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LAIRE/1068: US-Gefangener 183 mal ertränkt - Gipfel der Zivilisiertheit (SB)


Scheibchenweise Informationen über Waterboarding

CIA hat Gefangenen 183 mal ertränkt


Es ist schon lange bekannt, daß der US-Geheimdienst CIA systematisch Folter betreibt. So schilderte eines der Opfer, der Bremer Murat Kurnaz, in seinem Buch "Fünf Jahre meines Lebens", wie es ihm in Guantánamo und anderen Knotenpunkten der globalen Folterinfrastruktur der USA ergangen ist. Die jüngsten Meldungen, denen zufolge der gefangene Chalid Scheich Mohammed 2003 beim sogenannten Waterboarding 183 mal und ein Jahr zuvor das mutmaßliche Al-Qaida-Mitglied Abu Subeida mindestens 83 mal ertränkt wurden, überraschen dann doch ein wenig, weil daran das Ausmaß des Folterns deutlich wird.

Die Folter wurde von höchster Stelle der US-Regierung abgesegnet und wiederholt von Kabinettsmitgliedern zu rechtfertigen versucht. So behauptete der frühere Justizminister John Ashcroft vor einem Unterhausausschuß, daß Waterboarding gar keine Folter ist, so wie es von der CIA "definiert und beschrieben" werde. Außerdem habe es "sehr wertvolle" Informationen gebracht. Waterboarding sei seines Wissens zufolge "dreimal" angewendet worden. [1] Ashcroft verschwieg, daß bei einem der drei Vorfälle die Folter 183 mal zum Einsatz kam ...

Auch der ehemalige Vizepräsident Dick Cheney war nicht der Meinung, daß Waterboarding Folter ist [2], und der 2007 von George W. Bush zum Justizminister ernannte Michael Mukasey rang sich auf die Frage, ob Waterboarding Folter sei, lediglich ein "ich würde es als Folter empfinden" ab [3], was immerhin die Option offenläßt, daß er sich täuschen kann.

In den jüngsten Enthüllungen , die auf die "New York Times" [4] zurückgehen, die sich ihrerseits auf Dokumente des Justizministeriums bezieht [5], werden noch andere Folterpraktiken als Waterboarding beschrieben. Jemandem ein Plastikband um den Hals legen und seinen Kopf gegen die Wand schlagen, gehörte ebenfalls ins Repertoire der Folterer.

Es hätte der Bestätigung nicht bedurft, daß die US-Geheimdienste umfänglich foltern, doch ergänzen die nach und nach an die Öffentlichkeit gelangenden Informationen das Bild, das man in den letzten Jahren - beschränken wir uns willkürlich auf die Amtszeit von George W. Bush - gewonnen hat: Die USA foltern systematisch und massiv; sie entreißen Menschen auf der ganzen Welt ihren Lebenszusammenhängen und führen sie der Folter in anderen Staaten zu oder aber, hier kommt Bushs Nachfolger Barack Obama ins Spiel, sie bewahren Folterknechte und ihre Herren vor der Strafverfolgung.

Jemanden 183 mal zu ertränken wirkt selbst in seiner Unmenschlichkeit grotesk. Aber was heißt "unmenschlich"? Der Begriff unterstellt sein Pendant, die Menschlichkeit. Wenn aber die USA, die ja angeblich die engsten Verbündeten der Europäer sind, Deutschland von dem unmenschlichen Regime der Nazi-Diktatur befreit haben und für sich reklamieren, ein im Grunde genommen alternativlos gutes System gelebter Demokratie zu bieten, mithin die Spitze des zivilisierten Menschen zu repräsentieren, ein solch weitverzweigtes, hochqualifiziertes Foltersystem etablieren und damit alle Werte auf den Kopf stellen, die sie zu schützen behaupten, kann auch der Begriff "Menschlichkeit" nicht unangetastet bleiben. Er entspricht dem Schnuller, der dem Säugling ein beruhigend sattes Gefühl verleiht und ihn daran hindern soll, den Mund aufzumachen und seine Stimme zu erheben.

183 mal ertränken - diese Häufigkeit hatte sich wohl kaum jemand so vorgestellt. Genauer gesagt, nicht vorstellen wollen, was einen in unmittelbare Berührung mit dem eigenen Wunsch, die eigene (oder befreundete) Obrigkeit tue so etwas nicht, es gebe ja die Menschenrechte, bringt. Von einem Staat, der fähig ist, Menschen zu foltern, ist alles zu erwarten, nur nicht, daß für ihn Menschen etwas anderes bedeuten, als seiner Verfügbarkeit vollständig unterworfene Subjekte.


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Anmerkungen: (alle Zugriffe erfolgten am 20. April 2009)

[1] http://edition.cnn.com/2008/POLITICS/07/17/ashcroft.waterboarding/

[2] http://abcnews.go.com/Politics/story?id=6464697&page=1

[3] http://tpmmuckraker.talkingpointsmemo.com/2008/01/mukasey_i_would_feel_that_wate.php

[4] http://www.nytimes.com/2009/04/20/world/20detain.html?_r=1&hp

[5] http://documents.nytimes.com/justice-department-memos-on-interrogation-tech niques#p=1

20. April 2009