Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → MEINUNGEN

DILJA/1355: Honduranische Widerstandsfront mit Erfolg in Putschistengesellschaft integriert (SB)


Widerstandsbefriedung erfolgreich abgeschlossen

Zwei Jahre nach dem Putsch ist in Honduras "Normalität" eingekehrt


Vor über zwei Jahren, am 28. Juni 2009, war in dem mittelamerikanischen Staat Honduras ein Militärputsch gegen den gewählten Präsidenten des Landes, Manuel Zelaya, durchgeführt worden. Zelaya, seines Zeichens Unternehmer und als Mitglied der Liberalen Partei seines Landes einst durch die Programme der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung ins Politikgeschäft eingeführt, hatte sich bei den führenden Eliten seines Landes in Politik und Militär sowie deren außenpolitischen Verbündeten in den führenden westlichen Staaten äußerst unbeliebt gemacht. Zelaya, alles andere als ein "Linker", hatte seine Präsidentschaft insoweit ernstgenommen, daß er sich wie ein Vater der Nation veranlaßt sah, die damalige Demokratie- und Sozialbewegung und deren Wunsch nach einer verfassunggebenden Versammlung als eine berechtigte und in ihrem Anliegen begründete Kraft zu begreifen und zu respektieren.

Zelayas Entscheidung, aus dieser Haltung heraus, die auch nach westeuropäischen Begriffen nicht anders als zutiefst demokratisch bezeichnet werden kann, alles in der Macht seines damaligen Amtes Stehende zu tun, um dem Land einen rechts- und verfassungskonformen Weg in einen solchen Verfassungsgebungsprozeß zu ermöglichen, rief Gegenkräfte auf den Plan, die diese Entwicklung im Ansatz zu stoppen suchten und dies mit der gewaltsamen Amtsenthebung des Präsidenten und dessen Deportation auch umzusetzen. Da Manuel Zelaya sich für die Möglichkeit einer Demokratisierung des Landes, das noch immer mit einer Verfassung aus Diktaturzeiten lebt, und damit einhergehende, tiefgreifende Sozialreformen eingesetzt hat, wurde der gegen ihn durchgeführte Putsch von den Sozial- und Basisbewegungen des Landes als direkter Angriff auch auf sie verstanden. Diese Einschätzung stellte sich alsbald im buchstäblichsten Wortsinn als zutreffend heraus, herrschten doch nach dem Putsch diktatorische Verhältnisse in dem unter Ausnahmerecht gestellten Land.

All dies ist mittlerweile unumstritten. Die sozialen Bewegungen und Organisationen des Landes hatten sich zu einer "Nationalen Front des Volkswiderstandes" (FNRP - "Frente Nacional de Resistencia Popular") und ihren Protest und Widerstand gegen das errichtete Putschregime und den eingesetzten Interimspräsidenten Roberto Micheletti auf breiter Basis organisiert. Zentrale Forderungen dieser Widerstandsfront waren zunächst die Rückkehr Manuel Zelayas sowie dessen Wiedereinsetzung in das ihm widerrechtlich entzogene Amt gewesen; im zweiten Schritt stand nach wie vor die Forderung nach einer verfassunggebenden Versammlung. Gegen die Macht der Putschisten konnte sich die honduranische Basisbewegung, die in der Bevölkerung auf breite Zustimmung und Unterstützung stieß, gleichwohl nicht durchsetzen. Menschen verschwanden, die Zahl politischer Morde stieg sprunghaft an, und so war es nicht einmal ein offenes Geheimnis, daß in Honduras eine De-facto-Diktatur herrschte.

