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DILJA/1172: Honduras - Aus Angst vor dem Präsidenten blockiert das Militär die Landebahn (SB)


Das Putschistenregime in Honduras fürchtet die Rückkehr des gewählten Präsidenten Zelaya und ließ die Landebahn blockieren

Die USA könnten ihres langjährigen Militärstützpunktes verlustig gehen


José Manuel Zelaya Rosales ist nicht gewillt, sich der Gewalt der putschenden Militärs, die ihn Sonntag vergangener Woche gestürzt und außer Landes gebracht haben, zu beugen. Der demokratisch gewählte Präsident von Honduras unternahm am gestrigen Sonntag einen ersten Rückkehrversuch ungeachtet der von den derzeitigen Machthabern gegen ihn ausgesprochenen Ankündigung, ihn verhaften zu lassen, sobald "er einen Fuß auf honduranischen Boden setzt", wie Putschpräsident Roberto Micheletti gegenüber dem US-amerikanischen Sender CNN erklärte. Allerdings taten die neuen Machthaber alles, um eben dies zu verhindern, was ihre Behauptung, der auf Geheiß des Obersten Gerichtshofes erfolgte Sturz sei mit den zahlreichen Verfassungsbrüchen zu rechtfertigen, die Zelaya zur Last gelegt werden, nicht eben glaubwürdig macht.

Plausibler ist demgegenüber die Vermutung, daß die Militärs, obwohl sie alle Gewehre auf ihrer Seite haben und bei der von Zelaya für dieses Wochenende angekündigten Rückkehr am Flughafen von Tegucigalpa zehntausenden unbewaffneten Anhängern des gestürzten Staatsschefs gegenüberstehen, sehr wohl wissen, daß sie aus einer solchen Konfrontation als Verlierer hervorzugehen drohen. Selbst in einer noch so straff geführten und streng disziplinierten Armee wird es zu Widerstand aus den eigenen Rängen kommen, sobald die Soldaten den Schießbefehl auf das eigene Volk erhalten. Und so haben die Putschisten, bei denen es sich um ein Konglomerat der rechten Parlamentsmehrheit, führender Unternehmerkreise, der Spitzen des Militärs und nicht zuletzt auch der katholischen Kirche handelt, nichts unversucht gelassen, um Zelaya von seinem Vorhaben, nach Honduras zurückzukehren und sein Amt wieder zu beanspruchen, abzubringen.

Bereits am Samstag zogen Militärkräfte auf dem weitestgehend gesperrten Flughafen von Tegucigalpa auf, um zu verhindern, daß dieser von Anhängern Zelayas "eingenommen" werden könne, um diesen bei seiner Landung in Empfang zu nehmen und zu begleiten. Genau dazu hatte der gewählte Präsident am Samstag in einer in Venezuela veröffentlichten Erklärung aufgerufen, in der es hieß, "alle Bauern, Hausfrauen, Einwohner, Indígenas, die Jugendlichen und alle Gruppen von Arbeitern, Unternehmern und politischen Freunden, die ich im ganzen Land habe", sollten "mich bei meiner Rückkehr nach Honduras begleiten". Doch dies geschah nicht, da das Militär auf der einzigen Start- und Landesbahn Barrikaden errichtete, die eine Landung des Flugzeuges, dem die Putschisten auch die Landegenehmigung verweigerten, sozusagen "physisch" verhinderte. Dem Piloten der von Venezuela gestellten Maschine blieb somit nichts anderes übrig, als mit Zelaya und seinen Begleitern, zu denen der Präsident der Vollversammlung der Vereinten Nationen, der Nicaraguaner Miguel D'Escoto Brockmann, ebenso gehörte wie etliche Botschafter, weiterzufliegen.

