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LAIRE/1299: Von der Leyen in Afrika - deutsche Soldaten, deutsche Interessen (SB)


Kabinett beschließt Ausweitung des Bundeswehreinsatzes in Senegal und Mali



Die Bundeswehr hat ihre sogenannte Reform noch nicht abgeschlossen, da zeigt sich nach den jüngsten Aussagen führender deutscher Politiker, daß die umfangreiche Interventionsbeteiligung in Afghanistan keine Ausnahme war und daß die Umstrukturierung des Militärapparats letztlich die Kriegführungsfähigkeit stärken soll. Als wenn sie sich abgesprochen hätten, forderten binnen weniger Tage der Bundespräsident, die Kanzlerin, der Außenminister und die Verteidigungsministerin mehr oder weniger unverhohlen ein Ende der Zurückhaltung und die Ausweitung deutscher Militäreinsätze in anderen Ländern.

Am Mittwoch hat das Bundeskabinett eine Aufstockung der Soldaten in Mali von 180 auf bis zu 250 Soldaten beschlossen. Wenngleich solche Zahlen noch nicht den Eindruck eines großen Wurfs machen, beginnt bekanntlich jeder Wurf mit einer kleineren Ausholbewegung. Dazu gehört der Einsatz deutscher Soldaten in Senegal und Mali zwecks Unterstützung einer sogenannten Stabilisierungsmission afrikanischer Truppen in Nordmali sowie Entlastung des französischen Militärs, dessen Soldaten nicht nur dort für Ordnung sorgen sollen, sondern mittlerweile auch in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR).

Selbstredend, daß das keine Ordnung sein soll, die sich die Tuareg wünschen. Das marginalisierte und auf mehrere Sahelstaaten verteilt lebende Volk hatte vor rund zwei Jahren in Mali zu den Waffen gegriffen und einen eigenen Staat ausgerufen, nachdem es bis dahin vergeblich auf die Einhaltung der Friedensabmachungen mit der malischen Regierung, die stets eng mit der früheren Kolonialmacht Frankreich verbunden war, gewartet hat. Der schließlich von islamistischen Gruppen okkupierte Tuareg-Aufstand wurde von Frankreich gewaltsam beendet. Die Grande Nation schafft eine Ordnung, die allgemein dem EU-Europa zuarbeitet und speziell die Versorgung seiner Atomkraftwerke mit Uran sicherstellt. Hier nun will Deutschland, das nicht nur Spießgeselle Frankreichs, sondern auch dessen hegemonialer Konkurrent auf dem europäischen "Hinterhof" ist, vermehrt seine eigenen Interessen wahrnehmen.

Spätestens seit 2010, als Bundespräsident Horst Köhler seinen Rücktritt einreichte, weil er für eine Aussage kritisiert worden war - sinngemäß daß deutsche Soldaten auch Handelswege freihalten und Wirtschaftsräume sichern sollen und dabei ums Leben kommen können -, die inhaltlich schon vier Jahre lang im Weißbuch der Bundeswehr nachgelesen werden konnte, war die breite Öffentlichkeit über die Intention der noch unter dem früheren Verteidigungsminister Peter Struck eingeleiteten Neuausrichtung der Bundeswehr informiert.

Nachdem Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen kurz nach ihrem Amtsantritt bei einem Blitzbesuch in Afghanistan betonte, daß sie noch sehr viel zu lernen habe, scheint die Lernphase bereits wieder vorbei zu sein. Explizit widersprach sie dem Wehrbeauftragten des Bundestags, Hellmut Königshaus, der wiederholt erklärt hatte, daß er die Grenzen der Belastbarkeit bei der Bundeswehr zumindest in einigen Bereichen für erreicht hält, indem sie mit Blick auf die Ausweitung des Afrika-Engagements die Rechnung präsentierte: "Es hat Zeiten gegeben, da waren 11.000 Soldatinnen und Soldaten im Einsatz. Zurzeit sind 5000 Soldatinnen und Soldaten im Einsatz, da der Afghanistan-Einsatz sich dem Ende zuneigt. Von der Kapazität seitens der Soldatinnen und Soldaten ist dies durchaus ohne weiteres machbar." [1]

Wenn man schon, wie in diesem Zitat, die Vergangenheit bemüht, könnte man auch sagen, es hat Zeiten gegeben, da wurde seitens der obersten Militärführung der Bundesrepublik mehr Zurückhaltung an den Tag gelegt und der Anspruch erhoben, daß die Soldaten ausschließlich der Landesverteidigung dienen dürften. Es handelt sich um jene Zeiten, in denen Deutschland weder am Hindukusch noch in der Sahara lag. Damals stellte sich gar nicht erst die Frage nach der "Kapazität" der Bundeswehr und ob ein Einsatz "durchaus machbar" ist oder nicht, denn wenn Deutschland angegriffen worden wäre, hätte es sich militärisch verteidigt.

Zu solch einer Wortwahl greift nur nur derjenige, der den ursprünglichen Zweck der Bundeswehr mißachtet und deutsche Soldaten in einen offensiv-kriegerischen Einsatz schickt. Das ist keine neue Erkenntnis, neu ist jedoch die Unverblümtheit, mit der inzwischen politische Entscheidungsträger erklären, daß die Bundeswehr nicht mehr deutsches Territorium, sondern deutsches Interesse "verteidigen" soll.


Fußnoten:

[1] http://www.faz.net/aktuell/politik/besuch-in-afrika-von-der-leyen-bundeswehr-nicht-ueberlastet-12787256.html

6. Februar 2014