Auf internationalem Parkett war die Kritik an Putsch und Putschisten bestenfalls verbalradikal ausgefallen. Führende westliche Regierungen hatten diesen Akt zwar verurteilt, jedoch nur aus taktischen Gründen, um nicht in aller Offenheit und Öffentlichkeit als Unterstützer einer Putschistenregierung wahrgenommen und bezeichnet zu werden. Nennenswerte Maßnahmen oder gar Sanktionen wurden seitens der westlichen Staatenwelt nicht verhängt, während die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) Honduras kurzerhand ausschloß und eine Wiederaufnahme des Landes von der Rückkehr zu demokratischen Verhältnissen abhängig machte. Die tatsächlichen Machthaber in Tegucigalpa unternahmen in der Folgezeit alle nur denkbaren Schritte, um die von ihnen errichtete Diktatur weißzuwaschen und zu normalisieren, um eines Tages, vom Makel der Usurpatoren befreit, wieder zur vollen diplomatischen Normalität zurückzukehren und vor allen Dingen auch in die OAS wiederaufgenommen zu werden.

Diese Ziele konnten in diesem Jahr erreicht werden. Manuel Zelaya "durfte" am 28. Mai 2011 nach über einjährigem Exil nach Honduras zurückkehren. Damit war von der Regierung um "Präsident" Porfirio Lobo, einem Konservativen, der seit Anfang 2010 das Land regierte auf der Basis der im November 2009 unter von den Putschisten kontrollierten Bedingungen abgehaltenen Wahlen, eine der zentralen Forderungen der Widerstandsbewegung FNRP erfüllt worden. Nach wie vor herrscht in Honduras unter einer nur notdürftig reparierten demokratischen Fassade ein Regime von Gewalt und Angst. Bislang hat keine Verfolgung und Bestrafung derjenigen stattgefunden, die während und nach dem Putsch an den zahlreichen Menschenrechtsverletzungen beteiligt waren. Im Gegenteil, viele Putschisten bekleiden noch heute hohe Ämter oder wurden amnestiert.

Ebenso schwer wiegt, daß die Repression gegen den Putschwiderstand und die sozialen Bewegungen mit derselben Härte und Gewaltanwendung auch in der Zeit von "Präsident" Lobo fortgesetzt wurde. Demonstrationen werden gewaltsam aufgelöst, es kommt nach wie vor zu Entführungen und Morden. Honduras ist zu dem für Journalisten gefährlichsten Land geworden [1]. Die mit der Rückkehr Zelayas im Frühsommer dieses Jahres scheinbar vollzogene Rückkehr zur Normalität wird denn auch nicht von allen Kräften und Organisationen des Landes anerkannt. So haben sich kürzlich 20 namhafte Organisationen zusammengeschlossen und in einer Petition die Wiederaufnahme des Landes in die OAS scharf kritisiert. Befürchtet wird, daß im Fahrwasser der Rückkehr Zelayas die internationale Aufmerksamkeit zu den nach wie vor verübten Gewalttaten vollends schwinden könnte. So sind in der ländlichen Region Bajo Aguán, wo sich Bauern- und Bäuerinnen-Organisationen gegen die ungleiche Landverteilung zur Wehr setzen, zahlreiche Morde an protestierenden Bauern zu verzeichnen. Seit dem Amtsantritt Lobos wurden allein hier 31 Morde verübt, von denen nicht ein einziger aufgeklärt wurde [1].

Manuel Zelaya selbst wird aller Voraussicht nach wieder ins Politikgeschäft einsteigen. Als unumstrittene Gallionsfigur der nationalen Widerstandsfront wird er höchstwahrscheinlich als Präsidentschaftskandidat für die neue Partei, zu der sich die nationale Widerstandsfront am 26. Juni konstituiert hat, ins nächste Wahlrennen gehen. In San Pedro Sula war dieser Schritt auf einer Generalversammlung der FNRP von rund 1.500 Delegierten beschlossen worden. Ermöglicht hatte die Rückkehr Zelayas und in der Folge dessen die Rückeinbindung der Widerstandsfront ins parlamentarische Geschehen das am 22. Mai in Cartagena in Kolumbien geschlossene gleichnamige Abkommen zwischen dem Amtsinhaber Lobo und Zelaya. Es war unter Vermittlung der Präsidenten Venezuelas sowie Kolumbiens, Hugo Chávez und Juan Manuel Santos, zustandegekommen.

