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DILJA/1188: Honduras - deutsche Alibi-Parlamentarier wecken Hoffnungen (SB)


Bundestagsabgeordnete der Linkspartei unterstützt den rechtmäßigen Präsidenten von Honduras sowie die nationale Widerstandsfront

Wo aber stehen die Bundesregierung und der Rest des Parlaments?


Monika Knoche, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, hält sozusagen die Fahne des deutschen Parlamentarismus hoch in einem Konflikt, dessen Wurzeln weitaus tiefer in Berlin wie auch weiteren Hauptstädten der westlichen Welt verankert sind, als es deren Austragungsort zunächst vermuten lassen würde. In dem zentralamerikanischen Staat Honduras kann sich eine dem äußeren Anschein nach weltweit einhellig verurteilte Militärjunta, die sich mit der "Regierung" Roberto Michelettis eine zivile Fassade verliehen hat, wie auf wundersame Weise an der Macht erhalten. Die offizielle Linie der Bundesregierung besteht wie die aller übrigen EU-Staaten sowie auch den USA in einer wachsweichen Verurteilung des Putsches und der Forderung nach einer Wiedereinsetzung des gestürzten Präsidenten Manuel Zelaya in sein Amt. Allein, die sogenannte internationale Gemeinschaft, diesseits wie jenseits des Atlantiks bis an die Zähne bewaffnet und namentlich für militärische Auslandsinterventionen bestens ausgerüstet, scheint wie ein Kaninchen vor der Schlange zu hocken und, von eingezogenen Diplomatenpässen und in gewissem Umfang gesperrten Finanzkanälen einmal abgesehen, über keinerlei "Druckmittel" zu verfügen, die das gegenwärtig herrschende Regime in Tegucigalpa zur Aufgabe zwingen würden.

Man möge sich nur einmal ausmalen, eine demokratisch gewählte Regierung, an deren Weiterbestehen die führenden westlichen Staaten ein erhebliches Eigeninteresse haben, wäre auf eine den Vorgängen in Honduras vom 28. Juni vergleichbare Weise gestürzt sowie der einzig legitime Präsident gewaltsam und gegen seinen Willen außer Landes verbracht worden. Wären die verbalen Protestnoten und viertelgaren Forderungen der westlichen Frontstaaten dann ebenso wirkungslos verpufft? Wohl kaum. Im offiziellen Berlin - und in den vorherrschenden Medien hierzulande sieht das nicht anders aus - ist der Putsch in Honduras und die seitdem bereits seit über fünf Wochen andauernde De-facto-Militärdiktatur kein Thema, das Bundesregierung und Bundestag zu Stellungnahmen oder nennenswerten Aktivitäten veranlassen könnte, was ungeachtet der sommerlichen Parlamentsferien sicherlich anders aussähe, wären elementare bundesdeutsche Interessen tangiert.

Monika Knoche hingegen stellt die löbliche Ausnahme in einem Dickicht verschwiegener Standpunkte und Positionierungen bundesdeutscher Parlamentarier und Regierungsmitglieder dar. Sie reiste zusammen mit Alexander King, dem Vertreter der Linksabgeordneten Heike Hänsel, nach Honduras, um ihre Solidarität mit dem gestürzten Präsidenten Manuel Zelaya zum Ausdruck zu bringen sowie die Widerstandsbewegung im Land zu unterstützen. In Tegucigalpa kam es dann am vergangenen Freitag zu einer denkwürdigen Begegnung in der Residenz des Geschäftsträgers der deutschen Botschaft, Michael Zinn, auf der Dachterrasse des Gebäudes "Los Jarros" am Boulevard Morazán. Bei einer Art Empfang traf die kleine Delegation aus Deutschland, zu der neben Knoche und King auch der Journalist Harald Neuber, der sich mit einem Mandat von attac in Honduras aufhält, um die Situation vor Ort zu beobachten, gehörte, auf Kabinettsmitglieder der Regierung Zelaya, führende Persönlichkeiten der honduranischen Widerstandsorganisationen sowie Botschaftsangehörige anderer westlicher Staaten.

Unter dem Beifall der zahlreichen Gäste hatte Knoche erklärt: "Weil die deutsche Bundesregierung und auch die EU den Putsch verurteilen, halte ich es nur für folgerichtig, wenn die Aktivisten für Demokratie auf einen Empfang der deutschen Botschaft eingeladen werden", während der Geschäftsträger der deutschen Botschaft einmal mehr die Notwendigkeit einer friedlichen Lösung dieser schweren innenpolitischen Krise hervorhob. Mit diesen Worten brachte Zinn die eindeutige Zweideutigkeit der Bundesregierung schon auf den Punkt. In einer Situation, in der den gegenwärtigen Machthabern von einer internationalen Menschenrechtsorganisation bereits schwerste und systematische Menschenrechtsverletzungen sowie eine massive Behinderung und Einschüchterung der Presseberichterstattung attestiert wurde, kann ein solcher Pauschal-Appell die faktische, aber uneingestandene Parteinahme für das überaus gewalttätig in Erscheinung tretende Putschistenregime nicht verbergen, zumal die nationale Widerstandsfront ungeachtet der bisherigen Morde, Übergriffe und Verhaftungen ihren "zivilen" Kurs, sprich mit Protesten, Streiks, Demonstrationen und Sternmärschen auf die Hauptstadt Tegucigalpa sowie die zweitwichtigste Stadt San Pedro Sula gegen die Machthaber zu opponieren, fortsetzt.

