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STANDPUNKT/777: Nordkorea - Vom Schurkenstaat zum Goldgräbertraum? (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 25 vom 22. Juni 2018
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Vom Schurkenstaat zum Goldgräbertraum?
Entschärfung des Korea-Konflikts lässt auf Milliardenprofite hoffen

von Klaus Wagener


Die Tinte unter dem Abkommen, welches Donald Trump und der nun zum "Chairman Kim" gewandelte "Rocket-Man" Kim Jong-un bei ihrem spektakulären Treffen in Singapur am 12. Juni 2018 unterzeichneten, war noch nicht trocken, da schossen schon die Spekulationen ins Kraut, was den US-Präsident wohl zu dieser Kehrtwende in seiner Korea-Politik bewogen haben könnte.

Immerhin waren die Koreanische Demokratische Volksrepublik (KDVR) und insbesondere ihr Führungsclan seit beinahe 70 Jahren der Inbegriff des politischen Outlaws, Teil von George W. Bushs "Achse des Bösen", unwürdig auch nur eines Minimums an diplomatischem Anstand. Die Korea-Politik hatte im Machtkalkül des US-Imperiums immer eine besondere Rolle gespielt. Der Korea-Krieg ermöglichte die erste große Mobilmachung der US-Kriegsmaschine nach 1945, die emotional-psychologische Zurichtung des "Westens" auf einen Krieg jenseits aller Regeln, auf ein bedingungsloses "Wer - Wen?", bei dem nur der Sieg zählte. Gleichgültig wie hoch die Zahl der Opfer auch immer sein mochte.

Das unablässige Bombardement koreanischer Städte, Dörfer, Infrastruktureinrichtungen, Brücken, Kanäle und allem, was auch nur irgendwie ein Ziel für das Strategic Air Command (SAC) darstellen konnte, ließ buchstäblich keinen Stein auf dem anderen. Pjöngjang war zu über 95 Prozent zerstört. Der von SAC-Chef Curtis LeMay organisierte Vernichtungskrieg kostete mehr als drei Millionen Menschen das Leben. Der Fünf-Sterne-General Douglas MacArthur forderte den Einsatz der Atombombe. Während des Kalten Krieges, insbesondere auch, nachdem Mao Zedong Anfang der 1970er Jahre die Seiten gewechselt hatte, war der "Schurkenstaat Nordkorea" sehr beliebt, wenn es darum ging, die enorme Präsenz der US-Truppen in Ost- und Südostasien, an der Ostflanke zur VR China und zur Sowjetunion, später Russland, zu begründen. Dieses PR-Muster verstärkte sich noch nach dem Untergang der Sowjetunion 1991 und nahm den Charakter unmittelbarer Kriegsvorbereitungen an, nachdem die KDVR nicht nur waffenfähiges Material und mi­niaturisierte Sprengsätze, sondern auch weitreichende Trägermittel entwickelt hatte, mit denen das US-Kernland erreicht werden konnte. Das US-Imperium darf die ganze Welt und selbstverständlich auch die KDVR mit seinen 7 000 Atombomben bedrohen, der "Schurkenstaat Nordkorea" darf ebenso selbstverständlich nicht den Versuch unternehmen mit einer Handvoll Bomben dagegen zu halten.

Diese Grundlinie US-amerikanischer Ostasienpolitik besteht auch nach Singapur in der Forderung nach "sofortiger, vollständiger, überprüfbarer und irreversibler" atomarer Abrüstung fort. Allerdings macht schon die nackte Existenz des Treffens Kim-Trump deutlich, dass sich mit Singapur eine erhebliche Modifikation, um nicht zu sagen ein gewaltiger Schwenk, in der US-Politik andeutet.