Zur Befriedung der politischen Lage in Honduras und dem Schein einer gesellschaftlichen Normalität, die vergessen machen soll, daß nach wie vor mit äußerst repressiven Mitteln gegen politische AktivistInnen, die auf einer basisdemokratischen Entwicklung bestehen, vorgegangen wird, wurde auch eine (regierungsnahe) Wahrheitskommission eingesetzt. Diese untersuchte lediglich die Zeit des Putsches bis zum Amtsantritt von "Präsident Lobo" und stellte in einem kürzlich fertiggestellten Bericht fest, was ohnehin jeder im Land weiß, nämlich daß der Putsch ein Putsch war und daß die Putschisten widerrechtlich gehandelt haben. Wes Geistes Kind die Repräsentanten dieser Wahrheitskommission tatsächlich sind, läßt sich an ihrer Behauptung, Zelaya habe eine Mitverantwortung an dem gegen ihn durchgeführten Putsch, ablesen.

Eine regierungsunabhängige Wahrheitskommission wurde als Gegenkommission ins Leben gerufen, um eine tatsächlich unabhängige Untersuchung durchzuführen und die in der Regierungszeit Lobos verübten Verbrechen nicht auszulassen. Das Abkommen von Cartagena sieht zudem vor, die Forderung nach Einleitung eines Verfassungsgebungsprozesses nachzukommen, enthält es doch die Möglichkeit einer Volksbefragung zu der Frage, ob eine solche Versammlung einberufen werden soll oder nicht. Schon vor ein paar Monaten war ein sogenanntes Plebiszit-Gesetz für ein solches Referendum erlassen worden. Allem Anschein wurden die Kernforderungen der nationalen Widerstandsfront somit erfüllt von denselben Kräften, die vor zwei Jahren einen Putsch durchgeführt bzw. gutgeheißen haben, der eine solche Entwicklung verhindern sollte und verhindert hat.

Der entscheidende Unterschied dürfte darin bestehen, daß die Ausführung nun von den regierenden Kräften kontrolliert werden wird, und zu diesen Kräften könnte auch bald die nun ehemalige nationale Widerstandsfront gehören, die sich wie erwähnt bereits zu einer neuen Partei mit Zelaya an der Spitze formiert hat. Die Basisbewegung bleibt als Bewegung der Basis dabei auf der Strecke, und so steht selbst die Alternative Wahrheitskommission, die "wirklich" unabhängig über die verübten Verbrechen aufklären will und aufklären soll, in dem Ruch, zur Befriedung, Instrumentalisierung und Einbindung des Widerstandspotentials beizutragen. Die deutsche Bundesregierung hat sich erst vor kurzem verpflichtet, die regierungsunabhängige Wahrheitskommission der honduranischen Demokratiebewegung mit einem Beitrag von 63.000 Euro zu unterstützen [2]. Dies mag eine finanzielle Bagatelle sein, belegt jedoch, daß die unabhängige Demokratiebewegung Gelder einer Regierung anzunehmen bereit ist, die seitens einer ihr nahen Institution, der Friedrich-Naumann-Stiftung der FDP, den Putsch von 2009 in aller Deutlichkeit unterstützt und bis heute gerechtfertigt hat.

Anmerkungen

[1] Ende der Krise in Honduras? Mit der Rückkehr Zelayas und der Wiederaufnahme des Landes in die OAS scheint die politische Krise nach dem Putsch zunächst beendet. Von Magdalena Heuwieser, amerika21.de, 13.06.2011,
http://amerika21.de/analyse/34323/das-offizielle-ende-der-krise

[2] Deutschland unterstützt Untersuchung von Putsch in Honduras. Amerika21.de, 08.07.2011,
http://amerika21.de/meldung/2011/07/36486/honduras-wahrheitskommission


13. Juli 2011