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KRIEG/1594: Deutsche Rohstoffallianz rührt die Trommel des Ressourcenkriegs (SB)




Zugriff auf Rohstoffe zu erlangen, gehörte zu den zentralen deutschen Kriegszielen im Ersten Weltkrieg. Die von einflußreichen Wirtschaftskreisen unterstützten Pläne Hitlers, "Lebensraum im Osten" zu erobern, verfolgten dasselbe strategische Ziel. Wenngleich die der kapitalistischen Verwertung inhärente Notwendigkeit imperialistischer Expansion eine breite Palette innovativer Verfügungsformen in Stellung bringt und sich nicht allein auf die Sicherung benötigter Ressourcen beschränkt, bleibt diese doch ein unablässig treibendes Moment weltweiter Konkurrenz. Wie eng ökonomische Zielsetzungen und deren militärische Realisierung verzahnt sind, unterstrichen die Mitte der neunziger Jahre formulierten Verteidigungspolitischen Richtlinien, die die "Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des Zugangs zu strategischen Rohstoffen" als zentrale Aufgaben der Bundeswehr ausweisen. Deren Umgestaltung von einer territorialen Verteidigungsarmee in eine internationale Eingreiftruppe folgte dieser Doktrin.

Das historische Erbe der verlorenen Weltkriege samt dem Gründungsschwur der Bundesrepublik, daß nie wieder Krieg von deutschem Boden ausgehen dürfe, erforderte für eine gewisse Frist die Verschleierung aktueller Kriegsziele. Die Bundeswehr führte keine Angriffskriege, sondern war auf dem Balkan, in Afghanistan und in anderen Weltregionen aus humanitären Gründen oder im sogenannten Antiterrorkampf im Einsatz. Worüber Bundespräsident Horst Köhler noch stolperte und wofür sich Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg in die stolzgeschwellte Heldenbrust warf, legt Nachfolger Thomas de Maizière in der ihm eigenen technokratischen Nüchternheit als ein unumstößliches Faktum dar: Um direkte Militärinterventionen künftig zu vermitteln, müsse die Art der Begründung geändert werden: "Internationale Einsätze müssen realistisch erklärt sein, und die Begründungen dürfen nicht zu pathetisch vorgetragen werden." [1] Es ist nicht länger verpönt, den Ressourcenkrieg beim Namen zu nennen, zieht de Maizière einen Schlußstrich unter die Verabreichung bellizistischer Motivlagen in kleinen Dosen.

Was deutsche Politik bahnt und die Militärs zügig umsetzen, versehen heimische Wirtschaftseliten mit ideologischem Flankenschutz. Am 18. April 2012 wurde die Rohstoffallianz als privatrechtlich organisierter Zusammenschluß führender Unternehmen aus Auto-, Chemie- und Schwerindustrie mit dem Ziel gegründet, die Versorgung der deutschen Wirtschaft mit Rohstoffen sicherzustellen. Zweck der Gesellschaft ist laut Eintragung ins Handelsregister "Die Sicherung der Versorgung der Gesellschafter mit kritischen Rohstoffen unter enger Einbindung der Rohstoffpolitik der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere durch Entwicklung von und Beteiligung an Explorationsprojekten sowie durch weitere Maßnahmen, die den präferierten Zugang der Gesellschafter zu kritischen Rohstoffen fördern." [2]

Zu den Gründungsmitgliedern gehören unter anderem Bayer, BASF, Bosch und ThyssenKrupp, Geschäftsführer des Unternehmens ist Dierk Paskert, ein ehemaliger Manager bei E.ON. Die Rohstoffallianz verfügt über enge Beziehungen zur Bundesregierung, die sie nicht nur als Lobbyverband der Industrie berät. Im Auftrag von Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler verwaltet sie auch ein Förderprogramm, das Firmen bedingt rückzahlbare Darlehen für die weltweite Erschließung kritischer Rohstoffe gewährt.

Im Sommer 2012 ließ Paskert keinen Zweifel daran, wo die Rohstoffallianz ihren Feind verortet: "Wenn wir bedenken, dass China bei fast allen Rohstoffen schon 40 Prozent verbraucht und deren Bedarf weiter drastisch zunimmt, wird mir auf mittlere Sicht unwohl. China ist ein riesiger Staubsauger, den es so früher schlicht nicht gab. Wir sollten uns jetzt über die Versorgungssicherheit für die deutsche Industrie Gedanken machen."