Manuel Zelaya zeigte sich von den Machtdemonstrationen der Militärs unbeeindruckt. Befragt von mitreisenden ausländischen Journalisten, wie es denn um die Sicherheit bestellt sei, erklärte dieser: "Fürchten Sie sich nicht. Sie von den internationalen Medien sind meine Sicherheit, und außerdem ist das Volk da. Ich habe Gott und das Volk, und ich denke, das ist eine Menge." Gegenüber dem lateinamerikanischen Sender Telesur erklärte Zelaya, noch über der Hauptstadt kreisend, er habe alles versucht um zurückzukehren. Da die Gefahr bestünde, daß das Flugzeug vom Militär "abgefangen" werde, flog die Maschine unverrichteter Dinge nach El Salvador weiter, wo Präsident Zelaya in der Hauptstadt San Salvador mit befreundeten Regierungschefs weiter über die Lage beriet. "Hätte ich einen Fallschirm gehabt, wäre ich aus dem Flugzeug gesprungen", hatte er zuvor noch erklärt. In naher Zukunft, die Rede war vom heutigen Montag oder Dienstag, wolle Zelaya den nächsten Versuch unternehmen, zurückzukehren und die Amtsgeschäfte bis zum Ende seiner Regierungszeit am 27. Januar 2010 wieder aufzunehmen.

Unklar ist derweil, ob der gestürzte Präsident abermals per Flugzeug oder auf einem anderen Wege versuchen wird, nach Honduras zurückzukehren. Während seines Anfluges am Sonntag hatte er in einem live ausgestrahlen Fernsehinterview die Soldaten der honduranischen Armee aufgefordert, ihm als Oberbefehlshaber der Streitkräfte zu folgen "im Namen Gottes, des Volkes und der Gerechtigkeit". Die Freigabe des Flughafens, so Zelaya, sei ein Befehl. Das Verhalten der Putschisten deutet darauf hin, daß sie eine Machtprobe gegen ihn tunlichst vermeiden möchten; wäre dem nicht so, hätten sie sich die ihnen gebotene Möglichkeit, den Präsidenten bei seiner Rückkehr gleich am Flughafen wie angedroht zu verhaften, nicht entgehen lassen.

"Es könnte zu Unruhen kommen, das ist keine sichere Rückkehr", hatte José Miguel Insulza, der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), der bereits am Freitag nach Tegucigalpa gereist war mit dem klar definierten Auftrag, die Wiedereinsetzung Zelayas durchzusetzen und keinen Schritt zu unternehmen, der als Legitimierung der Junta gedeutet werden könnte, noch vor dem ersten Rückkehrversuch Zelayas gewarnt. Die "Unruhen" sind allerdings längst da, schließlich wurden in dem Land der Ausnahmezustand verhängt und die Grundrechte außer Kraft gesetzt, um die landesweiten Proteste der Zelaya-Anhänger gewaltsam zu unterdrücken. Trotz dieser enormen Repression haben sich Tausende Menschen nicht davon abhalten lassen, der Aufforderung "ihres" Präsidenten, mit friedlichen Mitteln gegen den Putsch zu demonstrieren, zu folgen und ihn bei seiner Rückkehr zu empfangen. Dabei ist es am Flughafen von Tegucigalpa zu gewaltsamen Übergriffen des Militärs und der Sicherheitsorgane gekommen, die gegen die unbewaffnete Menge Tränengas einsetzten und von ihren Schußwaffen Gebrauch machten.

Dabei blieb es keineswegs bei Warnschüssen, um die Menschenmenge aufzulösen. Als die Anhänger Zelayas erkannten, daß der Präsident nicht würde landen können, weil Hindernisse auf der Landebahn dies verhinderten, versuchten sie, die Absperrung des Flughafens zu durchbrechen. Dabei wurde ein Mann von den Sonderheiten aus Polizei und Militär durch einen Kopfschuß getötet. Bei den Zusammenstößen zwischen ihnen und den unbewaffneten Demonstranten wurde nach Angaben der Polizei noch ein weiterer Demonstrant getötet, bei ihm soll es sich um einen Jugendlichen gehandelt haben. In der westlichen Presse, die sich mehrheitlich in ihrer Berichterstattung den Verlautbarungen der Putschisten inhaltlich so weitgehend angenähert hat, daß sie als externe Propagandaagenturen eines inoffiziell von den USA lancierten Putsches identifiziert werden könnten, herrschte angesichts der beiden Todesopfer der Tenor vor, daß es nun "zu der Gewalt" gekommen sei, vor der angeblich wohlwollende "Freunde" wie etwa der katholische Erzbischof der honduranischen Hauptstadt, Kardinal Oscar Rodríguez, gewarnt hatten, der Zelaya mit der Begründung, es würde ein Blutbad geben, von seiner Rückkehr abzubringen versucht hatte.

