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KRIEG/1574: Heimatschutz - Aufrüstung gegen die Bevölkerung (SB)




Auch wenn es sich nicht so anhört ... der Begriff des Heimatschutzes ist ein Import aus den USA. Nicht alle US-Politiker hielten die Benennung des neuen Ministeriums, in dem 2002 die Aufgaben zahlreicher bislang eigenständig agierender Sicherheitsbehörden und Regierungsagenturen gebündelt wurden, für eine glückliche Wahl. Bei der Einrichtung des Department of Homeland Security kurz nach den Anschlägen des 11. September 2001 wurde selbst im Lager des damaligen US-Präsidenten George W. Bush moniert, daß es sich um einen unamerikanischen Terminus handle. Dieses Unbehagen resultierte vor allem daraus, daß der spezifische Klang des Begriffs maßgeblich durch die Apartheidspolitik Südafrikas geprägt war. Die weiße Regierung des Landes versuchte, die schwarze Bevölkerung in sogenannte Homelands, künstliche Gebilde von bestenfalls symbolischer Souveränität, abzuschieben, um so die Früchte ihres kolonialistischen Vermächtnisses zu schützen.

Mit der Zentralisation aller auf Bundesebene mit der inneren Sicherheit befaßten Organe zu einer Superbehörde, die mit über 200.000 Mitarbeitern und einem Budget von fast 100 Milliarden im Jahr 2011 nach dem Pentagon und dem Amt für Veteranen das drittgrößte Ministerium der US-Regierung bildet, wurden Potentiale der Repression erschlossen, die von beispielloser Art für die staatliche Entwicklung der USA sind. Das Konzept des Heimtatschutzes war unter dem Vorwand der Terrorismusabwehr von Anfang an auf die Kontrolle der eigenen Bevölkerung gerichtet. Das Homeland sollte nicht nur vor äußeren, unter dem Schlagwort des "islamistischen Terrorismus" firmierenden Feinden geschützt werden, sondern vor allem gegen den demokratischen Dissens nicht mit der eklatanten Ermächtigung der Exekutive nach 9/11 einverstandener Bürger.

Dies zeigte sich etwa bei den Demonstrationen im Vorfeld des Irakkriegs, wo zahlreiche Menschen nach Maßgabe des Heimatschutzministeriums verhaftet wurden, nur weil sie T-Shirts mit so harmlosen Parolen wie "Give Peace A Chance" trugen. Das neue Sicherheitsregime führte dazu, daß kritische Akademiker bespitzelt, die Betreiber von Web-Sites mit regierungskritischen Inhalten drangsaliert und Migranten in bei der Einreise in Administrativhaft genommen wurden. Die unter dem Straftatbestand des domestic terrorism erweiterten Zugriffskompetenzen der Sicherheitsbehörden nahmen bisweilen kafkaeske Gestalt an und führten zuletzt bei den Demonstrationen gegen den NATO-Gipfel in Chicago zur Anwendung des Terrorismusvorwurfs gegen harmlose Aktivisten.

Von besonderem Belang in Anbetracht der aktuellen Ernteausfälle in den USA ist die noch unter der Bush-Regierung geplante Zusammenarbeit des Heimatschutzministeriums mit mehreren Regierungsbehörden, die mit der Sicherstellung der Ernährung der Bevölkerung befaßt sind. Genannt wurden 2003 das Landwirtschaftsministerium, das unter anderem für das System der Lebensmittelmarken im Rahmen der Sozialhilfe zuständig ist, die Lebensmittel- und Drogenbehörde, der die Kontrolle von Agrarprodukten und die Zulassung von Medikamenten untersteht, das Zentrum für Seuchenbekämpfung und -Prävention, das Handelsministerium, die Zollbehörden und das Umweltschutzministerium.

Ganz so weit wie damals geplant ist es nicht gekommen, doch das im Namen der Nahrungsmittelsicherheit vorangetriebene Projekt, Belange der Ernährung sicherheitspolitisch zu regulieren, wurde in dem Anfang 2011 verabschiedeten Gesetz zur Modernisierung der Nahrungsmittelsicherheit zumindest teilweise verwirklicht. Es sieht vor, die Produzenten von Nahrungsmitteln im Rahmen der Terrorismusabwehr oder von Notstandssituationen in Zusammenarbeit mit dem Heimatschutzministerium stärker zu beaufsichtigen und zu sanktionieren [1]. Das ist ein Beleg mehr dafür, daß homeland security ein sehr weit gefaßtes Konzept ist, das auch die biopolitische Kontrolle der Bevölkerung zum Zweck der Herrschaftsicherung vorsieht.

