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DILJA/1430: Verbrannter Zusammenhalt ... (SB)



Feuerbrünste in vielen südeuropäischen Staaten gefährden und zerstören auch in diesem Sommer Mensch und Tier, Umwelt und Natur. Allein in Griechenland sind seit dem 13. August 146 Wald- und Buschbrände ausgebrochen. Viele konnten unter Kontrolle gebracht werden, doch drei große Brände in der Nähe von Athen, im Westen der Halbinsel Peleponnes und auf der Ferieninsel Zakynthos im Ionischen Meer stellten, immer wieder von starken Winden angefacht, die Behörden noch lange vor große Probleme. Tausende Menschen mußten in der Nacht auf den 14. August in der Nähe von Athen evakuiert werden, am Strand von Kalamos wurden zwei Kinder-Zeltlager geräumt.

Dutzende Häuser brannten nieder. Die Feuerwehr, in der Region mit 200 Mitarbeitern und zahlreichen Freiwilligen im Einsatz, suchte das weitere Übergreifen des Feuers auf bewohntes Gebiet zu verhindern. Behindert von schlechter Sicht wegen der hohen Rauchsäulen verrichteten die Piloten der Löschhubschrauber ihr Werk. Beim Löschwasser kam es zu Engpässen, weil Immobilienbesitzer ihre Häuser abgespritzt und damit für einen zusätzlichen großen Wasserverbrauch gesorgt hatten. Augenzeugen berichteten von einer 20 Meter hohen Feuerwand. Nach Angaben der griechischen Feuerwehr waren zwischenzeitlich acht Löschflugzeuge, ein Helikopter und 17 Löschfahrzeuge im Einsatz. [1] Um der Flammen Herr zu werden, reichte das nicht aus. Medienberichten zufolge waren nur vier der 16 Löschflugzeuge Griechenlands einsatzbereit, was mit der Finanzkrise und den dem Land aufgezwungenen Sparmaßnahmen begründet wurde. [2]

Ersten Schätzungen zufolge waren bis zum 15. August bereits 3500 Hektar Wald- und Buschland verbrannt. Wegen der mit den Bränden verbundenen großen Gefahren wandte sich die griechische Regierung an diesem Tag an die EU und bat um die Aktivierung des Zivilschutzmechanismus. Wie die Feuerwehrsprecherin Stavroula Malliri dazu erklärte, erhoffe sich die Regierung als Unterstützung durch die EU vier Löschflugzeuge des Typs CL-415, die 6000 Liter Wasser innerhalb weniger Sekunden abwerfen können. Doch dieser Wunsch wurde nicht erfüllt. Die französische Regierung erklärte, wegen der schweren Waldbrände im Süden Frankreichs und auf Korsika über keine zusätzlichen Kapazitäten zu verfügen, einzig Zypern bot zur Unterstützung die Entsendung von 60 Feuerwehrleuten an. Damit ist Griechenland in einer Situation, in der sich die Solidarität der EU als äußerst hilfreich, wenn nicht sogar lebensrettend erweisen könnte, weitestgehend auf sich allein gestellt. Noch ist im Unterschied zu den Feuerkatastrophen früherer Sommer kein Mensch ums Leben gekommen.

Der Zivilschutzmechanismus der EU ist in diesem Sommer bereits achtmal aktiviert worden, um von Waldbränden betroffene Staaten - unter ihnen Italien, Frankreich, Portugal, Albanien und Montenegro - bei der Brandbekämpfung zu unterstützen. Ein von der EU-Kommission eingerichtetes Notfallkoordinationszentrum - "Commission's 24/7 Emergency Response Coordination Centre (ERCC)", wobei "24/7" bedeutet, daß das Zentrum 24 Stunden am Tag und 7 Tage in der Woche einsatzbereit ist - hat die Aufgabe übernommen, die an dem Zivilschutzmechanismus beteiligten Staaten über die von einem betroffenen Krisenstaat geäußerten Unterstützungswünsche zu informieren. Die Entscheidung, ob das Programm aktiviert wird oder nicht, obliegt nicht der EU-Kommission, sondern der Regierung des betroffenen Staates. [3]

