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STELLUNGNAHME/006: Die Dekadenz der Wirtschaftsliberalen (NaturFreunde Deutschlands)


Bundesvorstandes der NaturFreunde Deutschlands - Pressemitteilung vom 12. Februar 2010

Die Dekadenz der Wirtschaftsliberalen


Berlin, 12. Februar 2010 - Zu den Äußerungen des FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle erklärt der Bundesvorstand der NaturFreunde Deutschlands:

Die eigentlichen Fundis unserer Zeit sind in der FDP zu finden. Der Vorsitzende der Liberalen Guido Westerwelle hat das wieder einmal erschreckend klar gemacht. Um den Sozialstaat, der in Deutschland Verfassungsrang hat, zu beerdigen, überzieht er die Hartz-IV-Empfänger mit einer beispiellosen, aber historisch völlig verfehlten Diffamierung. Sie hätten eine Mentalität der spätrömischen Dekadenz. Aha, sie gehen also zu Lidl, um Champagner zu kaufen, sie meiden die Frittenbude, weil es dort keinen Kaviar gibt, sie stellen ihre S-Klasse vor der Villa in Dahlem ab. In welcher Realität lebt der selbst ernannte Führer einer geistigen Wende? In unserer jedenfalls nicht.

Zweifellos gibt es bei Hartz IV Fehlentwicklungen, über die man vernünftig reden kann. Zweifellos ist auch richtig, dass der Sozialstaat immer stärker von einer vergleichsweise kleinen Mittelschicht finanziert wird. Doch das hat Ursachen, an denen die FDP, die wie keine andere Partei den Marktradikalismus predigt, ein großes Maß an Mitschuld hat. Diese Ideologie hat systematisch die soziale Marktwirtschaft ausgehebelt und die Lasten umverteilt.

Es darf kein In-Frage-Stellen des Sozialstaates geben. Dass die Empfänger von Hartz IV dekadent sein sollen, ist ein schmieriger und perfider Angriff auf die sozial Schwächsten und leider typisch für die so genannten Liberalen, die heute in Regierungsämtern sind. Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Gerade nach der Finanzmarktkrise müssen in erster Linie die Finanzgier der Geldhändler oder die kriminellen Machenschaften der Steuerhinterzieher kritisiert werden. Sie sind der massivste Angriff auf das Leistungsprinzip und den Zusammenhalt der Gesellschaft. Dass die FDP dazu schweigt, zeigt, wes Geistes Kind sie ist.

Jeder verlorene Prozentpunkt in den Meinungsumfragen löst bei den schneidigen Liberalen nicht etwa Nachdenklichkeit aus, sondern ein "Jetzt erst recht!" Man versteht sich ja als Elite, die den Menschen sagen muss, was richtig sei. Noch nie wurde so viel bornierte Ideologie als pragmatische Politik ausgegeben, doch glücklicherweise durchschauen die Menschen zunehmend, was dieser Pseudoliberalismus anrichtet.

Die Liberalen würden Profil gewinnen, wenn sie das sinkende Lohnniveau der Arbeitnehmer, die maßlosen Bereicherungsorgien von Managern oder auch die Habgier durch Arbeitsplatzabbau aufs Korn nehmen würden. Das kommt, wenn auch folgenlos, manchmal noch von Vertretern der Union, beim Regierungspartner FDP ist diese Kritik ein Schwarzes Loch. Sie ist und bleibt in erster Linie die Klientelpartei des Egoismus und der Besserverdienenden.

Das Römische Reich ist nicht an der Gier der Unterschicht kaputt gegangen, sondern an machtpolitischer Überdehnung, hohen Militärkosten und der Dekadenz einer korrumpierten, machtsüchtigen und verkommenen Elite, die das Imperium unter sich aufgeteilt hatte, nur um sich zu bereichern. Dies auf die Hartz-IV-Empfänger zu übertragen, ist nicht nur geschichtslos, sondern ein dreister Versuch, populistische Vorurteile zu schüren. Scheinbar ist im Kopf von Westerwelle viel Möllemann, der den Liberalen eine Ausrichtung nach dem Vorbild des österreichischen Rechtspopulisten Jörg Haider empfahl.

Wenn es in Deutschland Dekadenz gibt, dann ist das in erster Linie die Dekadenz selbstgerechter und schamloser Politiker à la Westerwelle, Rösler oder Niebel - die Dekadenz einer neuen Bourgeoisie, die nur den Vorteil sieht, nicht aber das Gemeinwohl und die Verantwortung für eine gute und gerechte Gesellschaft.

Wir NaturFreunde wissen, dass unser Land mehr Liberalität und starkes republikanisches Bewusstsein braucht. Sie haben eine hohe Bedeutung, um geistige Offenheit zu erreichen. Sie sind von der FDP, dem Wunschpartner von Frau Merkel, aber nicht zu erwarten. Deshalb muss die Bundeskanzlerin Farbe bekennen, was sie nach gerade einmal 110 Tagen von diesem Koalitionspartner noch hält. Auch Farbe bekennen sollten übrigens alle die, die im letzten Jahr Schwarz-Gelb so hochgejubelt haben.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 12. Februar 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Februar 2010