Neokonservatives Denken in den USA und mögliche Folgen
- zwischen Gedankenspielen und schrecklicher Realität -
von Jürgen Heiducoff, 2. Januar 2016
Das neue Jahr soll nicht mit Miesmacherei beginnen.
Aber es gibt große und reale Gefahren, auf die hingewiesen werden muss.
Mit der Auflösung der UdSSR und dem Zerfall des Ostblockes blieben die USA
als einzige weltweit agierende Macht übrig.
Und so meinten US - Strategen, sie könnten die Welt als Schachbrett
betrachten, auf dem sie für beide Seiten spielen könnten.
Wer hätte in den frühen 1990er Jahren gedacht, dass sich Russland nach
einer langen Phase des Niederganges wieder auf der Bühne der Weltpolitik
meldet? Natürlich fehlt diesem politischen und militärischen
Selbstbewusstsein die erforderliche wirtschaftliche Basis.
Wer hätte vor 25 Jahren gedacht, dass die Volksrepublik China zur zweit
größten Volkswirtschaft hinter den USA heran wächst? Wer hätte diesem Land
zugetraut, das diesem Wachstum entsprechende politische und militärische
Selbstbewusstsein zu entwickeln?
Misstrauisch beobachtet das politische Washington die Annäherung Russlands
an China und die politischen und wirtschaftlichen Aktivitäten der BRICS -
Staaten.
Nichts haben die USA an militärischer und militärtechnologischer Macht
eingebüßt. Die vielen Kriege, die durch die USA rund um die Welt geführt
wurden und werden, haben zu ihrer wirtschaftlichen Konsolidierung
beigetragen. Viele Amerikaner sehen ihre Nation und damit sich als die
erfolgreichen Macher auf der Weltbühne.
Und nun wollen die neu heranwachsenden Mächte die unipolare Welt ins Wanken
bringen?
Das fordert vor allem die neokonservativen Kräfte hinter den Kulissen der
Macht im "freien" Amerika heraus.
Sie fürchten bei andauerndem wirtschaftlichen Wachstum Chinas Konkurrenz
auf dem Weltmarkt und wollen das Reich der Mitte schwächen. Deshalb
bezeichnet das offizielle Washington das 21. Jahrhundert als "Amerikas
Pazifisches Jahrhundert". Die Nachbarstaaten Chinas sollen auf
Konfrontationskurs gegen Peking gebracht werden. In der Zeitschrift
"Foreign Policy" (November 2011) klingt das aus der Feder der damaligen US
Außenministerin H. Clinton so:
Eine breit verteilte militärische Präsenz der USA im Raum zwischen Pazifischem und Indischem Ozean biete große Vorteile. So wären die Vereinigten Staaten besser positioniert, um humanitäre Missionen zu unterstützen und mit ihren Partnern robuster gegen Bedrohungen für den regionalen Frieden und die Stabilität vorzugehen. Die USA wollten Partner, die anderer Auffassung sind, zu Reformen und zu besserer Regierungsführung sowie zum Schutz von Menschenrechten und politischen Freiheiten auffordern. Clintons Beitrag schloss mit dem Ausblick, dass Amerika für die nächsten 60 Jahre in der asiatisch-pazifischen Region präsent und dominant bleiben werde.
Die USA provozieren China immer wieder militärisch mit Manövern in den
angrenzenden Seegebieten um Korea, mit der Präsenz der US Navy und
strategischer Bomber in und über den Seegebieten ostwärts und südlich
Chinas.
Die USA provozierten Russland mit Manövern der NATO Speerspitze an seiner
unmittelbaren Westgrenze und nun mit der Verstärkung der NATO
Aufklärungsfähigkeiten im Handlungsraum russischer Luftstreitkräfte in
Syrien. Dazu sollen Komponenten des AWACS - Systems in die Türkei verlegt
werden.
All dies ist eine Politik der Nadelstiche gegen China und Russland, die das
Ziel verfolgt, die Geduld der beiden Staaten herauszufordern.
Und das ist ein "Spiel mit dem Feuer", denn da finden Nadelstiche gegen
Atommächte statt.
Die Experten in den USA wissen sehr wohl, dass sie mit konventionellen Streitkräften weder China, noch Russland beikommen können. Der eiskalten Logik zu folgen, hieße zur thermonuklearen Denkoption zu gelangen.
Die Umsetzung einer solchen Denkoption in die Praxis würde die Zerstörung
der Lebensgrundlagen für die Menschheit auf diesem Planeten zur Folge haben
können.
Auch ein "Spiel mit nuklearer Bedrohung" ist unverantwortlich.
Das ist auch den US-Strategen klar, auch den neoliberal beeinflussten
Politikern.
Wie lange aber ist ein Balancieren auf dem schmalen Grat zwischen
taktischen Nadelstichen und atomarem Schlag möglich?
Wann kann ein nicht mehr korrigierbarer Fehlgriff eines Gliedes in der
Kette des Systems zur Auslösung des Starts nuklearer Vernichtungsmittel
ausgeschlossen werden?
Ich meine, es ist nicht übertrieben, zu sagen, dass es auf der Uhr der
Existenz unserer Welt fünf vor zwölf ist. Und keiner weiß genau, wie
schnell diese Uhr tickt.
Wer vermag diese Uhr zum Stillstand zu bringen?
*
Quelle:
© 2016 by Jürgen Heiducoff
Mit freundlicher Genehmigung des Autors
veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Januar 2016
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