Dies stellt die tatsächlichen Ereignisse vollkommen den Kopf, denn ohne einen Schießbefehl an die Sondereinheiten von Militär und Polizei wäre nichts von alledem passiert. Enrique Ortez, der in der sogenannten Übergangsregierung, mit der die Putschisten versuchen, ihrem Regime ein ziviles Äußeres zu verleihen, als "Außenminister" fungiert, hatte erklärt, er "habe angeordnet, das man ihm die Rückkehr nicht erlauben darf, geschehe, was wolle." An der Bereitschaft der Militärs, ihren bisherigen, gewaltsam durchgeführten Putsch auch mit militärischen Mitteln gegen eine aufgebrachte und ihnen feindlich gegenüberstehende Bevölkerung fortzusetzen, kann insofern nicht gezweifelt werden. Honduras wäre jedoch nicht das erste Land Lateinamerikas, in dem in jüngerer Vergangenheit der Versuch, mit militärischen Mitteln eine opponierende Bevölkerung zu unterdrücken, gescheitert ist, weil der Krieg gegen das eigene Volk zu Spannungen, Befehlsverweigerungen und sogar direkten Konfrontationen innerhalb der Armee geführt hat.

Die Lage in Honduras ist somit noch immer höchst angespannt, zumal zu befürchten ist, daß die Putschisten auf inoffiziellen Kanälen auf eine gewisse Unterstützung von Seiten Washingtons zurückgreifen bzw. vertrauen können. Honduras stellt für die USA seit Jahrzehnten einen Aktivposten dar bei ihrem Bestreben, die Verhältnisse in Zentral- und Südamerika in ihrem Sinne zu dominieren. Von hier aus wurden in den 1980ern Bürgerkriege und Umsturzversuche gegen die "linken" Regierungen der Region organisiert. Zu diesem Zweck wurde im Süden von Honduras, in dem etwa einhundert Kilometer von der Hauptstadt entfernt liegenden Soto Cano, 1981 ein Stützpunkt für die US-Luftwaffe errichtet, den diese heute noch dort unterhält. Hinzu kommt, daß der Oberbefehlshaber der honduranischen Streitkräfte, General Romero Vázquez Velázquez, federführend war bei dem in den Putsch vom vergangenen Sonntag mündenden Versuch der Militärs, die Durchführung der von Zelaya angestrebten Befragung, ob es eine Abstimmung über die Einrichtung einer Verfassungsgebenden Versammlung geben soll, zu boykottieren.

Velázquez befehligte auch den Sturz Zelayas in den Morgenstunden des 28. Juni. In ihm könnte der eigentliche Drahtzieher des Putschistenregimes vermutet werden. Träfe dies zu, träten die mutmaßlichen Verbindungen nach Washington recht offen zu Tage, wurde Velázquez doch in den Jahren 1976 und 1984 gleich zweimal in der "School of the Americas" (SOA), heute umbenannt in Western Hemisphere Institute for Security Cooperation mit Sitz in Fort Benning, Georgia/USA ausgebildet. Diese wegen der vielen Folterer, die aus ihr hervorgegangen sind und in den lateinamerikanischen Diktaturen ihr blutiges Handwerk verrichteten, berüchtigte "Schule" hat nach Einschätzung des US-amerikanischen Kongreßabgeordneten Joseph Kennedy "mehr Diktatoren als jede andere Schule auf der Welt hervorgebracht". In Honduras allerdings beginnt sich bei aller zu Gebote stehenden Vorsicht abzuzeichnen, daß die Bereitschaft der in Armut lebenden Bevölkerungsmehrheit, sich abermals einer solchen Gewaltherrschaft zu unterwerfen, so gering ausgeprägt ist, daß die Tage der Putschisten gezählt sein könnten.

6. Juli 2009