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DILJA/1130: Teheran im Zangengriff - mit Kriegsdrohungen zu Kriegsdiensten zwingen? (SB)


Israel droht dem Iran mit Krieg, Obama verspricht einen Neuanfang

Israelisch-amerikanischer Zangengriff, um den Iran zur Beteiligung am Krieg in Afghanistan zu bringen


Der neue US-Präsident Barack Obama hat in der Nacht zum Freitag, dem persischen Frühlingsfest, dem Iran in einer Videobotschaft einen Neuanfang der beiderseitigen politischen Beziehungen in Aussicht gestellt. In der Videobotschaft, die mit auf Farsi verfaßten Untertiteln auch an die Presse verteilt und auf der Webseite des Weißen Hause veröffentlicht wurde, hieß es, die neue US-Regierung wolle alle offenen Fragen im Verhältnis zum Iran auf diplomatischem Wege lösen. Ein solcher Prozeß, so Obama, könne nicht "durch Drohungen vorangetrieben" werden. In den Ohren der iranischen Regierung müssen diese Worte wie Verheißungen klingen, denen kaum widerstanden werden kann; schließlich hat Teheran auch gegenüber der Bush-Regierung stets Gesprächsbereitschaft signalisiert, um das vorgeblich größte bilaterale Problem, die von westlichen Staaten dem Iran unterstellte, wenn auch niemals bewiesene Absicht, Atomwaffen zu entwickeln, auszuräumen.

So zuckersüß, wie die Charmeoffensive Obamas in der Öffentlichkeit präsentiert wird, ist sie jedoch keineswegs, denn mitnichten hat der neue US-Präsident die militärische Option, wie der dem Iran schon seit langem angedrohte Krieg umschrieben wird, vom Tisch genommen. Die militärische Bedrohung ist für Teheran größer denn je, zumal sich am Montag in Israel die schärfsten Befürworter eines solchen Waffenganges, der Likud-Vorsitzende Benjamin Netanjahu und Avigdor Lieberman von der äußerst rechten Partei Jisrael Beitenu, auf eine gemeinsame Kabinettsbildung geeinigt haben. Angesichts dessen, daß der Iran als nicht atomar bewaffneter Staat von den Atommächten Israel, Pakistan und Indien umgeben ist, hätte Teheran allen Grund, sich bedroht zu fühlen. Der künftige Ministerpräsident Israels hingegen nimmt für sein Land die Position in Anspruch, aus einer vermeintlichen Bedrohungslage heraus militärisch-präventiv tätig werden zu müssen, indem er behauptet: "Der Iran strebt nach dem Besitz einer Atomwaffe und stellt die größte Bedrohung unserer Existenz seit dem Unabhängigkeitskrieg dar."

Ein tatsächlicher Interessengegensatz dürfte, auch wenn gegenüber der Öffentlichkeit seit der jüngsten Gesprächsofferte Obamas ein gegenteiliger Eindruck erweckt worden ist, zwischen den USA und Israel in der Iran-Politik allerdings nicht bestehen. Lieberman wird nicht nur neuer Außenminister Israels, sondern übernimmt auch den Ko-Vorsitz in einem israelisch-amerikanischen Gremium, dem Strategic Dialogue Committee, in dem die Schlüsselentscheidungen in der Politik beider Länder in Hinsicht auf die wachsende nukleare Bedrohung und andere wichtige strategische Themen getroffen werden - wo also die Leitlinien der sehr wohl gemeinsamen, wenn auch mit womöglich unterschiedlicher Rollenverteilung durchgeführten Iranpolitik bestimmt werden.

Daraus ergibt sich folgendes, sehr wohl plausibles Szenario: Durch Netanjahu und Lieberman wird die Kriegsbedrohung gegen den Iran noch höher geschraubt als zu Zeiten der Regierung Olmert, während die USA sich in dieser Frage bedeckt halten. Die USA ihrerseits signalisieren Teheran, daß sie - jenseits aller Dialogversprechungen - ein ernsthaftes Nachschubproblem in ihrem Afghanistan-Krieg haben, weil die Nachschubwege durch Pakistan für die US-Streitkräfte infolge der von den dortigen Widerstandsgruppen beständig vorgetragenen Angriffe so gut wie unpassierbar geworden sind. Der Iran mit seiner Seeverbindung könnte - für die US-Kriegführung in einem benachbarten islamischen Staat - die Rettung in der Not werden. Vorsichtige Avancen in dieser Hinsicht, die Teheran keineswegs brüsk von sich wies, hat Washington schon gemacht.

Der Erste Vizepräsident des Iran, Parviz Davoudi, wird in der Presse zitiert mit den Worten, sein Land sei "bereit, mehr als in der Vergangenheit für den Fortschritt und die Entwicklung Afghanistans zu tun". Damit könnte Teheran, in wenn auch verklausulierter Form - denn wie kann eine aktive Kriegsbeteilgung mit "Fortschritt" und "Entwicklung" in Zusammenhang gebracht werden? -, seine Bereitschaft signalisiert haben, den USA die für die Fortsetzung des Afghanistan-Krieges so zwingend erforderliche Ausweichroute für den militärischen Nachschub zu gewähren. Sollte sich dies tatsächlich bewahrheiten, wäre dies wohl das Ergebnis einer gezielt eingefädelten gemeinsamen Strategie Israels und der USA, bei der der Iran in die Lage gebracht wird zu glauben, sich durch eine militärische Zusammenarbeit mit einem seiner größten Gegner, nämlich den USA, Schutz vor einem Angriff seitens Israels erkaufen zu können. Ohne ein solches, keineswegs irreales Bedrohungsszenario hätte Teheran nicht den allergeringsten Grund, die Kriegführung gegen ein islamisches Nachbarland zu unterstützen.

20. März 2009