Neben den 28 EU-Mitgliedstaaten sind Mazedonien, Montenegro, Serbien, Island, Norwegen und die Türkei an diesem Katastrophenschutzprogramm beteiligt. Die teilnehmenden Staaten bilden, so zumindest ist die Idee, einen Ressourcenpool, um im Katastrophennotfall betroffene Staaten in aller Welt unterstützen zu können. Seit seiner Gründung 2001 hat der Zivilschutzmechanismus über 400 Katastrophen beobachtet und rund 300 Unterstützungsanfragen erhalten. Er hat sich an der Katastrophenhilfe bei einigen der schlimmsten Vorfälle weltweit beteiligt, so beispielsweise 2014 bei der Flutkatastrophe in Serbien und Bosnien-Herzegowina, beim Ebola-Ausbruch in westafrikanischen Staaten und dem Ukraine-Konflikt, dann 2015 beim Erdbeben in Nepal und schließlich 2016 beim Irakkonflikt und dem Hurrikan "Matthew" in Haiti. [3]

In diesem Jahr ist Portugal wegen der nach den verheerenden Feuern vom Juni im August abermals ausgebrochenen Waldbrände zum zweiten Mal in den Genuß die Katastrophenhilfe gekommen. Eine an den ERCC gerichtete Unterstützungsanfrage wurde umgehend beantwortet, Spanien stellt Portugel 163 Feuerwehrleute, 27 Fahrzeuge und vier Löschflugzeuge zur Verfügung. Christos Stylianides, der zuständige EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenmanagement, erklärte, in dieser Situation habe die Hilfe für Portugel für die EU höchste Priorität. Er dankte Spanien für die schnelle Hilfe und erklärte, das sei europäische Solidarität in Aktion. [4] Auch als Italien im Juli von schweren Waldbränden heimgesucht wurde und den Zivilschutzmechanismus in Anspruch nehmen wollte, wurden umgehend drei französische Löschflugzeuge in die süditalienische Krisenregion entsandt. [5]

Waldbrände wecken in Griechenland Erinnerungen an die verheerende Brandkatastrophe von 2007. Damals waren 77 Menschen ums Leben gekommen und rund 2000 Häuser niedergebrannt. Eine Waldfläche von 268.834 Hektar - größer als das Saarland - fiel den Flammen zum Opfer. Insgesamt 15 europäische Staaten waren Griechenland damals mit Löschflugzeugen und Feuerwehrleuten zu Hilfe gekommen, doch gereicht hatte dies bei weitem nicht. Die damalige griechische Regierung des konservativen Ministerpräsidenten Kostas Karamanlis war wegen des völligen Versagens bei der Brandbekämpfung im eigenen Land hart kritisiert worden, doch auch der EU wurde vorgeworfen, viel zu langsam und zu bürokratisch reagiert zu haben.

Flugzeuge, Rettungsausrüstungen oder medizinische Versorgung aus Brüssel kämen im Katastrophenfall zu spät oder gar nicht, wie sich gezeigt habe, als Griechenland die EU-Partner um 12 Löschflugzeuge gebeten hatte, so der Vorwurf. Das damalige Brüsseler Beobachtungs- und Informationszentrum (BIZ) hatte den griechischen Hilfsappell an seine Kontaktstellen in 30 Mitgliedsstaaten weitergeleitet. Erst nach 48 Stunden landeten die ersten Flugzeuge auf dem Peloponnes. Drei Transporthubschrauber der Bundeswehr waren sogar erst nach vier Tagen im Einsatz. Um Abhilfe zu schaffen, hatte der zuständige EU-Umweltkommissar Stavros Dimas anschließend einen Reformvorschlag ausgearbeitet mit dem Ziel, für insgesamt elf Katastrophenszenarien Material und Personal ständig verfügbar zu stellen. Zur Waldbrandbekämpfung war an eine Reserve von Feuerwehreinheiten und zehn Löschflugzeugen gedacht, die in den Sommermonaten ständig abrufbereit gehalten werden sollten. Sollte das nicht ausreichend sein, würde die EU weitere Spezialflugzeuge kurzfristig anmieten, so der Plan. [6]

