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DILJA/1208: Honduras vor einem Bürgerkrieg? Das Putschistenregime gibt nicht nach (SB)


Die Zerreißprobe in Honduras könnte in einen Bürgerkrieg münden

Das Putschistenregime ist noch nach wie vor nicht bereit, zur Demokratie zurückzukehren


"Wir werden den inneren Frieden um jeden Preis bewahren, selbst wenn das Leben kosten sollte." Mit diesen Worten unterstrich General Vásquez Velásquez, Befehlshaber der honduranischen Streitkräfte und militärischer Führer des Putschistenregimes, nach der Rückkehr des rechtmäßigen Präsidenten Manuel Zelaya seine Bereitschaft, auch unter Inkaufnahme von Todesopfern den gegenwärtigen Status Quo zu erhalten. Zelaya selbst gibt die Zahl der Toten, die durch die völlig kompromißlose Haltung des Micheletti-Regimes sowie die gewaltsame Niederschlagung der landesweiten Proteste durch Polizei und Militär seit dem Tag seiner Rückkehr ums Leben gekommen sind, bereits mit 10 an. Die Bereitschaft der honduranischen Bevölkerung, sich der Gewalt der Gewehre und dem Terror der sogenannten Sicherheitsorgane, die am dritten Tag des von ihnen verhängten landesweiten Ausnahmezustands damit begonnen haben, Oppositionelle aus ihren Häusern zu zerren und Festgenommene in Sportstadien zu internieren, zu beugen, ist allerdings gering.

Nach wie vor trotzen viele Zelaya-Anhänger den Verboten und tragen ihren Protest auf die Straßen des ganzen Landes; wohlwissend, daß eine Unterwerfung unter das militärdiktatorische Regime nicht zu dessen Beendigung, sondern zu seiner Verfestigung führen würde. Manuel Zelaya selbst hätte ohne die Bereitschaft, Gefahren für das eigene Leben in Kauf zu nehmen, unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht in das von seinen Widersachern beherrschte Land zurückkehren können. Nach wie vor sieht er sein Leben bedroht, wie auch viele seiner Anhänger eine gewaltsame Erstürmung der brasilianischen Botschaft, die dem honduranischen Präsidenten in dessen eigenem Land Asyl gewährt, durch das Militär mit dem Ziel, ihn gefangenzunehmen und zu ermorden, befürchten. Die Behauptung des Micheletti-Regimes, einen solchen Schritt nicht einmal in Erwägung gezogen zu haben, ist nicht unbedingt glaubwürdig, zumal ein Berater des Außenministeriums bereits erklärt hat, daß "die Unverletzlichkeit diplomatischer Niederlassungen nicht den Schutz von Kriminellen und Flüchtlingen" einschließe.

Manuel Zelaya selbst fürchtet zwar, wie er selbst sagt [1], um sein Leben, ist aber zugleich bereit, "alles zu riskieren". Schon diese Haltung dürfte elektrisierend auf die honduranische Bevölkerung wirken und insbesondere den zu einer Nationalen Widerstandsfront zusammengeschlossenen Organisationen, die in den seit dem Militärputsch vom 28. Juni vergangenen drei Monaten die Proteste allen Widrigkeiten zum Trotz aufrechterhalten, koordiniert und weiterentwickelt haben, neuen Auftrieb geben. Die vermeintliche Bereitschaft des Putschisten-"Präsidenten" Micheletti, mit Zelaya zu sprechen, wurde von diesem bereits als "Manipulation" bezeichnet. Sie enthält Forderungen, die für den Präsidenten einer politischen Kapitulation gleichkämen und deshalb unannehmbar sind. So wollte Micheletti ein solches "Gespräch" davon abhängig machen, daß Zelaya nicht in sein Amt zurückkehre und gleichwohl die für November regulär vorgesehenen Wahlen akzeptiere; auch solle Zelaya, so Micheletti, sich dem gegen ihn ausgestellten Haftbefehl beugen.

