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KRIEG/1476: Trauerfeier für deutsche Soldaten - Keine Träne für die Afghanen (SB)



Als Verbündeter der Vereinigten Staaten, Mitglied der NATO und Entsender eines Truppenkontingents ist Deutschland am Besatzungsregime und dem seit zehn Jahren währenden Krieg in Afghanistan beteiligt. Zehntausende Afghanen sind in den Kämpfen getötet worden, Hunderttausende durch Armut und Hunger zu einem Leben im Elend und einem frühzeitigen Tod verdammt. Wollte man die Opfer des Krieges am Hindukusch beklagen, wäre dies an erster Stelle zu nennen. Davon war jedoch bei der Trauerfeier für die drei jüngst getöteten Bundeswehrsoldaten mit keinem Wort die Rede, ging es doch darum, die deutsche Kriegsbeteiligung zu bekräftigen und jede Anwandlung von Kriegsmüdigkeit in Durchhalteparolen zu verwandeln.

Während die Bürger gegen gewonnene Kriege in aller Regel nichts einzuwenden haben und sie in fundamentaler Verkennung ihrer eigenen Nichtigkeit in der Mühle der Verwertung als vermeintlichen Zugewinn verherrlichen, sieht es bei mühsamen, fruchtlos anmutenden oder gar gescheiterten Feldzügen ganz anders aus. Nichts scheint die Menschen mehr zu berühren, als ihre Angehörigen in Leichensäcken oder Särgen heimkehren zu sehen, weshalb die Regierenden und Kriegführenden durchaus fürchten müssen, daß steigende Opferzahlen in den Reihen der Bundeswehr eine Heimatfront der Kriegsgegner eröffnen.

Beim folgenschwersten Angriff auf die Bundeswehr seit einem Jahr wurden in der Provinz Baghlan drei Soldaten der vierten Kompanie des Panzergrenadierbataillons 112 getötet, womit die deutsche Opferzahl des gesamten Afghanistaneinsatzes auf 48 stieg. Um so schwerer wog, daß es sich bei dem einzigen Angreifer um einen vermeintlich verbündeten Soldaten der afghanischen Nationalarmee handelte, der plötzlich das Feuer eröffnete. Um möglichen Zweifeln, Einwänden oder gar Widerständen hinsichtlich der deutschen Kriegsbeteiligung das Wasser abzugraben, marschierte die Politik bei der Zeremonie im niederbayerischen Regen in voller Mannschaftsstärke auf: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), SPD-Chef Sigmar Gabriel sowie die Ministerpräsidenten von Bayern und Baden-Württemberg, Horst Seehofer (CSU) und Stefan Mappus (CDU), allen voran natürlich Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg.

Dieser demonstrierte einmal mehr, was ihn so unentbehrlich macht, daß selbst Skandale seinen Ministersessel allenfalls wackeln lassen. "Sie waren in Afghanistan, im Krieg, um dort den Frieden zu sichern, den Aufbau voranzubringen und zu helfen", griff der Baron und ehemals promovierte Jurist sicherheitshalber auf die alte Propagandaformel zurück, da es auf einer Trauerfeier womöglich als unschicklich empfunden worden wäre, über Ressourcen, Nachschubwege und deutsche Wirtschaftsinteressen zu sprechen. "Wir alle verneigen uns in Dankbarkeit und Anerkennung", blieb er vor mehr als 600 Menschen in der Stadtpfarrkirche St. Michael und rund 1500 weiteren, welche die Feier auf dem Stadtplatz auf einer Videowand verfolgten, auf der sicheren Seite opportuner Betroffenheitsadressen. [1]

"Sie wollten helfen, den Menschen in Afghanistan den Weg in eine bessere Zukunft zu bereiten. Verloren haben sie dabei ihre eigene Zukunft", sagte Guttenberg, der sich selbst 24 Stunden vor dem tödlichen Anschlag noch in jenem Lager aufgehalten und bei den Soldaten übernachtet hatte. Mit soviel Frontnähe konnte noch kein Verteidigungsminister der jüngeren Vergangenheit aufwarten, was ihn bei der Truppe beliebt und in Verbindung mit seiner Medienpräsenz im Ministeramt nahezu unentbehrlich macht.

Den naheliegenden Verdacht, daß auf die afghanischen Sicherheitskräfte kein Verlaß ist und aus deren Reihen womöglich die tödlichste Gefahr für die zumeist verschanzten deutschen Truppen erwächst, versuchte der Minister nach Kräften aus dem Feld zu schlagen: Wie er betonte, dürfe man dem Attentäter "nicht nachträglich zum grauenvollen Triumph" verhelfen. "Wer im Einsatz in Afghanistan bestehen will, der muss Vertrauen haben, auch Vertrauen in die verbündeten Streitkräfte."

Mit dem sogenannten Partnering, das seit Herbst 2010 eine Kooperation mit der afghanischen Armee vorsieht, steht und fällt das Ziel, den Afghanistaneinsatz bis 2014 halbwegs geordnet zu beenden. Mißlingt der Übertrag auf einheimische Sicherheitskräfte, muß man den Krieg am Hindukusch endgültig als verloren verbuchen. Nach den Vorstellungen der Besatzungsmächte soll die afghanische Armee in drei Jahren selbst für die Sicherheit im Land sorgen. Der Ansatz, die Ausbildung der afghanischen Soldaten zu verbessern und das Vertrauen der Bevölkerung in einheimische Streitkräfte zu erhöhen, darf daher nicht scheitern - weder bei der bislang kaum absehbaren Umsetzung in Afghanistan, noch der nicht minder essentiellen Rezeption an der Heimatfront, wo man die Bürger mit Perspektiven bei der Stange der Kriegsbeteiligung halten muß.

Der katholische Militärdekan Reinhold Bartmann verurteilte in seiner Predigt den "bewußten Mordanschlag", um den lauteren Einsatz der Bundeswehr mit dem verwerflichen Verbrechen bewaffneten Widerstands zu kontrastieren. "Nichts erscheint so sinnlos wie diese Tat", sprach Guttenberg in seiner Trauerrede dem Angreifer alle nachvollziehbaren Motive ab, als hätte ein Afghane nicht tausend Gründe, sich gegen die verhaßten Besatzer zu wenden. [2]

"Das ist Krieg", verkündete der Langdorfer Bürgermeister Otto Probst, der selbst seit 34 Jahren Berufssoldat ist und nun das erste deutsche Opfer in seiner Gemeinde zu beklagen hat. Am Kriegerdenkmal muß man erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wieder einen Namen einmeißeln, das soll am Volkstrauertrag geschehen. Unter diesen Umständen findet der Bürgermeister die aktuelle Kontroverse um Guttenbergs aberkannten Doktortitel als "geradezu unverschämt". "Lasst ihn endlich in Ruhe seine Arbeit tun", fordert Probst, "das hier ist viel wichtiger." [3] Das hätte der Minister selbst nicht besser sagen können.

Anmerkungen:

[1] http://www.welt.de/print/die_welt/politik/article12647981/Wir-alle-verneigen-uns-in-Dankbarkeit-und-Anerkennung.html

[2] http://www.fr-online.de/politik/trauerfeier-fuer-getoetete-soldaten/-/1472596/7409932/-/index.html

[3] http://www.focus.de/politik/deutschland/verteidigung-trauerfeier-fuer-getoetete-bundeswehrsoldaten_aid_603311.html

26. Februar 2011