Eine EU-eigene Feuerwehr zur Waldbrandbekämpfung war schon 2006 von dem damaligen französischen EU-Kommissar Michel Barnier vorgeschlagen worden. 2007 hatten der damalige französische Präsident Nicolas Sarkozy wie auch Griechenlands Ministerpräsident Karamanlis die Reformvorschläge unterstützt. In Brüssel waren sie jedoch auf Ablehnung gestoßen. In den von verheerenden Waldbränden kaum betroffenen EU-Mitgliedstaaten wurde diese Initiative als ein Versuch bewertet, die nationalen Feuerwehrkosten auf die Union abzuwälzen. [7]

In Griechenland hatte und hat die national organisierte Berufsfeuerwehr in Personalstärke und Ausrüstung keinen mit den EU-Kernstaaten vergleichbaren Entwicklungsstand. Sie verfügte 2007 über rund 13.000 Einsatzkräfte, wobei es sich, wie damals kritisiert wurde, nur um Planstellen gehandelt hätte, von denen nur 8.000 besetzt gewesen seien. Der seit den 1990er Jahren im Aufbau befindlichen Freiwilligen Feuerwehr gehörten 2007 etwa 3.800 Mitglieder an. Zum Vergleich: In einem Land wie Österreich mit weniger Einwohnern als Griechenland sind rund 300.000 Menschen in dem System Freiwilliger Feuerwehren organisiert. In Deutschland, wo in fast jedem Dorf eine Feuerwache steht, haben die Freiwilligen Feuerwehren rund eine Million aktive Mitglieder.

Nach Ansicht von Nikos Sachinidis, dem Begründer der Freiwilligen Feuerwehr in Griechenland, fehlte es 2007 vor allem aber auch an einem effektiven Überwachungssystem: "Wenn die Feuerwehr zwei Stunden braucht, um am Einsatzort anzukommen, ist es zu spät: Die Feuerwehr ist zum Löschen da, nicht zum Beobachten." [6] An einen eigentlich dringend gebotenen Ausbau der Feuerwehren ist in Griechenland jedoch seit der Finanzkrise und dem Brüsseler Spardiktat nicht mehr zu denken. Von der dem Land durch die Troika aufgezwungenen Politik der Stellenstreichungen, Kostensenkungen und Ausgabenkürzungen in allen staatlichen Bereichen wurden die Feuerwehren nicht ausgenommen, obwohl dies, da das Land Sommer für Sommer mit Waldbränden zu kämpfen hat, einem "Spiel mit dem Feuer" gleichkommt. 2012 beispielsweise hatten die internationalen Kreditgeber Athen auferlegt, in den kommenden zwei Jahren zwölf Milliarden Euro zusätzlich einzusparen, woraufhin 15.000 Entlassungen im staatlichen Bereich sowie Renten- und Lohnkürzungen beschlossen wurden. Dagegen streikten am 12. September neben Krankenhausärzten, Lehren, Universitätsprofessoren, Hafenarbeitern, Polizisten und Journalisten auch Feuerwehrleute.

2007 waren zwölf Prozent des griechischen Waldes zu Asche geworden. In den am schwersten von den verheerenden Bränden betroffenen Präfekturen war nur "schwarzes Land" zurückgeblieben. Die Umweltorganisation WWF nannte dies eine "nationale Katastrophe von unvorhersehbaren menschlichen, ökologischen und kulturellen Dimensionen" und sprach von einer Wunde, "die nur schwer zu heilen ist". [6] Für Griechenland gab es in dieser extremkatastrophalen Lage allerdings noch ein zusätzliches finanzielles Nachspiel. Nach Angaben der damaligen EU-Kommissionssprecherin Barbara Helfferich verlangten einige EU-Staaten, unter ihnen Deutschland und Schweden, einen finanziellen Ausgleich für die von ihnen geleisteten "Hilfen". Im Falle Deutschlands waren das die drei Transporthubschrauber der Bundeswehr, die vier Tage nach dem Hilfsappell Griechenlands in den Einsatz gegangen waren. [8]

