert sich sehr dafür, was in seinem unmittelbaren Umkreis geschieht. Daraus abzuleiten, die Chinesen folgten zeitversetzt demselben Ziel, langfristig eine unipolare Weltordnung unter eigener Führung durchzusetzen, entspringt der den eigenen Übermachtsphantasien entsprungenen Paranoia US-amerikanischer Provenienz.

Vor wenigen Tagen hat die chinesische Marine erstmals mit australischen Streitkräften ein gemeinsames Seemanöver im Gelben Meer durchgeführt, zu dem die Amerikaner nicht eingeladen waren. Dabei werde es bleiben, solange die USA Waffen an Taiwan verkaufen und ihre Spionagetätigkeit fortsetzen, hieß es in Führungskreisen der Seestreitkräfte Chinas. Im Pentagon wächst offenbar die Besorgnis, eine jüngere Generation chinesischer Offiziere sehe in den Vereinigten Staaten den Feind, den es früher oder später zu bekämpfen gelte. (New York Times 11.10.10)

Um dieses realistische Feindbild aufzubrechen oder aufzuweichen, streben die US-Militärs engere Beziehungen zur Volksbefreiungsarmee in der Hoffnung an, diese in ihrer Umarmung unter Kontrolle zu halten. Robert M. Gates traf am Rande des ersten gemeinsamen Gipfels der Verteidigungsminister des Asien-Pazifik-Raums in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi mit seinem chinesischen Amtskollegen General Liang Guanglie zusammen, um für eine direkte Kommunikation der beiderseitigen Streitkräfte zu werben.

Beijing hat die Zusammenarbeit in Reaktion auf die umfangreichen US-Waffenlieferungen an Taiwan abgebrochen, was Gates mit der absurden Behauptung zu konterkarieren suchte, es habe sich um eine Entscheidung der zivilen Führung in Washington, nicht aber um eine des Pentagon oder der Streitkräfte gehandelt. Er halte es für seltsam und lehne es ab, daß die militärische Zusammenarbeit von einer im Kern politischen Entscheidung als Geisel genommen werden solle.

Um Mißtrauen, Fehleinschätzungen und falsche Entscheidungen auf militärischem Gebiet auszuschließen, sei es notwendig, mehr voneinander zu wissen und einander besser zu verstehen, so die Botschaft des US-Verteidigungsministers beim offensichtlichen Versuch, die chinesische Militärführung über den Tisch zu ziehen. Gebe es Meinungsverschiedenheiten, müsse man um so mehr miteinander reden, fuhr Gates fort. Er sei schon lange der Auffassung, daß der Dialog der beiderseitigen Streitkräfte ungeachtet aller Pendelschläge der sonstigen Beziehungen zwischen beiden Ländern nachhaltig sein sollte.

Daß sich die Chinesen davon hinters Licht führen lassen, ist jedoch kaum anzunehmen, zumal Gates auf der Konferenz den uneingeschränkten Zugang zu allen Seewegen anmahnte, womit er die US-Flugzeugträger in Reichweite des chinesischen Festlands meinte. Die Forderung der USA, multilaterale Institutionen für Sicherheitsfragen in der Region zu schaffen, lehnte China jedenfalls kategorisch ab.

12. Oktober 2010