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STELLUNGNAHME/032: Den Schlächtern dienen (BAK AuF)


Bundesarbeitskreis Antimilitarismus und Frieden (BAK AuF)

Den Schlächtern dienen

26. Januar 2012


Aus aktuellem Anlass hat der Bundesarbeitskreis Antimilitarismus und Frieden (BAK AuF) von Linksjugend ['solid] und DieLinke.SDS zur Debatte über den Aufruf "Kriegsvorbereitungen stoppen! Embargos beenden! Solidarität mit den Völkern Irans und Syriens!" eine Stellungnahme formuliert.

An die Macht und in den Krieg auf dem Rücken der syrischen und iranischen Bevölkerung

Erklärung des Bundesarbeitskreises Antimilitarismus und Frieden (BAK AuF)


Als Karl Liebknecht 1914 dem deutschen Kaiser und den Kriegskrediten seine Stimme verweigerte, war er der einzige Abgeordnete, der dies im damaligen Reichstag tat. Bereits vorher hatten sich die sozialdemokratischen PatriotInnen offen gezeigt: Nationale Reden signalisierten Unterstützung im "Verteidigungsfalle", Bebel stimmte der Kostendeckung der Heeresvorlage zu und die Meinung linker antimilitaristischer KritikerInnen wurde öffentlich als "Einzelmeinung" von der Parteiführung diffamiert. Schon damals verbreiteten die deutschen Eliten die Mär vom "Verteidigungskrieg". Von heute aus betrachtet, hätten sie ergänzen müssen: "zum Schutz des russischen Volkes". Das hätte den kriegswilligen SozialdemokratInnen vielleicht den Verrat am eigenen Programm und das Überlaufen noch erleichtert. Liebknechts eigene (sozialdemokratische) Fraktion hatte den nationalen Pakt mit der herrschenden Klasse einer klassenkämpferischen Position gegen den Krieg und die UnterdrückerInnen im eigenen Land vorgezogen und war schließlich, berauscht von der Anerkennung durch den einstigen Klassenfeind, in den Krieg gezogen. An die "Sicherheit" Deutschlands oder an die Solidarität mit dem angegriffenen Schlächter im russischen St. Petersburg (Petrograd) verschwendete Liebknecht hingegen zurecht keinen Gedanken. Warum auch? Schließlich sollten die deutschen und die russischen ArbeiterInnen Seite an Seite gegen ihre herrschenden Klassen kämpfen. Ein Krieg verschlechterte die Kampfbedingungen aber grundlegend.

Nun hat jede Analogie ihre Grenzen. Wir gehen nicht davon aus, dass ein Angriff der NATO auf den Iran und/oder Syrien einen Weltkrieg auslöst. Ein Flächenbrand wäre aber unvermeidlich.

Um diesen Punkt geht es aber in der Debatte um die Antikriegsposition einiger linker Bundestagsabgeordneter auch gar nicht. Die derzeitige Hexenjagd auf Dieter Dehm, Ulla Jelpke, Sevim Dagdelen, Heike Hänsel, Annette Groth und Eva Bulling-Schröter wegen ihrer Unterschrift unter den Aufruf "Kriegsvorbereitungen stoppen! Embargos beenden! Solidarität mit den Völkern Irans und Syriens!" hat andere Gründe. In einer Zeit der ideologischen und militärischen Mobilmachung für mögliche Angriffskriege á la Irak (Iran) und Libyen (Syrien) ist es nur unterstützenwert, dass Bundestagsabgeordnete der LINKEN sich öffentlich für den Frieden und eine friedliche Beilegung zweier internationaler Konflikte - und damit gegen die imperialistische und kriegsvorbereitende Interessenpolitik Deutschlands und der anderen NATO-Staaten - aussprechen. Sie nehmen das jüngst verabschiedete Parteiprogramm der LINKEN in diesem Punkt ernst und setzen es praktisch um. Das gemeinsame Sperrfeuer der bürgerlichen Medien, des BAK "Shalom" und einiger sozialdemokratischer LINKEN-Funktionäre gegen die sechs ist die konsequente Folge unterschiedlicher Interessen. Die einen kämpfen mit dem Rücken zur Wand gegen den Krieg, die anderen dienen sich den SchlächterInnen der Feldzüge im Irak, in Pakistan und Afghanistan oder des Gazakriegs an und liefern ihnen die gewünschten Stichworte, um Propaganda gegen KriegsgegnerInnen zu machen. Bei möglichen Unzulänglichkeiten und der Kürze des Aufrufes: Anlass, sich als Linke/r gegen ihn zu positionieren, hat er inhaltlich nicht geboten.

