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LAIRE/1063: Schavan will Manager Mathe lehren lassen (SB)


Pädagogik direkt

Erfolgsmenschen aus der Wirtschaft sollen Schülern beibringen, wo es lang geht im Leben


Der über die "Bild" (23.2.2009) ventilierte Vorschlag von Bundesbildungsministerin Annette Schavan, die Wirtschaft solle Top-Leute an die Schulen schicken, wo sie zwei Stunden die Woche beispielsweise Mathematik oder Physik unterrichten könnten, wurde angesichts der riesigen Summen, die Banken und Konzerne verspekuliert oder verpulvert haben, erwartungsgemäß mit Spott bedacht. Das könne doch wohl nur ein Karnevalsscherz sein, faßte die "Financial Times Deutschland" (24.2.2009) die Ansichten der deutschen Gazetten zusammen.

Die vermeintliche Kritik greift jedoch viel zu kurz. Es ist nicht zu übersehen, daß sich die Presse weitgehend einig darin war, eine solche Gelegenheit, grundsätzliche Fragen zu Bildung und Schule zu stellen, verstreichen zu lassen. Schavans Vorschlag, der als Antwort auf die Veröffentlichung von Studienergebnissen erfolgte, wonach vor allem Schüler mit schlechten Abiturnoten Lehrer werden, war insofern vollkommen ernst gemeint, als daß er sich mit dem Bildungsauftrag von Schulen deckt. In den pädagogischen Anstalten soll nichts anderes geleistet werden, als die Heranwachsenden nach den Wünschen der Gesellschaft - und zwar jenes Teils der Gesellschaft, der im erheblichen Maß von dem System profitiert - zu formen, so daß sie zu nützlichen und gutwilligen Mitgliedern werden.

Daß eigentliche Problem an Schavans Vorschlag besteht nicht darin, daß Manager nicht unbedingt gute Lehrkräfte sind, sondern daß die Wirtschaft ungezügelter denn je Einfluß auf die Aufzucht der Mädchen und Jungen gewinnt. Damit würde der Trend, daß Unternehmen bereits Schulmittel bereitstellen, was recht werbewirksam ist, und ihre Produkte an den Schulen plazieren dürfen, fortgesetzt. Idealistische Ideen - sofern sie überhaupt noch hier und da in der Pädagogik durchschimmern -, denen zufolge Schülern mehr als nur Fachwissen eingebimst werden sollte, sondern daß sie zur Kritikfähigkeit angeleitet werden müßten (da etwas kritisieren zu können bedeutet, es begriffen zu haben), werden systematisch aus den Lehr- und Lernmitteln entfernt.

An Schavans Vorschlag ist nicht zu kritisieren, daß Manager womöglich keine guten Vermittler sind, sondern daß sie umgekehrt vor allem als Vermittler auftreten, nämlich als Vermittler spezifischer Wertvorstellungen auftreten. In denen sind unten und oben fest verortet und vermeintlich unumstößlich verankert. Wer es bis nach oben geschafft hat, ist dies in der üblichen Lesart der Manager aus eigener Kraft, durch einen starken Willen und große Opferbereitschaft gelungen. Wohingegen alle anderen, die geringerbezahlte Jobs ergattern oder "hartzen" müssen, sich haben gehen lassen, nicht entschlossen genug sind, zu hohe Ansprüche an die Gesellschaft, nur nicht an sich selbst gestellt haben. Dieses Menschenbild würden die Top-Leute den Schülern vermitteln.

Das wäre aber keineswegs ein Bruch mit der gesellschaftlichen Funktion von Pädagogik. Die sollte nie etwas anderes sein, als dem Nachwuchs die vorherrschende Weltsicht zu vermitteln. Und die ist, wie sollte es anders sein, von jeher die Weltsicht der Herrschenden.

24. Februar 2009