Immerhin hat der US-Präsident auch die Unterstützung beziehungsweise. Bekräftigung der "Panmunjom-Erklärung" vom 27. April 2018 zwischen Kim Jong-un und ROK-Präsident Moon Jae-in unterschrieben. Die Erklärung fordert in Punkt 3.4: "Süd- und Nordkorea bestätigen das allgemeine Ziel, durch eine vollständige Denuklearisierung eine nuklear-freie koreanische Halbinsel zu realisieren." Beide Seiten suchen dafür die "Unterstützung und die Kooperation der internationalen Gemeinschaft", im Klartext, das Okay der USA. Das wäre nun mit Singapur tatsächlich gegeben. Und damit rückt die Realisierung einer alte Forderung der antiimperialistischen und Friedenskräfte näher.

Korea hat in der Tat mehr zu bieten, als nur ein Aufmarschgebiet imperialer Streitmächte zu sein. Mit der infrastrukturellen Erschließung des eurasischen Kontinents rückt auch die verkehrsmäßige und industrielle Anbindung der koreanischen Halbinsel in den Fokus (Panmunjom, Punkt 1.6.). Russland hat sein altes Angebot erneuert die Transsibirische Eisenbahn zu modernisieren und die Trasse bis Pjöngjang oder besser bis Seoul zu verlängern. Auch für China ist die physische Anbindung der 1,5-Billionen-Dollar-Ökonomie Südkoreas an das gigantische Seidenstraßenprojekt, natürlich essentiell. Verschiedene Verkehrskorridore sollen den gesamten Großkontinent und große Teile Afrikas, von Seoul bis Rotterdam verbinden. Auch die Shanghai Cooperation Organization (SCO) hatte sich daher seit langem für die Denuklearisierung der gesamten Halbinsel stark gemacht. Dazu müsste allerdings auch mit den gigantischen US-"Kriegsspielen" (Trump), bei denen regelmäßig die Eroberung der KDVR geprobt wird (Panmunjom, Punkt 2. 1.-3.), ja mit dem US-Besatzerregime in Südkorea Schluss sein. Ohne Abzug der US-Boys and -Girls keine Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel. Nicht ohne Grund schreien die schießwütigen US-Neocons in trauter Eintracht mit den "liberalen" Menschenrechtsinterventionisten Mord und Brand.

Zwar wurden in der KDVR bislang keine nennenswerten Öl- und Gasvorräte entdeckt, ein Umstand, der sie möglicherweise vor einer US-Befreiungsaktion bewahrt hat, aber es gibt Mineralien. Mehr als 200 Sorten inklusive der weltweit größten Lagerstätte für die begehrten Seltenen Erden in Jongju. Der Gesamtwert der nordkoreanischen Mineralien wird auf bis zu 10 Billionen US-Dollar geschätzt. Unter dem Sanktionsregime ist die Ausbeutung dieser Mineralien fast zum Erliegen gekommen. Dies dürfte aber beim Rohstoffhunger der chinesischen/asiatischen Ökonomien kein Dauerzustand bleiben. Erst recht nicht, nachdem Kim sich zur Denuklearisierung bekannt hat. Panmunjom zeigt deutlich wohin die Reise geht. Eine Zusammenarbeit der beiden Koreas mit dem Ziel der Wiedervereinigung könnte auf der einen Seite das finanzielle und ökonomische Potential sowie das Know-how des Südens mit dem Rohstoffreichtum und der qualifizierten und billigen Arbeitskraft des Nordens vereinigen. Stoff, aus dem Dollar-satte Profitträume sind.

Donald Trump hat den Handelskrieg mit Europa und nun auch mit Peking eröffnet. Die Priorisierung von Partialinteressen, "America first", lässt auch das Korea-Problem für einige Nüchterne in Washington in neuem Licht erscheinen. Wenn hier viel zu verdienen ist - warum nicht wir? Ob und in welcher Form so etwas möglich sein kann ist eine andere Frage. Der mit Singapur eingeleitete Prozess ist fragil, steht unter massivem Beschuss und kann von den Falken relativ leicht zum Scheitern gebracht werden. Die von den SCO-Staaten im Angesicht der imperialen Sanktions-, Zoll- und Kriegspolitik vorangetriebene eurasische Integrationspolitik wird ihn allerdings nicht aufhalten.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 50. Jahrgang,
Nr. 25 vom 22. Juni 2018, Seite 6
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juni 2018

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