Doch selbst wenn - was nicht der Fall ist und wofür es nicht die geringsten Anhaltspunkt gibt - Zelaya sich den Putschisten beugen würde, käme dies keineswegs einer Befriedung der hochexplosiven politischen Situation im Lande gleich, weil die Putschisten sich durch ihr brutales Vorgehen längst selbst neue Feinde geschaffen und Menschen gegen sich aufgebracht haben, die zuvor nicht unbedingt Zelaya-Anhänger gewesen sein müssen. Zudem ist es ein offenes Geheimnis, daß der Staatsstreich, so paradox dies anmuten mag, die in Honduras feststellbare Linksbewegung nicht nur nicht geschlagen, sondern geradezu befördert hat. Längst sind die miteinander vernetzten Basis- und Sozialorganisationen und die von ihnen getragene landesweite Bewegung für eine Demokratisierung des Landes in ihren Forderungen über die Nahziele - die Wiedereinsetzung Zelaya ins Präsidentenamt - weit hinausgegangen, worin die eigentliche politische und den Putsch gegen Zelaya auslösende Sprengkraft liegen dürfte. Die Demonstranten wollten, so hieß es am heutigen Donnerstag auch bei NDR Info, eine "Demokratisierung des Landes, konkret eine Verfassungsgebende Versammlung".

Da die Auseinandersetzung zwischen der Oligarchie des Landes, die zum Mittel Militärputsch gegriffen hat, und dieser, allem Anschein nach von einer Bevölkerungsmehrheit getragenen Bewegung nach drei Putschmonaten weit fortgeschritten ist, scheint nun sogar die Gewaltanwendung der Putschisten an Grenzen ihrer Effizienz gestoßen zu sein. Juan Almendares, geschäftsführender Direktor des Zentrums für die Behandlung und Rehabilitierung von Folteropfern und ihrer Angehörigen (CPTRT) mit Sitz in der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa, brachte die Bereitschaft vieler Menschen in Honduras, jetzt nicht nachzugeben, mit folgenden Worten auf den Punkt [2]:

Der gewaltfreie Widerstandskampf gegen den Militärputsch geht weiter. Er kann nicht durch die Gewalt der Putschisten, nicht einmal durch einen Pinochetputsch des 21. Jahrhunderts besiegt werden.

Unter diesen Voraussetzungen steht sogar zu befürchten, daß sich die asymmetrische Auseinandersetztung zwischen dem gesamten Staatsapparat inklusive des Militärs, denen sowohl die Unternehmerschaft, führende Medienkonzerne sowie die katholische Kirche bereitwilligst assistieren, und einer Volksbewegung, die sich nicht einmal Lockangeboten gegenübersieht, die ihren begründeten Forderungen und sei es nur dem Anschein nach Genüge tut, zu einem Bürgerkrieg auswachsen könnte. Mit jedem Toten, mit jedem verschleppten, internierten, mißhandelten und gefolterten Menschen wird die Bereitschaft, der Militärmacht gegenüber andere als die bisherigen zivilen Widerstandsformen zu entwickeln - wofür es in der Geschichte Lateinamerikas zahlreiche Beispiele gibt - anwachsen, was umso mehr dann gilt, wenn Hunderttausende Menschen in Honduras mit ansehen müssen, wie ihr gewählter Präsident belagert und bedroht wird und die vermeintlich demokratischen Spielregeln, zu deren Verteidigung die Putschisten angetreten zu sein behaupten, vom Militär aufs brutalste mißachtet werden.

Anmerkungen

[1] Zelaya fürchtet in Honduras um sein Leben, Meine Muensterlandzeitung.de, 24. September 2009, 10:08 Uhr, http://www.muensterlandzeitung.de/nachrichten/politik/ Zelaya-fuerchtet-in-Honduras-um-sein-Leben;art333,679772

[2] Wie unter Pinochet. Berichte über Internierungen von Demonstranten im Nationalstadion von Tegucigalpa, von Juan Almendares, Übersetzung: Klaus E. Lehmann, amerika21.de, 23.09.2009 http://www.amerika21.de/ nachrichten/inhalt/2009/sep/honduras-7256363-pinochet/

24. September 2009