"Die Brände können nur mit Unterstützung europäischer Partner bewältigt werden", hatte der griechische EU-Umweltkommissar Stavros Dimas 2007 noch in Aussicht gestellt. [7] Beim Thema Brandbekämpfung stellt sich allerdings schnell heraus, was die versprochene Solidarität für schwächere Mitgliedstaaten wie Griechenland bedeutet. Genaugenommen haben sich seitdem in erster Linie die selbst häufig von Waldbränden betroffenen südeuropäischen Staaten gegenseitig geholfen, wozu sie der Vermittlung durch die EU vielleicht nicht einmal bedurft hätten. Die in Brüssel tonangebenden Staaten Kerneuropas, die sich wie Deutschland ihre Unterstützungsleistungen hinterher bezahlen ließen, haben ihre harte Linie den Ergebnissen nach zu schließen durchgesetzt, auch wenn in den EU-Verträgen viel von Solidarität die Rede ist.

In Art. 222 des "Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union" (AEUV) wird unter dem Titel "Solidaritätsklausel" Unterstützung in Katastrophenfällen in Aussicht gestellt: [9]

Die Union und ihre Mitgliedstaaten handeln gemeinsam im Geiste der Solidarität, wenn ein Mitgliedstaat von einem Terroranschlag, einer Naturkatastrophe oder einer vom Menschen verursachten Katastrophe betroffen ist. Die Union mobilisiert alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel, einschließlich der ihr von den Mitgliedstaaten bereitgestellten militärischen Mittel, um (...) b) im Falle einer Naturkatastrophe oder einer vom Menschen verursachten Katastrophe einen Mitgliedstaat auf Ersuchen seiner politischen Organe innerhalb seines Hoheitsgebiets zu unterstützen.

Eine Ausrede für den Fall, wie jetzt bei der Feuerbekämpfung in Griechenland den sogenannten Zivilschutzmechanismus nicht zu aktivieren, läßt sich zwischen diesen Zeilen bereits erahnen. Wenn die EU verspricht, "alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel" zu mobilisieren, wird aus Sicht derjenigen, die in Brüssel eine Politik der harten Hand betreiben, dafür gesorgt, daß eben nicht genügend Mittel vorhanden sind - so geschehen, als der noch ganz unter dem Eindruck schwerster Brandkatastrophen gemachte Vorschlag, ständig zehn Löschflugzeuge in den Sommermonaten als Einsatzreserve der EU bereitzustellen, abgelehnt worden war. Daß Griechenland bei der aktuellen Brandbekämpfung vergeblich auf EU-Unterstützung hoffte, stellt klar, was von der Union und ihrem Solidaritätsversprechen zu halten ist.


Fußnoten:

[1] https://www.aargauerzeitung.ch/panorama/vermischtes/griechische-doerfer-werden-wegen-waldbraenden-evakuiert-131630297

[2] http://de.euronews.com/2017/08/16/griechenland-kampft-weiter-gegen-waldbrande

[3] http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-17-2661_en.htm

[4] http://ec.europa.eu/echo/news/forest-fires-eu-helps-mobilise-planes-vehicles-and-firefighters-help-portugal_en

[5] http://ec.europa.eu/echo/news/forest-fires-italy-eu-provides-immediate-help-through-civil-protection-mechanism_en

[6] http://www.focus.de/politik/ausland/griechenland-selbst-verschuldetes-inferno_aid_221688.html

[7] http://www.dw.com/de/papier-hilft-nicht-gegen-feuer/a-2718852

[8] https://www.welt.de/politik/article1141878/EU-Nachbarn-lassen-sich-die-Hilfe-bezahlen.html

[9] https://dejure.org/gesetze/AEUV/222.html

23. August 2017


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