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STANDPUNKT/833: Quo vadis, UNO? (Pressenza)


Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin

Quo vadis, UNO?

Von Günter Buhlke, 5. Februar 2019


Politiker und kapitalmächtige Investoren der ersten Welt möchten die UNO ins Nirwana versetzen. Die UNO wird als Politikfeld von einer besonderen Kaste von Abgeordneten konservativer Parteien in ihren Programmen nur noch unterbelichtet geführt, wenn überhaupt. Zukunftsträchtige Aktivitäten über ihr nationales Ego hinaus sind kaum erkennbar.

Unsere eine Welt aber braucht die Weltorganisation zum Überleben. Sie wurde nach den bitteren Erfahrungen des 2. Weltkrieges von starken und weitsichtigen Frauen und Männern vieler Länder mit kräftigen Impulsen aus den USA 1946 gegründet. Ihre Ziele sollten künftig den Frieden erhalten oder wiederherstellen, die Entwicklung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Völkern fördern und Rahmenbedingungen zum Abbau der Probleme der Wirtschaft, der sozialen Lagen, der Kultur, der Menschenrechte in allen Länder empfehlen (Artikel 1 und 2 der Charta der UNO).

Der oberste Politiker der USA, Donald Trump, sorgt aktuell für große Unruhe in den 193 Mitgliedsländern der UNO. Er missachtet anerkannte Regeln der WTO. Er verlässt mit Dekreten den UN-Menschenrechtsrat und die UNESCO. Bedrohlich für die Welt ist seine Haltung zur Umwelt, zum Iranvertrag und zu Venezuela, Kuba, Nicaragua. Mit China und Russland pflegt er keine Freundschaftsverhältnisse.

Die USA und ihre NATO bauen Raketenstationen in Rumänien und Polen aus und organisieren Manöver im Grenzgebiet zu Russland. Putin lässt Hyperschallraketen testen. Die Schanghaigruppe trainiert ganze Armeeteile. Der Frieden benötigt die UNO als neutralen Schlichter bei Konflikten als Überwacher und Nothelfer im Flüchtlingsdrama.

Die Haltung der deutschen Regierung zur UNO ist widersprüchlich. Auf 177 Seiten der GROKO-Vereinbarung findet die Weltorganisation keinen besonderen Programmplatz. Die Bonner Umweltkonferenz von 2017 war inhaltsleer und sie setzte keine realen Akzente zur Verbesserung der beklagenswerten Situation. Der deutsche Beitrag zur Konferenz in Kattowitz fiel nicht besser aus. Er beschränkte sich in seinen Hauptteilen auf technische Fragen der Messung der Umweltschädlichen Handlungen. Der Umweltschaden selbst wird nur zögerlich angegangen. Das betrifft auch verbindliche Schritte zur Einschränkung der Luftverschmutzung in der Auto- und Braunkohleindustrie im Rahmen der nationalen Politik.

Seit 2013 steht von der deutschen Regierung die Ratifizierung des Zusatzprotokolls des UN-Sozialpaktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Bürger aus. Die umfassende Anerkennung als subjektive Rechte, die notfalls vor Gerichten einklagbar sind, ist ein Gebot, dem die Regierung endlich nachkommen sollte. Die Eberhard-Schultz-Stiftung fordert seit Jahren aktiv die Bundesregierung auf, die Ratifizierung vorzunehmen. Die Friedensorganisation ICAN beklagt, dass die deutsche Regierung dem von der UNO mühsam ausgehandelten Atomwaffenverbotsvertrag vom 20.09.2017 nicht beitritt. Der Weg zum Abzug der amerikanischen Atomwaffen aus Deutschland wäre mit dem Beitritt zum Vertrag frei.