Die Einrichtung sogenannter Regionaler Sicherungs- und Unterstützungskräfte (RSUKr) der Bundeswehr in der Bundesrepublik erfolgt ebenfalls unter dem Titel des Heimatschutzes. Auch hier gab es Vorstöße, die weiter reichten als das, was bislang durchgesetzt werden konnte, wie das Heimatschutzkonzept der der Unionsparteien des Jahres 2004 belegt. Was mit der Indienststellung der ersten Kompanie der RSUKr unter Anwesenheit des Verteidigungsministers Thomas de Maizière am 15. Juni in Bremen [2] seinen Lauf nahm, zeigt jedoch, daß man bei der Ausweitung des Auftrags der Streitkräfte zur Kontrolle der eigenen Bevölkerung nicht säumig ist. So werden als Beispiele für den Einsatz der aus Reservisten rekrutierten RSUKr die Münchner Sicherheitskonferenz [3] oder NATO-Gipfel [4] genannt.

Eine weitere bislang zivilen Behörden übertragene Aufgabe des militärischen Heimatschutzes ist der Schutz kritischer Infrastrukturen. Dafür soll die RSUKr immer dann zuständig sein, "wenn nur sie über die erforderlichen Fähigkeiten verfügt oder wenn der Schutz der Bürgerinnen und Bürger sowie kritischer Infrastruktur nur durch Kräfte der Bundeswehr gewährleistet werden kann." Um die Alternativlosigkeit des postulierten Sachzwang zu untermauern, wird in der im Februar 2012 in Kraft getretenen neuen Konzeption der Reserve (KdR) des Verteidigungsministeriums angemerkt, daß die "Zusammenarbeit der Bundeswehr mit zivilen Kräften und Partnern (...) den Einsatz von Angehörigen der Reserve in größerem Umfang bereits im Frieden erfordern" [5] könne.

Es bedarf also nicht erst der vom ehemaligen Bundesinnnenminister Wolfgang Schäuble vorgeschlagenen Ergänzung des Artikels 87a, Absatz 2 des Grundgesetzes, der den Einsatz der Streitkräfte auf den Verteidigungsfall begrenzt, um den Passus, daß dies auch "zur unmittelbaren Abwehr eines sonstigen Angriffs auf die Grundlagen des Gemeinwesens" [6] möglich sein solle. Schritt für Schritt wird die Militarisierung der Repression im Rahmen der zivil-militärischen Zusammenarbeit und mit Hilfe des seit Jahren propagierten Arguments, man könne in Anbetracht der umfassenden terroristischen Bedrohungen nicht mehr zwischen äußerer und innerer Sicherheit unterscheiden, vorangetrieben. Das Konzept des Heimatschutzes vernebelt eine Aufrüstung der Staatsgewalt, die seit jeher als Bedrohung der Demokratie gilt und die in Anbetracht sich verschärfender sozialer Probleme als Vorkehrung zur Aufstandsbekämpfung auf angemessene Weise beschrieben ist. Für den Kriegsfall wird dies ganz offen ausgesprochen, denn dann soll die RSUKr die "Durchhaltefähigkeit" [4] der Streitkräfte erhöhen, sprich der Armee auf dem weltweiten Gefechtsfeld an der Heimatfront den Rücken freihalten.

Fußnoten:

[1] http://www.examiner.com/article/a-discussion-the-food-safety-modernization-act-part-1

[2] http://www.bmvg.de/portal/a/bmvg/!ut/p/c4/NYuxDsIwDET_yE4kkCo2qgywMhTKlrZRZFQnlXHKwseTDNxJb7inwyfWJr9T9Eo5-RUfOM50mj4w8R7hlYvUFZgSvTUIFcZ7-ywB5pyCNmpISpVRvGaBLYuuzRSRaoAWHI11vbHmH_vtBndxQ3c4umt_w435_APPHUDY/

[3] https://www.reservistenverband.de/custom/download/Downloads_2012/120618_FragenUndAntworten_zu_RSUKr-Engagement_Streitkraeftebasis.pdf

[4] http://www.reservisten-aschaffenburg.de/index.php?imenu=fkt&mpkt=showevent&usePathIdx=0&changeDir=/berichte/2012&changeDocID=doc_bb5831cbe379f01b9e52372ed90b1e2d001

[5] http://www.bundeswehr.de/resource/resource/MzEzNTM4MmUzMzMyMmUzMTM1MzMyZTM2MzIzMDMwMzAzMDMwMzAzMDY3NzkzNDM4NmI2NTc3N2EyMDIwMjAyMDIw/2012_02_01_KdR_mit_Anlagen.pdf

[6] http://www.friedenskooperative.de/ff/ff07/1-50.htm

13. August 2012