Wer sich in der momentanen Situation nicht solidarisch mit den GenossInnen zeigt, die den Aufruf unterschrieben haben und sie nicht vor Angriffen in Schutz nimmt, macht sich gemein mit den bürgerlichen Medien und den regierenden Parteien, die sich trotz ihrer Verstrickung in internationalen Waffenhandel, Ölgeschäfte mit Diktatoren und ihrer Ignoranz gegenüber schwersten Menschenrechtsverletzungen durch "verbündete" Diktaturen erdreisten, auf aufrechte AntimilitaristInnen einzuschlagen. Weshalb tragen Abgeordnete aus der eigenen Fraktion wie Jan Korte und Dagmar Enkelmann eine Kampagne gegen den Aufruf, dessen Inhalt bewusst verkürzt wiedergegeben wird, mit, anstatt sich hinter ihre GenossInnen zu stellen und sich klar gegen Angriffskriege gegen Syrien und den Iran zu positionieren?

In der LINKEN darf man den Krieg gegen Afghanistan ablehnen, in Teilen der Partei den Krieg gegen den Iran aber offensichtlich nicht. Wer sich als Koalitionär bewähren und im Lager der Grünen- und SPD-WählerInnen fischen will, kann sich dies auch nicht erlauben. Das Großreinemachen in den eigenen Reihen beginnt selbstverständlich mit denjenigen, die den Weg der Aufweichung linker Positionen nicht mitgehen wollen. Das Papier, auf dem das Parteiprogramm niedergeschrieben wurde, ist unterdessen bis zur Regierungsbeteiligung geduldig. Entscheidend ist die reale Politik. Bei den Grünen war man schließlich auch pazifistisch bis zum Kosovokrieg.

Dass ein möglicher Krieg gegen den Iran von der NATO vorbereitet wird, haben wir und andere bereits vor Wochen detailliert dargelegt. Dass auch Israel sich daran beteiligt, haben die Mainstream-Medien mehrfach gemeldet. An beidem besteht kein Zweifel. Anders als Korte und Co stehen die US-amerikanischen und israelischen Eliten auch offen zu ihrer "Rote-Linien"-Politik. Ihre Motive sind hinlänglich bekannt und können in den NATO-Papieren nachgelesen werden: Verfügung über ökonomische Ressourcen wie Öl und Gas, die Kontrolle einer geostrategisch bedeutsamen Region, die Entfernung des letzten ernstzunehmenden machtpolitischen Widersachers im Nahen Osten usw.

Die sozialdemokratischen LINKEN lösen ihr Ticket für eine Regierungsbeteiligung und für ihre Akzeptanz bei den deutschen Eliten, indem sie de facto der herrschenden Klasse des Westens für die nächsten Schritte auf dem Weg in einen neuen Krieg Rückendeckung aus der LINKEN geben. Für jene sind die Schandtaten der Assads, Husseins, Mubaraks, Schahs, Könige usw. vollkommen belanglos, solange sie ihr nutzen. Die Leidtragenden von Sanktionen und Kriegspolitik sind erwiesenermaßen eben nicht die Diktatoren, sondern die Bevölkerungen und die Kampffähigkeit linker und progressiver Kräfte in den jeweiligen Staaten.

Kriege und die imperialistische Politik der Embargos, Sanktionen usw. helfen niemandem außer den herrschenden Klassen in den USA, Deutschland, Frankreich, Israel usw. Sie sorgen für humanitäre Katastrophen für den Großteil der Zivilbevölkerung und schwächen progressive und emanzipatorische Kräfte innerhalb der Länder- oder lassen sie gleich ganz verschwinden. Damit wird den westlichen Mächten auch die Chance gegeben, in absehbarer Zeit evtl. ihre nächsten Marionetten zu installieren, die dann freie Hand erhalten, mit allen anderen politischen Bewegungen so umzugehen, wie es die Könige in Saudi-Arabien, Bahrain, Kuwait usw. schon seit Jahrzehnten unter Billigung derselben Kräfte tun dürfen, die momentan Menschenrechtsverletzungen im Iran und in Syrien beklagen. Die linke syrische und iranische Opposition, die derzeit (gewollt oder ungewollt) von den KriegstrommlerInnen als KronzeugInnen herangezogen werden, werden dann das Bauernopfer sein, das sofort erbracht wird, sobald sie den Interessen des Westens nicht mehr nutzen.

Für uns gibt es daher auch keine Gründe, der herrschenden Politik nur einen einzigen Millimeter weder moralisch noch politisch über den Weg zu trauen. Wir haben - auch aus der linken - Geschichte gelernt. Der Hauptfeind steht im eigenen Land. Krieg dem Kriege!


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Quelle:
Bundesarbeitskreis Antimilitarismus und Frieden (BAK AuF) -
Linksjugend ['solid] und Die Linke.SDS -
Plattform gegen (Neo)Imperialismus und Militarisierung,
für Internationalismus und Frieden
Kleine Alexanderstr. 28, 10178 Berlin
Internet: http://bakauf.wordpress.com


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Februar 2012