Gegensätzlich ist weiterhin der deutsche Beitrag zu den Friedenszielen der UNO. Die Stationierung von Soldaten und Gerät im Ausland, der Export an Waffen und Munition, auch in Krisengebieten, sowie die Teilnahme an Manövern der NATO in östlichen Grenzgebieten sprechen eine andere Sprache. Gegen die Lagerung von US-amerikanischen Atomwaffen auf deutschem Gebiet sind keine Regierungsproteste zu hören. Die allgemein kühle Haltung Deutschlands zur UNO steht im Widerspruch zum Begehren, ständiges Mitglied im Sicherheitsrat zu werden. Dahinter stehen andere Interessen, die etwas mit dem Ego zu tun haben. Bundesaußenminister Maas (SPD), meint zur gefahrvollen Tragödie Venezuelas: "Wir sind nicht neutral, wir stehen auf der Seite von Guaidó" (dem selbsternannten Putschpräsidenten). Ein mit Deutschlands Stimme formuliertes Ultimatum und die Parteinahme für den Putschisten verstärkt die Kriegsspannungen in Venezuela. Außenminister Maas ist nicht reif für den ständigen Sitz im Sicherheitsrat.

Nicht sehr tröstlich ist die Tatsache, dass das Verhalten der Bundesregierung meist auf Beschlüssen des Parlaments beruht. Genauer formuliert wäre es festzustellen, dass fern von der Demokratie alles von den Entscheidungen der Partei- und Fraktionsvorstände (Fraktionszwänge?) und Konsultationen mit der Lobby abhängt.

Störend empfinden die Länder des Neoliberalismus der ersten Welt die Zahlung der Mitgliedsbeiträge an die UNO und die Pflichten, die aus Beschlüssen oder Empfehlungen entstehen. Die Bürokratie koste zu viel. Beispielsweise haben 2001 die Mitgliedsländer der UNO Millenniumsziele als gemeinsame Aufgabe vereinbart. Es sollte unter anderem die extreme Armut beendet und die Gleichstellung der Geschlechter erreicht werden. Die Senkung der Kindersterblichkeit war eines der Ziele, wie auch die ökologische Nachhaltigkeit. Ein Teil der Ziele wurde von Entwicklungsländern erfüllt (z.B. China, Vietnam, Venezuela, Ecuador, Bolivien, Kuba). Die Empfehlung, dass die Industrieländer 0,7 % ihres BIP für die Entwicklungshilfe bereitstellen, blieb unerfüllt. Der deutsche Beitrag fiel mit 0,38 % bescheiden aus. 2016 hat die UNO für die nächste Zeitperiode neue Ziele zur Problemlösung für festgelegte Bereiche empfohlen.

Der Sicherheitsrat, als ein Hauptorgan der UNO, hat in den letzten Jahren Kriege zwischen Ländern nicht verhindern können. So in Afghanistan, Irak, Jugoslawien, Libyen, Jemen. Aber der Druck der UNO auf die Beendigung der Kämpfe war in jeder Phase stark. Blauhelme im Auftrag der UNO kontrollieren die Einhaltung der Befriedungsbeschlüsse des Sicherheitsrats. Zum Plussaldo der UNO gehören die Hilfen im Flüchtlingsdrama und beim Schutz der Umwelt.

Die Bedeutung der UNO für die Weltgemeinschaft kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Atomwaffen, chemische Kampfmittel besitzen das Potential, die Erde zu zerstören. Das Gerangel um die Drohung von Trump, den INF-Vertrag zu kündigen, treibt die Sorgen vieler Menschen an. Nicht auszudenken, dass ein technisches Versagen zum 3. Weltkrieg führen könnte.

Katastrophenbeschreibungen rufen Horrorvisionen hervor und belegen, dass durch Handlungen der Menschen in der Wirtschaft und des Raubbaus an der Natur der biologische Bestand der Spezies Mensch in Gefahr gerät.

Die Weltorganisation hat künftig neue große Aufgaben zur Konfliktvermeidung zu lösen. Der erdnahe Weltraum braucht Regeln, um Gefahren durch aufgegebene Satelliten und Schutt zu vermeiden. Die Nutzung des Meeresbodens und der eisfreien Gebiete an den Erdpolregionen darf nicht finanzstarken Investoren überlassen werden. Die Interessen aller Länder sind zu berücksichtigen.

