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LAIRE/1103: US-Militär beargwöhnt potentielle Konkurrenten im All (SB)


China will sich gegen künftige Bedrohungen in der Luft und im All wappnen

US-General blendet eigenes Hegemoniestreben aus und will China über Weltraumprogramm zur Rede stellen


Zu behaupten, die Spatzen pfiffen es bereits von den Dächern, daß die USA eine Einkreisungsstrategie gegen China betreiben und daß die Volksrepublik dies durch ein ambitioniertes Aufrüstungsprogramm auszugleichen versucht, wäre noch untertrieben. Bereits in den 1990er Jahre hat der damals noch im US-Verteidigungsministerium tätige und spätere Architekt des Golfkriegs II, Paul Wolfowitz, geschrieben, daß China der kommende Gegner und eine Auseinandersetzung nicht zu vermeiden sei und daß die USA sich besser früher als später darauf einstellen sollten.

Als die USA 1999 beim Angriff auf Belgrad gezielt die chinesische Botschaft bombardierten - angeblich ein Versehen wegen veralteter Karten -, hatte es den Anschein, als kalkulierten sie durch diese Provokation mit dem von Wolfowitz vorausgesagten Waffengang. Die chinesische Regierung knirschte mit den Zähnen, sah aber ein, daß es unklug wäre, zum damaligen Zeitpunkt Washington auf dem gleichen Niveau eine Antwort zu erteilen.

Seitdem nehmen die kleineren und größeren Provokationen zwischen den beiden Ländern zu. Chinesische Schiffe bedrängen allzu aufdringliche US-Spionageschiffe vor den Küsten Chinas, und US-Spionageflugzeuge verletzen immer wieder chinesischen Luftraum. Die Separationsbestrebungen Tibets werden massiv von den USA unterstützt, und Taiwan wird mit amerikanischen Rüstungsgütern weiter hochgerüstet; allein im vergangenen Jahr erhielt es Waffenlieferungen im Wert von 6,5 Milliarden Dollar. China hat im Januar 2007 einen ausrangierten Wettersatelliten vom Boden aus mit einer Rakete abgeschossen und in diesem Jahrzehnt ein rasantes Weltraumprogramm aufgelegt, in dem Jahrzehnte der amerikanischen und russischen Raumfahrt in wenigen Jahren zurückgelegt werden.

Doch schon vor langem haben China und Rußland Vorschläge unterbreitet, die auf einen international rechtsverbindlichen Vertrag zur Verhinderung der Militarisierung des Alls hinauslaufen - die USA haben dies abgelehnt und stehen damit weltweit allein auf weiter Flur. Weltraumhegemonie ist nach wie vor ausgewiesenes Ziel der US-Streitkräfte. Gegenbestrebungen anderer Nationen sind von daher unvermeidlich.

In einer Serie von Berichten hat sich diese Woche die Nachrichtenagentur Reuters mit dem Thema Weltraum und Militarisierung des Alls befaßt. So machte sich General Kevin Chilton, Kommandant von Strategic Command, in dem für das Pentagon die Weltraumaktivitäten der USA koordiniert werden, Sorgen über Chinas militärische Fähigkeiten im All. [1] Er fragte, worauf das Weltraumprogramm hinauslaufen soll, und merkte an, daß ein offener Dialog zwischen den Nationen darüber doch sicherlich besser sei, als diese Themen und Konzepte ohne einen solchen Dialog anzugehen.

Diesen Ausführungen waren Erklärungen des Luftwaffenkommandanten der chinesischen Volksarmee, Xu Qiliang, gegenüber der Nachrichtenagentur Xinhua vorausgegangen. Demzufolge werden die Luftstreitkräfte Chinas Fähigkeiten für offensive und defensive Operationen im All verbessern. Nur Stärke könne den Frieden sichern, wird Xu wenige Tage vor dem 11. November, an dem China den 60. Jahrestag der Gründung der Luftstreitkräfte der Volksbefreiungsarmee begeht, zitiert.

Allerdings ließ Reuters weniger martialisch klingende Töne des chinesischen Militärs, die seiner Aussage vorausgingen und für den Zusammenhang unverzichtbar sind, unbeachtet. Die Militarisierung des Alls und der Luft sei "eine Bedrohung der Menschheit", sagte Xu. China müsse in beiden Arenen stark sein, andernfalls werde es sich mit den Herausforderungen dieser Bedrohung konfrontiert sehen. [2] Nicht allein die größeren Luftstreitkräfte in der Welt versuchten derzeit, Überlegenheit in der Luft und im Weltraum zu erlangen, auch Entwicklungsländer wechselten ihre militärischen Strategien, um sich in diesen Arenen durchzusetzen.

Chilton hingegen versucht den Eindruck zu erwecken, als wüßten die USA nicht ganz genau, daß sich China nur dann gegen Zersetzungsversuche des Westens wirksam zur Wehr setzen kann, wenn es militärisch hochgerüstet ist und über Atomwaffen verfügt. Es würde tatsächlich nicht ernst genommen werden, so wie der chinesische Luftwaffenkommandant ausführte.

Nur Stärke kann Frieden sichern - das hat nach Lesart der NATO jahrzehntelang den Frieden in der Welt gewahrt. Es ist nicht ersichtlich, worin sich das "Gleichgewicht des Schreckens", bei dem Ost und West Atomraketen mit dem zigfachen Overkill gegeneinander in Stellung gebracht haben, von der Vorstellung des chinesischen Militärs unterscheidet.

Wer die Kontrolle über den Weltraum ausübt, erhält einen wichtigen Einfluß auf die weltumspannende Kommunikation, einschließlich die der Streitkräfte. Insofern wundert es nicht, daß die Vereinigten Staaten, die eine Politik der "full spectrum dominance" betreiben, womit haushohe militärische Überlegenheit zu Wasser, zu Lande, in der Luft und im All gemeint ist, begonnen haben, sämtliche Satelliten der Erde radartechnisch zu erfassen und regelmäßig zu verfolgen. [3] Am Dienstag teilte das US-Verteidigungsministerium mit, daß es bereits 800 von insgesamt rund 1300 um die Erde kreisende, manövrierbare Satelliten verfolgt und die übrigen voraussichtlich bis Ende des Jahres ebenfalls erfaßt werden. Als Anlaß und Rechtfertigung dieser Überwachungsmaßnahme diente die angeblich nicht vorausgesehene Kollision eines ausgedienten russischen Militärsatelliten mit einem US-amerikanischen Iridiumsatelliten am 10. Februar dieses Jahres. Dies ist nur ein Beispiel von vielen, wie hinter harmlos anmutenden Projekten handfeste hegemoniale Interessen stecken können.


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Anmerkungen:

[1] "U.S. eyes 'intent' of China's space programs", Reuters, 3. November 2009
http://www.newsdaily.com/stories/tre5a25xg-us-usa-china-space/

[2] "China's PLA eyes future in space, air: air force commander", China View, 1. November 2009
http://news.xinhuanet.com/english/2009-11/01/content_12369608.htm

[3] "Pentagon eyes crash analysis on 1,300 satellites", Reuters, 3. November 2009
http://www.newsdaily.com/stories/tre5a24wg-us-space-collisions/#

5. November 2009