Xiomara Castro de Zelaya, die Ehefrau des gestürzten Präsidenten, die selbst aktiv am Widerstand teilnimmt, nahm bei dem Empfang des deutschen Geschäftsführers die Gelegenheit wahr, der deutschen Delegation ihre Sicht der Ereignisse darzulegen. "Hinter dem Staatsstreich steht eine Allianz aus mächtigen Gruppen des Landes", so Castro de Zelaya, die konkret und im Detail darlegte, mit welchen sozialpolitischen Initiativen ihr Mann in den zurückliegenden dreieinhalb Jahren bereits versucht hat, die Situation für die Armen des Landes zu verbessern und eine demokratische Entwicklung hin zu mehr Bürgerbeteiligung zu unterstützen. Die Präsidentengattin stellte klar, daß diese Bemühungen, deren soziale Erfolge von einer UN-Wirtschaftsdelegation bereits bestätigt wurden, ihrem Mann die Feindschaft "mächtiger Gruppen dieses Landes" eingebracht haben, die sich "davon bedroht gefühlt" hätten.

Diese Analyse ist so richtig wie unvollständig, denn keineswegs sind es nur "mächtige Gruppen dieses Landes", die für den Putsch verantwortlich zeichnen. An dieser Stelle hat es jedoch auch die Linksparlamentarierin Knoche verabsäumt, aufklärerisch tätig zu werden und insbesondere die Haltung der deutschen Bundesregierung in ihrer beredten Widersprüchlichkeit kritisch auf den Punkt zu bringen. Als Castro de Zelaya beispielsweise berichtete, sie habe aus diplomatischen Quellen erfahren, daß "einige EU-Vertreter" sich mit Repräsentanten des Putschregimes getroffen hätten, versprach Knoche, diesem Vorwurf zusammen mit EU-Vertretern nachgehen zu wollen. Damit befördert sie unweigerlich den Eindruck, als hätte es sich um ein Fehlverhalten einzelner EU-Repräsentanten gehandelt, dem eine sehr wohl ernstgemeinte Haltung der gesamten EU, nämlich den gestürzten Präsidenten Zelaya und nicht seinen Widersacher Micheletti zu unterstützen, gegenüberstünde.

Die Delegationsreise der bundesdeutschen Linkspartei hat in dieser wie auch weiterer Hinsicht dem Ansehen der Bundesrepublik, aber auch der gesamten EU genützt. Bei einem etwa einstündigen Gespräch, das die kleine Delegation aus Deutschland mit der gesamten Riege der gestürzten Minister der Regierung Zelaya führen konnte, hatte Vizeaußenministerin Beatriz Valle die Sorge des Kabinetts zum Ausdruck gebracht: "Wir sind besorgt, weil der Druck der EU und der USA nichts auszurichten scheint." Bei diesem Treffen berichtete Gastgeber Carlos Orbim Montoya, der frühere Vertreter von Honduras bei der Interamerikanischen Entwicklungsbank, daß die Putschregierung Michelettis die Staatskasse plündere und 40 Millionen US-Dollar aus dem Fonds des energiepolitischen Bündnisses Petrocaribe an den Nationalkongreß überwiesen habe. Im Klartext bedeutet dies, daß sich die Putschisten finanziell über Wasser halten durch die Mittel, die durch die wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit mit Venezuela und den Beitritt des Landes in den Staatenbund ALBA in den Kooperationsfonds geflossen sind.

Auch in dieser Hinsicht erweckte Knoche Hoffnungen auf eine wirksame Unterstützung aus Deutschland bzw. der EU, indem sie versprach, daß die Linkspartei im Bundestag eine Initiative einbringen werde, um zumindest in Deutschland eine Sperre finanzieller Mittel, die durch das "Allgemeine Präferenzsystem Plus" Staaten Handelsvorteile gewähren, die klar definierte Menschenrechtsstandards einhielten, durchzusetzen. Und tatsächlich stellte die Linkspartei, wie ihrer Pressemitteilung vom 6. August zu entnehmen ist [1], bereits diesbezügliche Forderungen auf:

"Deutschland und die EU müssen den Druck auf die Putschregierung in Honduras dringend erhöhen, um die verfassungsrechtliche Ordnung wieder herzustellen", bekräftigt Monika Knoche (...).

"Mit den Mitgliedern der rechtmäßigen Regierung Zelaya, die wir getroffen haben, sind wir übereingekommen, dass wirtschaftspolitische Maßnahmen am besten geeignet sind, um die putschenden Eliten zu treffen und die Bevölkerung zu schonen.

DIE LINKE fordert daher die EU auf, Zollvergünstigungen für Honduras im Rahmen des Allgemeinen Präferenzsystems (APS +), die u.a. an die Einhaltung der Menschenrechte geknüpft sind, auszusetzen und die Zuweisungen an Honduras über Beiträge an die Interamerikanische Entwicklungsbank zu stoppen.

Ebenso müssen die Assoziierungsverhandlungen der EU mit Zentralamerika vorläufig ruhen und die bilaterale Budgethilfe für Honduras eingefroren werden."

Ob willentlich und wissentlich oder nicht - die Linksabgeordneten sowie ihre Fraktion nehmen mit dieser Initiative die Rolle von Alibi-Parlamentariern ein, die durch ihr besonderes Engagement zu einer weiteren Verschleierung und nicht, wie angezeigt und konstruktiv wäre, zu einer Klarstellung der tatsächlichen Interessenallianzen und Frontverläufe beitragen.

[1] Presseerklärung - die Linke im Bundestag vom 6. August 2009, Druck auf Putschregierung in Honduras erhöhen

10. August 2009