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LAIRE/1240: Körperscanner - Sicherheitsstaat verdichtet Infrastruktur (SB)


Aufgeschoben, aber nicht aufgehoben

Deutschland wird Testversuche mit Körperscannern an Flughäfen erst 2011 beginnen


Es ist schon bemerkenswert, wie schnell und reibungslos die zuvor bei der Öffentlichkeit auf breite Ablehnung gestoßene Einführung von Körperscannern an Flughäfen durchgebracht wird. Indem nun die Bundesregierung die Installation der Durchleuchtungsgeräte zu Testzwecken verzögert, um Maßnahmen zum Schutz der Intimsphäre zu ergreifen, versucht sie, von grundsätzlichen Fragen abzulenken. Hier geht es nicht nur um die Frage, ob und in welcher Form äußere Geschlechtsorgane dargestellt werden, sondern darum, ob die Bürger überhaupt über die bereits etablierten Methoden hinaus immer weiter durchleuchtet werden wollen.

Zudem sei noch einmal daran erinnert, was der Anlaß dafür war, daß die allgemeine Ablehnung von Körperscannern in der Öffentlichkeit plötzlich in eine resignativ anmutende Zustimmung umschlug. Vor einigen Jahren hatten sich die Sicherheitsbehörden der Europäischen Union vergeblich bemüht, die auch als "Nacktscanner" bezeichnete Durchleuchtungstechnologie auf Flughäfen einzuführen. Dann, am 25. Dezember 2009, versuchte der 23jährige Nigerianer Umar Faruk Abdulmutallab, der sich an Bord einer Delta/Northwest-Maschine von Amsterdam nach Detroit befand, angeblich eine in seiner Unterhose versteckte Bombe zu zünden. Es kam allerdings lediglich zu einer Art Verpuffung, in deren Verlauf sich der mutmaßliche Attentäter Brandverletzungen an den Beinen zuzog.

Aber nur weil die großen Medien das Thema weitgehend verschweigen, bedeutet das nicht, daß die vielen Widersprüche, die in diesem Zusammenhang geradezu ins Auge springen, damit erledigt wären. Es besteht nach wie vor Klärungsbedarf beispielsweise hinsichtlich der elegant gekleideten, indisch aussehenden Person, die den mutmaßlichen Attentäter begleitet hat und der es offenbar gelang, beim Einchecken das Personal davon zu überzeugen, Abdulmutallab auf den Flug nach Detroit mitzunehmen, obwohl dieser keinen Ausweis besaß. Um sich einen Eindruck zu verschaffen, welche Leistung dafür erforderlich ist, kann ja jede Leserin und jeder Leser einmal darauf beharren, ebenfalls einen Interkontinentalflug mitzumachen, ohne einen Ausweis vorzulegen.

Das ist selbstverständlich kein ernstgemeinter Vorschlag, denn derjenigen Person drohte allerhand Ungemach, wobei stundenlange Verhöre womöglich noch das geringste wären. In einem ähnlich gelagerten Fall mußte jedenfalls ein Vater erleben, der mit seiner Familie eincheckte und sich dabei einen Scherz erlaubte - über dessen Niveau man sich sicherlich streiten kann -, indem er sagte, daß das, was er in seiner Unterhose habe, explosiv sei, daß die Grenzbeamten humorlos sind. Der Mann wurde abgeführt und verhört.

Ebenfalls nicht geklärt wurde bislang, was es mit der von Zeugen beobachteten zweiten Verhaftung im Kontext dieses Flugs auf sich hat. Der Verdacht, daß der junge Nigerianer ein, wie es heißt, nützlicher Idiot war, der zwar vielleicht tatsächlich in Jemen zum Flugzeugattentäter ausgebildet wurde, aber über dessen Absichten, Reiseroute und -zeit US-Geheimdienste sehr wohl im Bilde waren, konnte bis heute nicht ausgeräumt werden. Einmal angenommen, Umar Farouk Abdulmutallab (auch Umar Abdul Mutallab oder Omar Farooq al-Nigeri genannt) sei von Geheimdiensten geführt worden, dann bedeutete das, daß der geheimdienstliche Teil des Sicherheitsapparats diesem die Legitimationsgrundlage verschafft, die er zu seiner Qualifizierung benötigt. In diesem Fall wäre das die konstruierte Notwendigkeit zur Installation von Körperscannern.

Sollte diese Annahme zutreffen, wäre das höchst bedenklich, denn es deutete auf eine Dynamik, vor der sich insbesondere Deutschland hüten sollte. Wobei mit einer Forderung, wonach den Anfängen gewehrt werden müßte, unterstellt würde, daß der Anfang noch bevorsteht. Diese Vorstellung muß sich angesichts der umfassenden Sicherheitspakete (Otto-Katalog) und weiterer Gesetze zur inneren Sicherheit sowie dem unter anderem von Bundeskanzlerin Angela Merkel ausgerufenen Ende des Unterschieds zwischen Innen- und Außenpolitik revidiert werden.

Es liegt in der Sicherheitslogik, daß der Staat, wenn man ihn läßt, seine Sicherheitsarchitektur weiter ausbaut und verfestigt. Dieser Trend konnte schon zu einer Zeit beobachtet werden, als zwei verschiedene politische Systeme ideologisch miteinander konkurrierten und der Westen gegenüber dem hinter einen "Eisernen Vorhang" markierten Osten argumentierte, daß bei ihm die Freiheit herrsche, im Osten hingegen das Politbüro. Nach dem Zerfall der Sowjetunion und der Auflösung des Warschauer Pakts fiel dieser Aspekt ideologischer Begründungen weg. Die Nato-Staaten "litten" nur kurze Zeit unter einer mangelnder Legitimation. Im globalen Krieg gegen den Terror wird auf blutigste und menschenvernichtende Weise an einer monopolaren Weltgesellschaft unter Führung der USA gezimmert. Dabei werden die europäischen Staaten gebraucht, sie haben die Funktion von Zuträgern und wollen selbstverständlich von der Nähe zum Thron profitieren.

Der nach außen projizierten Gewalteskalation (mit Kriegen gegen die Bundesrepublik Jugoslawien, Irak und Afghanistan) entspricht die Aufrüstung im Innern. Ob in Washington oder Berlin, Bestrebungen zur Veränderung von Gesetzen, die bislang den Einsatz von Militär auf heimischem Territorium verbieten, reißen nicht ab. Vor diesem Hintergrund bildet die Einführung von Körperscannern ein Mosaiksteinchen. Ob dieses nicht im Sommer dieses Jahres, sondern erst 2011 in das Bild eingefügt werden soll ist vernachlässigbar.

12. Juli 2010