Nun hat der Geschäftsführer der Rohstoffallianz nachgelegt und in einem Interview mit dem Handelsblatt "eine strategisch ausgerichtete Außenwirtschafts- und Sicherheitspolitik" gefordert, um die Versorgung der deutschen Wirtschaft mit Rohstoffen zu gewährleisten. "Der Wettbewerb hat deutlich zugenommen. Wir täten deshalb gut daran, die Kräfte in Europa zu bündeln und zusammenzuarbeiten." Werde die Ressourcenversorgung nicht langfristig gewährleistet, sei der Industriestandort Deutschland in Gefahr. Viele Rohstoffe wie Seltene Erden, Grafit und Wolfram seien unverzichtbar für die industrielle Wertschöpfung und gerade in dieser Hinsicht gebe es "ausgeprägte Versorgungsrisiken".

"Das Ziel freier und transparenter Rohstoffmärkte muss uns zwar lenken, es wäre aber naiv, dies in naher Zukunft als gegeben anzunehmen", leitet Paskert bruchlos zur Intervention über. "Deshalb werden wir gemeinsam mit unseren Partnern in der EU und Nato noch mehr Verantwortung in Außenwirtschafts- und Sicherheitsfragen übernehmen müssen, um langfristig dieses Ziel zu erreichen." Länder wie Japan und Südkorea betrachteten ihre Rohstoffversorgung schon lange als nationale Aufgaben und hätten dafür eigene Institutionen und strategische Lager aufgebaut. "Ein solch konsequenter Ansatz fehlt bei uns, ist aber sicherlich auch nicht eins zu eins zu kopieren", so der Chef der Rohstoffallianz. Die Versorgung habe geopolitische Bedeutung: "Die Präsenz des US-Militärs am Persischen Golf oder der massive Ausbau der chinesischen Seestreitkräfte dient eben auch dem Schutz dieser Interessen", winkt Paskert mit dem Zaunpfahl. [3]

Die direkte Frage des Handelsblatts, ob man Kriege um Rohstoffe erleben werde, bejaht er unter Verweis auf historische Vorbilder. Das Handelsblatt selbst schreibt in einem Leitartikel zu dem Interview mit Paskert, die deutsche Industrie wünsche sich "mehr staatliches und militärisches Engagement bei der Rohstoffsicherung". In der Bundesregierung heiße es dazu, "die Sicherung von Rohstoffen sei ein 'strategisches Thema' für die deutsche Außenpolitik". Man stelle sich darauf ein, "dass die bestehenden Rohstoffpartnerschaften nicht ausreichen. Es müssten 'sicherheitspolitische und militärische Instrumente' dazukommen." Das Bundeskanzleramt will demnach einen Koordinator ernennen, der "die Interessen der strategischen Industrien sowie der Wehr- und Sicherheitstechnik besser verzahnen und so zur Sicherung der Rohstoffversorgung beitragen" soll. Bevor man im Falle einer Krise gezwungen werde, eigene Truppen zu entsenden, sollen präventiv strategische Partner wie Saudi-Arabien mit Waffentechnik unterstützt werden. Zudem solle die Bundeswehr "stärker auf ihre neue Rolle als Wahrer strategischer Interessen getrimmt" werden.

Deutscher Lebensstandard müsse notfalls mit Waffengewalt sichergestellt werden, lautet das in den Rang der Selbstverständlichkeit erhobene Credo. Regierungspolitik, Bundeswehr und Wirtschaft marschieren im Gleichschritt in neue Ressourcenschlachten, als sei die einzige Lektion zweier verlorener Weltkriege, daß man trotz alledem doch wieder viel zu gut dastehe, um sich nicht auch am dritten großen Krieg nach Kräften zu beteiligen.

Fußnoten:

[1] http://www.wsws.org/de/articles/2013/feb2013/rohs-f19.shtml

[2] http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/weltmarkt-industrie-gruendet-rohstoffallianz/6549100.html

[3] http://wirtschaft.t-online.de/rohstoffe-industrie-verlangt-strategisch-ausgerichtete-aussenpolitik/id_62210842/index

19. Februar 2013