Drei alte Konfliktherde der Welt fordern die UNO weiterhin heraus:

1. Das koloniale Erbe hat in Afrika Ländergrenzen hinterlassen, die scheinbar mit dem Lineal gezogen wurden, ohne Rücksicht auf ethnologische Gegebenheiten der jeweiligen Volksgruppen. Traurige Konfliktbeispiele sind Palästina, Syrien, der Jemen, Irak, das Kongogebiet unter anderem. Spannungen wurden mit Waffen und Menschenrechtsverletzungen ausgetragen.

2. In Entwicklungsländern werden gegenwärtig Volkswirtschaften von transnationalen Kapitalgesellschaften deformiert. Die Einwohner der Länder erleiden Arbeitslosigkeit, Ernährungsunsicherheit, schlechte Wohnverhältnisse und durch den Kapitalmangel infolge der erzwungenen internationalen Arbeitsteilung Probleme im Bildungs- und Gesundheitswesen. Das Ergebnis sind tragische Fluchtbewegungen.

3. Religiöse Dogmen (Sunniten, Schiiten, Angelikale) heizen Spannungen an, die zum Teil unter Waffeneinsatz gelöst werden. Die Bewohner erleiden viel Leid. Blutige Bürgerkriege werden ausgelöst, aber auch internationale Konflikte zwischen Staaten. Die UNO hat keine Lösungsansätze für religiöse Fragen.

Eine strukturelle Alternative zur UNO ist weltweit nicht sichtbar. Organisationen vom Typ G7, G20 oder das Weltwirtschaftsforum Davos sind als Weltorganisation nicht angelegt. Sie vertreten im Kern nur wirtschafts-hegemoniale Interessen.

Die UNO wird auch künftig gebraucht, zumal das herrschende neoliberale System eher neue Krisen und Kriege hervorbringt. Hilfreich wäre, wenn der Weltsicherheitsrat sein Aufgabenfeld auf die Konfliktvermeidung mit Weisungsbefugnissen ausweiten könnte. Und schließlich wäre zu wünschen, dass auf der persönlichen Agenda der Abgeordneten die Stärkung der UNO steht. Das stünde gut zu ihrem Gewissen. Und noch ein Vorschlag: Der Bundestag hat etwa 70 Arbeitskreise und Arbeitsgruppen, die Themen umfassen, die von der Weltwirtschaft bis zum Fahrrad oder dem Pferd reichen. Ein Arbeitskreis UNO jedoch fehlt!!!

Die gegenwärtige Welt birgt gefährliche Problemlagen, mit ausreichendem Anlass, um über eine Aussage des zweiten Generalsekretärs der UNO, Dag Hammarskjöld (1961 bei einem unaufgeklärten Flugzeugunfall im afrikanischen Konfliktgebiet verstorben) nachzudenken:

"Die UNO wurde nicht geschaffen, um die Menschen in den Himmel zu führen, sondern um sie vor der Hölle zu retten".


Über den Autor

Günter Buhlke, geb. 1934. Verh. Studium an der Humboldtuniversität und der Hochschule für Ökonomie Berlin. Dipl. Volkswirtschaftler. Internationale Arbeit als Handelsrat in Mexiko und Venezuela. Koordinator für die Wirtschaftsbeziehungen der DDR zu Lateinamerika. Wirtschaftserfahrungen als langjähriger Leiter des Schweizerischen Instituts für Betriebswirtschaft in Berlin, Vorstand einer Wohnungsgenossenschaft und Referent im Haushaltsausschuss der Volkskammer und des Bundestages. Gegenwärtig ehrenamtliche Tätigkeiten.


Der Text steht unter der Lizenz Creative Commons 4.0
http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

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Quelle:
Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin
Reto Thumiger
E-Mail: redaktion.berlin@pressenza.com
Internet: www.pressenza.com/de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Februar 2019

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