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STANDPUNKT/083: Kläger, Richter und Henker (ZLV)


Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek - 3. Mai 2011

Kläger, Richter und Henker

Von Uli Brockmeyer


USA-Präsident Obama, der erste Präsident in der Geschichte der USA mit schwarzer Hautfarbe, stellt sich nun ganz offiziell in eine Reihe mit dem berüchtigten Bürgermeister James Lynch, der in einem Prozeß sowohl als Ankläger und Richter, und dann auch als Henker auftrat. Allerdings ist der Herr Lynch aus dem 15. Jahrhundert nur ein Waisenknabe gegen das, was später in den USA unter dem Begriff »Lynchen« bekannt wurde: Die Beseitigung von Gegnern ohne richterliches Urteil.

Lynchmorde gehören zur Entwicklung der USA wie die Freiheitsstatue und die Lüge von »Demokratie und Freiheit«. Tatsächliche oder vermeintliche Verbrecher wurden und werden (!) fast immer mit dem Vermerk »tot oder lebendig« gesucht. Das Erschießen eines Gegners erwies sich als die einfachste Methode, sich eines Problems zu entledigen. Normalerweise siegte dabei immer der »Stärkere«, also der mit dem meisten Geld und den tödlicheren Waffen.

Diese Methode wurde auch in den letzten 20 Jahren immer wieder in den internationalen Auseinandersetzungen benutzt. Auch die Präsidenten Jugoslawiens wurden aus dem Weg geräumt, bevor die USA und die NATO Gefahr liefen, in einem öffentlichen Gerichtsverfahren eine Pleite zu erleben. Den gleichen Versuch unternimmt man zur Zeit mit dem Staatschef Libyens. Bisher bekannt gewordene Details weisen darauf hin, daß der mutmaßliche Chef von Al Kaida mit einem Kopfschuß gleichsam hingerichtet wurde und daß man seinen Körper ohne eine angemessene Untersuchung rasch ins Meer geworfen hat.

Osama bin Laden, der einstige treue Verbündete aus den Tagen des Krieges gegen die sowjetischen Truppen in Afghanistan, war eines Tages unbequem geworden und mauserte sich zu einem Gegner der westlichen »Werte«. Daß er hinter den verbrecherischen Anschlägen des 11. September 2011 stand, wird zwar behauptet, wurde allerdings bisher nur durch »Videobotschaften« aus dunkler Quelle »bewiesen«. Ebenso verhält es sich in Bezug auf die »zahlreichen Verbrechen und Anschläge«, von denen in den Medien gern und oft die Rede ist. Als es ans Aufzählen ging, fielen der Agentur dapd sieben Beispiele aus fast 13 Jahren ein: Bombenanschläge auf USA-Botschaften im August 1998, ein Angriff auf ein USA-Kriegsschiff im Jemen im Oktober 2000, und der 11. September 2001. In allen drei Fällen wird die Autorenschaft von Al Kaida vermutet oder behauptet. Dem folgten ein Anschlag im tunesischen Djerba im April 2002, siebeneinhalb Jahre später im Dezember 2009 ein gescheiterter Anschlag auf ein Flugzeug in Detroit, sowie jüngst die Bombe in Marrakesch und die Verhaftung von drei jungen Männern in der BRD vor wenigen Tagen. Im Vergleich zu den vielen Kriegen der USA und der NATO mit tausenden Toten und Verletzten sowie zum permanenten Terror Israels gegen seine Nachbarn ist das eine recht magere Bilanz des »Terrorchefs«.

Wer jetzt wie zahlreiche Staatschefs, wie EU und NATO die USA zur Hinrichtung eines Gegners ohne Prozeß und Urteil und zur raschen Beseitigung der Spuren beglückwünscht, ist entweder nicht von dieser Welt oder wünscht sich dringend eine Verschärfung der Situation. Ein Erfolg wäre es nämlich nur dann geworden, wenn die USA den Mann gefaßt, vor Gericht gestellt und ihm in aller Öffentlichkeit und zweifelsfrei seine Verbrechen hätten nachweisen können. Allerdings wären dann zu viele schmutzige Details über die Rolle der USA im »weltweiten Terror« herausgekommen - und daran kann der Friedensnobelpreisträger im Weißen Haus kein Interesse haben.


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Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Mai 2011